Studie: Bio-Engineering bei deutschen Unternehmen hoch im Kurs

Studie: Bio-Engineering bei deutschen Unternehmen hoch im Kurs

Eine Capgemini-Studie zeigt, dass deutsche Unternehmen fast aller Industriezweige bei der Verwirklichung ihrer Nachhaltigkeitsziele auf die Potenziale der Synthetischen Biologie setzen.

In der Synthetischen Biologie werden biologische Systeme am Reißbrett entworfen. Wie nimmt die Bevölkerung dieses neue Forschungsfeld wahr? Eine Umfrage von Allensbach und der Leopoldina liefert erste Antworten.
Biologische Systeme aus Bauteilen entwerfen und konstruieren - das ist die Herangehensweise der Synthetischen Biologie.

Die Synthetische Biologie verbindet Biowissenschaften und Ingenieurswissenschaften, um biologische Systeme wie Zellen oder Organismen mit neuen Eigenschaften und Fähigkeiten auszustatten. So können beispielsweise Bakterien oder Hefen so verändert werden, dass sie pflanzliche Roh- und Reststoffe in neue Produkte wie Kraftstoffe, Chemikalien, Fasern oder Medikamente umwandeln. Für die Bioökonomie bietet das sogenannte Bio-Engineering damit die notwendigen Werkzeuge, um die Industrie nachhaltiger zu machen.

Großes Potenzial für Transformation

Eine aktuelle Studie vom Capgemini Research Institute zur Bioökonomie zeigt, dass Unternehmen fast aller Industriezweige weltweit, darunter auch in Deutschland, bei der Transformation auf die Potenziale der Synthetischen Biologie setzen, „um die Fortschritte in der Biotechnologie zum Schutz der Umwelt und zur Produktoptimierung“ zu nutzen. „Die Bioökonomie rückt in den Fokus der Business-Verantwortlichen, denn sie verspricht ein unerschöpfliches Potenzial für Unternehmen“, sagt Felizitas Graeber, Managing Director von Capgemini Invent in Deutschland.

Im Rahmen der globalen Studie mit dem Titel „Engineering biology: The time is now” wurden im April und Mai dieses Jahres Führungskräfte von insgesamt 1.100 großen Unternehmen sowie 500 Start-ups weltweit befragt. Die Umfrage ergab, dass Nachhaltigkeit ein zentrales Motiv für das Interesse von Unternehmen an der Biotechnologie ist. Durch den Einsatz von biobasierten Lösungen erwarten Unternehmer vor allem Vorteile für die Umwelt wie weniger Abfall und Emissionen, eine Verbesserung der Produktleistung und -sicherheit sowie eine geringere Abhängigkeit von Rohstoffen und globalen Lieferketten.

„Bedeutende technologische Fortschritte in der DNA-Synthese, -Editierung und -Sequenzierung haben die Geschwindigkeit und Präzision des Engineerings biologischer Systeme stark erhöht und zugleich die Kosten entscheidend gesenkt“, schreiben die Autorinnen und Autoren. Zudem hat der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Erforschung und Prognose von Protein- und Stoffwechselstrukturen rasant vorangetrieben.

Umfassende Veränderungen durch Bio-Engeneering erwartet

Der Studie zufolge erwarten 99 % der weltweit befragten Führungskräfte, und davon 100 % der deutschen Unternehmer, dass ihre jeweilige Branche sich durch das Bio-Engineering in den nächsten zwei bis zehn Jahren oder darüber hinaus „umfassend verändern“ wird. In Deutschland rechnet zudem mehr als jede zweite Führungskraft in den nächsten zwei bis fünf Jahren mit entsprechenden Veränderungen.

Darüber hinaus wird deutlich, dass insgesamt 96 % der befragten Führungskräfte weltweit und darunter 99 % der deutschen Unternehmer, bereits Biosolutions einsetzen – also Produkte, Materialien oder Prozesse nutzen, bei denen Bio-Engineering zum Einsatz kommt. Konkret befinden sich 40 % solcher Maßnahmen in der Explorationsphase, 56 % führen demnach Forschungs- und Pilotprojekte durch oder setzen Biosolutions im kommerziellen Maßstab ein.

So nutzt die BASF bereits gentechnisch veränderte Mikroorganismen, um beispielsweise Biopolymere, Lebensmittelzutaten, Pflanzenschutzmittel, Aromen und Duftstoffe sowie Enzyme für Waschmittel und Kosmetika herzustellen. Bayer hat sich wiederum mit dem US-amerikanischen Biotech-Unternehmen Ginkgo Bioworks zusammengetan, um Stickstoff fixierende Bakterien zu entwickeln, die eine nachhaltige Alternative zu synthetischen Düngemitteln sein sollen.

Wachstum signalisiert positive Marktstimmung

Das sich dabei abzeichnende „stetige Wachstum“ sei ein Signal für eine „positive Marktstimmung in Bezug auf das wissenschaftliche und wirtschaftliche Potenzial von Bio-Engineering“, heißt es. Der Studie zufolge wollen 74 % der deutschen Führungskräfte und 68 % der internationalen Manager entsprechende Investitionen in ihrer Branche in den nächsten zwei bis fünf Jahren erhöhen. „Größere Investitionen steuern die Dynamik und sind zur Marktreife von Biosolutions erforderlich. Da generative KI die Präzision, Geschwindigkeit und Kosteneffizienz im Bio-Engineering steigert, wird dieses Technologie-Feld in den kommenden Jahren maßgebliche Impulse setzen und Unternehmen wie Industrien von Grund auf transformieren“, sagt Felizitas Graeber.

Neben den Chancen der Synthetischen Biologie für ein nachhaltiges Wirtschaften, geht die Studie auch auf die Hürden bei der Umsetzung solcher Innovationen ein. Hohe Kosten, ein Mangel an Fachkräften sowie geeignete Großinfrastruktur wie Bioreaktoren werden seitens von Unternehmen und Start-ups gleichermaßen als große Hindernisse benannt. So sind fast zwei Drittel der befragten Bio-Engineering-Start-ups der Ansicht, „dass verbreitete Unkenntnis biologischer Sachverhalte ihre Möglichkeiten zur Skalierung von Biosolutions“ einschränke und daher „mehr Expertise in der Thematik“ notwendig sei.

Die Studie „Engineering biology: The time is now” des Capgemini Research Institute steht als Download bereit.

Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) und Robotik haben der Studie zufolge das größte Transformationspotenzial, um die derzeit noch hohen Kosten für die Entwicklung und Skalierung von Biosolutions zu senken sowie Forschungs- und Entwicklungsprozesse zu optimieren. Der Umfrage nach nutzen bereits 78 % der deutschen Unternehmen KI. Der Einsatz von Robotik liegt bei 25 %.

Bekanntheit biobasierter Lösungen steigern

Um die Einführung von biobasierten Lösungen zu fördern, müsse vor allem deren Bekanntheitsgrad gesteigert werden, schreiben die Autorinnen und Autoren des fast 100 Seiten umfassenden Reports. Unternehmen sollten dafür eine „umsichtige Strategie und Roadmap“ entwickeln, die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen und Konzepte der Kreislaufwirtschaft umsetzen. „Dabei wird es für Unternehmen aller Industriezweige unabdingbar sein, innerhalb der Grenzen eines klaren, progressiv-regulatorischen Frameworks für die Bioökonomie zu agieren“, heißt es.

bb