Superkleber aus Mistelbeeren

Superkleber aus Mistelbeeren

Sie sind weiß, rund und extrem klebrig: die Früchte der Weißbeerigen Mistel. Auf der Suche nach einem Bioklebstoff sind sie jetzt ins Visier der Wissenschaft geraten.

Nahaufnahme von Mistelbeeren, die klebrigen Samen beinhalten
Nahaufnahme von Mistelbeeren, die klebrigen Samen beinhalten

Mistelzweige gelten vielerorts als Glücksbringer. Hierzulande ist vor allem die Weißbeerige Mistel (Viscum album) mit ihren weißen Beerenfrüchten weit verbreitet. Sie wächst an Laubbäumen wie Birken, Pappeln oder Apfelbäumen und gilt als Halbschmarotzer, weil sie der Wirtspflanze Wasser und darin enthaltene Mineralsalze entzieht. Die weißen Beeren des Mistelstrauchs haben nun das Interesse von Materialwissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) in Potsdam geweckt. Ein Team um Peter Franzl stellte fest, dass Mistelbeeren über besonders starke Klebeeigenschaften verfügen.

Der Klebstoff kommt in Gestalt klebriger Samen daher, die im Inneren der Beeren schlummern. Diese schleimige und klebrige Substanz besteht aus flexiblen Fasern, die besonders gut haften, schreibt das Team im Fachjournal PNAS. Demnach kann jede Mistelbeere einen bis zu zwei Meter langen klebrigen Faden produzieren. Das sogenannte Viscin ist ein natürlicher Celluloseklebstoff, der die Mistelbeeren an ihren Wirtspflanzen haften lässt.

Mistelkleber haftet gut und lässt sich leicht lösen

Nils Horbelt vom MPIKG und Erstautor der Studie hatte die Klebeeigenschaften in einem Selbstversuch getestet. Drei Tage trug er den Mistelkleber an seinen Fingern. „Anschließend konnte ich das Viscin durch einfaches Aneinanderreiben der Finger wieder ablösen“, berichtet der Forscher. Der Bioklebstoff aus der Mistelbeere haftet nicht nur an Haut und Knorpel, sondern auch an verschiedenen synthetischen Materialien. Hinzu kommt: Er lässt sich unter feuchten Bedingungen leicht wieder lösen.

Forschende untersuchen Klebeeigenschaften

Neben der Reversibilität lässt sich Mistelklebstoff auch leicht verarbeiten. Die ehemalige Arbeitsgruppe von Matthew Harrington, der inzwischen an die McGill University in Kanada gewechselt ist, fand heraus, dass die Viscinfasern durch eine einfache Verarbeitung im nassen Zustand zu dünnen Filmen gedehnt und zu 3D-Strukturen zusammengefügt werden können. „Erstmals wird nun untersucht, wie man die hervorragenden Klebeeigenschaften für potenziell medizinische oder technische Verwendungen nutzbar machen kann“, sagt Peter Franzl. Ein weiterer Vorteil: der Mistelklebstoff ist biologisch abbaubar und erneuerbar.

Ein Bioklebstoff für verschiedene Anwendungen

Aufgrund der vielen positiver Eigenschaften wäre der neuartige Bioklebstoff für verschiedene Anwendungen geeignet – etwa als Wundverschlussmittel für die Biomedizin. „Es bleiben noch viele Fragen zu diesem sehr außergewöhnlichen Material offen,“ sagt Horbelt. In einem nächsten Schritt will das Team nun die Chemie hinter diesem quellfähigen und extrem klebrigen Material untersuchen, um den Klebeprozess anschließend imitieren zu können.

bb