Schlüssel-Gen für giftiges Alkaloid in Gerste entdeckt

Schlüssel-Gen für giftiges Alkaloid in Gerste entdeckt

Viele Sorten der Gerste produzieren eine für Nutztiere giftige Substanz namens Gramin. Forschende aus Hannover und Gatersleben haben aufgeklärt, wie das Alkaloid in der Pflanze hergestellt wird.

Robert Hoffie untersucht Gerste
Insbesondere die grünen Pflanzenteile vieler Gerstesorten enthalten den Giftstoff Gramin.

Pflanzen vermitteln ihre Wechselwirkungen mit der Umwelt über chemische Signale. Ein Beispiel dafür ist das Alkaloid Gramin, das von Gerste, einer der weltweit am häufigsten angebauten Getreideart, produziert wird. Gramin bietet Schutz vor pflanzenfressenden Insekten und Weidetieren und hemmt das Wachstum anderer Pflanzen. Insbesondere in den grünen Pflanzenteilen wie Blättern und Halmen ist der Giftstoff präsent, kaum jedoch in den Körnern, die für die Lebensmittelherstellung bedenkenlos genutzt werden können. Für Wiederkäuer kann der Verzehr der grünen Pflanzenteile jedoch toxisch sein, dies schränkt die Nutzung der Gerste als Futtermittel ein.

Bisher war die genetische Grundlage der Gramin-Biosynthese nicht geklärt, daher konnte die Produktion nicht gesteuert und diese Möglichkeit nicht für die Züchtung genutzt werden. Nun ist es Forschungsgruppen des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) und der Leibniz Universität Hannover gelungen, den kompletten Biosyntheseweg von Gramin zu entschlüsseln. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht.

Zweites Schlüssel-Gen für die Biosynthese aufgespürt

Trotz langjähriger Forschung war das Schlüssel-Gen für die Bildung von Gramin bislang nicht bekannt. Die Forschenden entdeckten in der Gerste nun ein Cluster von zwei Genen für die Gramin-Biosynthese. Das erste Gen (HvNMT) war bereits vor 18 Jahren gefunden worden. In seiner Studie hat das Team vom IPK und der Leibniz-Universität Hannover jetzt ein zweites Schlüsselgen für die Biosynthese identifiziert. Es kodiert für das Enzym AMI-Synthase und liegt auf demselben Chromosom wie HvNMT. Damit ist jetzt der gesamte Stoffwechselweg von Gramin beschrieben.

„Wir haben entdeckt, dass AMIS ein Oxidase-Enzym ist, das eine ungewöhnliche kryptische oxidative Umlagerung von Tryptophan durchführt. Damit können wir die bisherige Theorie zur Gramin-Biosynthese aus den 1960er Jahren revidieren“, sagt John D'Auria, Leiter der IPK-Arbeitsgruppe Metabolische Diversität. Jakob Franke, Leiter der Arbeitsgruppe Biochemie sekundärer Pflanzenstoffe an der Leibniz-Universität Hannover, ergänzt: „Der bisher unbekannte Enzym-Mechanismus, über den Gramin gebildet wird, hat uns sehr überrascht. Gleichzeitig bietet sich dadurch nun die Möglichkeit, biologisch aktive Alkaloide mit nachhaltigen biotechnologischen Methoden zu produzieren.“

Gramin in Hefe und Modellpflanzen hergestellt

Die Forscherinnen und Forscher konnten damit Gramin in Hefe und Modellpflanzen (Nicotiana benthamiana, Arabidopsis thaliana) herstellen. „Anders als bei vielen anderen pflanzlichen Abwehrstoffen sind zur Bildung von Gramin nur zwei Gene erforderlich. Dadurch lassen sich unsere Erkenntnisse relativ leicht praktisch nutzen“, hebt Ling Chuang von der Leibniz-Universität hervor. „Zudem ist es uns durch gentechnische Veränderung auch gelungen, Gramin in einer nicht graminproduzierenden Gerstensorte herzustellen und umgekehrt, die Graminproduktion in einer graminproduzierenden Gerstensorte durch Genom-Editierung zu unterbinden“, sagt Sara Leite Dias von der International Max Planck Research School geförderte Wissenschaftlerin am IPK. Beteiligt an der Studie war auch Robert Hoffie, der auf bioökonomie.de in der Porträtreihe „Die Biopioniere“ vorgestellt wurde.

„Die Ergebnisse ermöglichen die Herstellung von Gramin in Organismen, die eigentlich nicht die Fähigkeit haben, es selbst zu synthetisieren“, erklärt John D‘Auria. „Umgekehrt kann Gramin nun aus Gerste und anderen Gräsern eliminiert werden, um die Toxizität für Wiederkäuer zu verringern“, sagt der IPK-Wissenschaftler. „Unter dem Strich bilden die Ergebnisse die Grundlage für die Verbesserung der Gerste, um ihre Resistenz gegen Schädlinge künftig weiter zu erhöhen, ihre Toxizität für Wiederkäuer zu verringern und einen Beitrag zur nachhaltigen Unkrautbekämpfung zu leisten.“

pg