Der Gerstenkönner | Robert Hoffie

Der Gerstenkönner

Robert Hoffie

Beruf:
Biotechnologe und Twitterer

Biopionier für:
Pflanzengenetik

Robert Hoffie - Der Gerstenkenner
Robert Hoffie Zitat
„Natürlichkeit ist kein Kriterium dafür zu sagen, etwas ist gut oder schlecht in der Landwirtschaft. Da sollte man sachlich rangehen und fragen: Was bringt uns weiter? Wie können wir mit weniger Inputs, also mit weniger Dünger und weniger Pflanzenschutzmitteln Pflanzen produzieren?“
Robert Hoffie

Die Sonne durchleuchtet Gewitterwolken. Windböen rauschen über die Felder. Halme wiegen sich in Wellen. Blaugrün schimmert das Getreide im Licht. Ende Mai sind die Pflanzen noch voller Saft. Sachsen-Anhalt besitzt viel fruchtbares Land. Berühmt sind die Schwarzböden der Magdeburger Börde.  Auch hier im Salzlandkreis, nördlich des Harz, hat es üppige Felder.

Robert Hoffie - Gerstenfeld

Behutsam streicht eine Hand über die haarigen Ähren und greift nach dem Korn. Gerste hat die Ähren mit den längsten Grannen. Daran kann man sie gut erkennen. Genutzt wird sie für das Bierbrauen, als Tierfutter oder die Graupensuppe. Mit Einkorn und Emmer zählt Gerste zu den Getreidearten, die zuerst angebaut wurden, vor mehr als 10.000 Jahren. Robert Hoffie ist Biologe und Hobbygärtner. Sein prüfender Blick gilt den Körnern: Anzahl, Größe, Wachstum, Reifungsprozess:

Robert Hoffie untersucht Gerste
Begutachtung der Zuchtgerste auf den Versuchsfeldern des IPK (Gatersleben)
Bild
Robert Hoffie - Im Gerstenfeld

"Das Faszinierende bei der Pflanzenzüchtung ist, wie wir Pflanzen weiterentwickelt haben und eigentlich die Kulturpflanzen durch das menschliche Zutun zu dem geworden sind, was sie sind. Und da haben wir eigentlich schon die Verbindung zwischen Methoden und Technologie – um mit Pflanzen zu arbeiten und sie zu verändern.“

Robert arbeitet am IPK, dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben. An die 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen hier den „genetischen und molekularen Ursachen der Leistungsmerkmale von Ackerpflanzen“ auf den Grund. Mehr denn je sind Nutzpflanzen als Leistungsträger gefragt. Sie müssen dem Klimawandel trotzen und die Ernährung sichern, ohne ihre Vielfalt einzubüßen.

Robert Hoffie - im Video

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Zudem gibt es Krankheiten, die Getreidepflanzen ernsthaft bedrohen. Eine davon ist die Gelbmosaikvirose. Die Viruskrankheit befällt vor allem die Gerste. Die infizierten Pflanzen vergilben, verbräunen mit der Zeit und sterben ab. Bis zu 50 % der Ernte gehen verloren. Zwar hat die Gerste auch eine Resistenz gegen die Viren entwickelt, doch diese beruht auf nur einem Gen. Für ein ständig mutierendes Wesen wie das Virus, ein Angriffspunkt:

„Erste Virus Stämme haben die Resistenz überwunden. Da kann man auch nicht viel gegen tun. Man kann über Fruchtfolge nicht viel machen. Spritzmittel gibt es auch nicht dagegen und darum bleibt eigentlich nur, neue Varianten dieser Resistenz zu züchten, um mit dieser Krankheit umzugehen.“

RobertHoffie - Gerstenmosaikvirose
Großflächiger Befall durch die Gerstenmosaikvirose. Die Viren werden über Pilze im Boden übertragen

Genau das erforscht Robert im Rahmen seiner Doktorarbeit in Molekulargenetik. Täglicher Begleiter ins Labor ist der weiße Kittel, der einen schönen Kontrast zu seinen schwarzen welligen Haaren und der dunklen Brille bildet. Der Biologe drückt eine leuchtend grüne Flüssigkeit aus der Pipettenspitze in ein Reagenzröhrchen. Dazu mischt er ein paar Tropfen einer DNA-Zellprobe in Lösung. Biotechnologie hat etwas Magisches: Wir sehen den Jungforscher mit seinem Equipment hantieren, doch die Ingredienzien sind unsichtbar und die Reaktion bleibt dem bloßen Auge verborgen.

Umso spannender ist Roberts Erklärung: In der Erbsubstanz der Gerstenzelle soll an einer ganz bestimmten Stelle ein Schnitt gesetzt werden. Dafür braucht es ein Präzisionswerkzeug, die sogenannte Genschere CRISPR Cas 9, und ein Navigationssystem, das die Genschere, bzw. den genetischen Bauplan für ihre Entwicklung, dorthin bringt. Helfershelfer sind dabei wieder Mikroben. Wenn die genetische Information für die Genschere dann an der richtigen Stelle in der Gerstenzelle angekommen ist, wird die Zelle kultiviert und es wächst wieder ein Pflänzchen.

Die hoffnungsvolle Saat befindet sich direkt um die Ecke im Brutlabor unter gleißendem Neonlicht. Robert inspiziert bräunliche Zellhaufen in Petrischalen und Plexiglaskästchen mit den ersten aufkeimenden Halmen der Gerste. Die Zöglinge gedeihen, doch in ihren Zellen arbeitet es unmerklich:

„Die Genschere ist jetzt aktiv in den Zellen, und zwar dort, wo ein für die Krankheit anfälliges Gen sitzt. Das aktiviert wiederum die eigenen Reparaturmechanismen der Pflanze. Aber dann kommt die Genschere wieder und schneidet diese Position noch mal durch, bis eben ein Fehler passiert bei der Reparatur, also dass ein paar von den genetischen Bausteinen verloren gehen oder auch ein paar dazukommen. Und das sind die genetischen Veränderungen, die wir erzeugen wollen. Die Hoffnung ist, dass am Ende eine dieser Mutationen das Gen abschaltet und die gewünschte Virusresistenz hervorruft.“

Mutierte Gerstenzöglinge
Mutierte Gerstenzöglinge

Zerstörung als konstruktives Prinzip. – Im Grunde wird hier von Menschenhand eine kleine Evolution herbeigeführt. Denn in der Natur sind Mutationen der Motor des Lebens. Sie bringen Veränderung und mit ihr Anpassung für die Organismen an die Umwelt, die selbst stets im Wandel begriffen ist. Für Robert scheint das selbstverständlich, setzt die Biotechnologie das fort, was die Pflanzenzüchtung einmal begonnen hat:

„Mit den neuen Techniken wie der Genschere können wir jetzt ganz gezielt sagen, in welcher Position wir die Mutation haben wollen. Das heißt nicht, dass Kreuzung und all die anderen Methoden, die wir schon lange nutzen, ersetzt werden, sondern es stellt eben eine Ergänzung dar, um den Werkzeugkoffer noch ein bisschen vielfältiger zu machen.“

„Gerade der Austausch mit Menschen, die vielleicht eher skeptisch sind bei der grünen Gentechnik, also aus dem Bereich Umweltschutz, ist eigentlich aller meistens sehr konstruktiv und macht auch Spaß.“

Was dem überzeugten Naturwissenschaftler so leicht von den Lippen kommt, ist jedoch nicht unumstritten. Für viele ist „Gentechnik“ ein Reizwort, das mit Unwissen und Sorgen behaftet ist. In Robert hat das den Aufklärer geweckt. Ursprünglich wollte er einmal Journalist werden. Jetzt ist er als @ForscherRobert aktiv in den Sozialen Medien und mittlerweile auch ein kleiner Twitter-König. Auf der Plattform vermittelt er die Sicht des Forschers. Gerne verteilt der Biologe mit dem schalkhaften Lächeln auch mal ein paar Spitzen. Den Schlagabtausch scheut er nicht

Dabei stellen sich komplexe Fragen: Was passiert mit genoptimierten Pflanzen draußen auf dem Feld? Was geschieht, wenn sie dort andere Pflanzen verdrängen? Welche Folgen hat das für das ökologische Gleichgewicht? Wie lässt sich verhindern, dass Agrarfirmen mit Patenten auf CRISPR Cas resistenten Sorten den Markt dominieren?
Robert hat auf Twitter auch Gleichgesinnte gefunden, die ideologische Grabenkämpfe gerne hinter sich ließen. Sie wünschen sich eine Agrarwende, die nicht zurück zur Natur, sondern nach vorne gerichtet ist. Stolz zeigt uns Robert die Website der Biotech-Pioniere, wo unter anderem CRISPR Cas optimierte Pflanzen aus aller Welt aufgeführt werden, vom Gartensalat bis zur Banane:

„Bei der progressiven Agrarwende überlegen wir, wie die Landwirtschaft nachhaltiger werden kann und ein Baustein ist dabei aus unserer Sicht die Gentechnik, die man einsetzen kann, um die Pflanzenzüchtung leistungsfähiger zu machen, um schneller zu besseren Sorten zu kommen.“

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alternativer Text

Robert Hoffie im Podcast

Robert Hoffie versteht sich auf Pflanzenzüchtung. Sein Spezialgebiet ist die Gerste, eine der ältesten Getreidesorten unserer Geschichte. Doch in jüngster Zeit ist sie von einer Viruskrankheit bedroht, gegen die kein Mittel hilft, außer die Züchtung resistenter Sorten. Im Labor am IPK Gatersleben versucht Robert genau das. Er nutzt dafür ein Präzisionswerkzeug: die Genschere CRISPR-Cas9. – Wird grüne Gentechnik Nutzpflanzen einmal so optimieren, dass sie hilft die Ernährung der Menschheit zu sichern? Davon ist der Biotechnologe überzeugt und twittert seine Überzeugung gerne auch als "ForscherRobert" hinaus in die digitale Welt.

Robert macht sich auf den Weg ins Gewächshaus, mit im Gepäck ein silbern glänzendes Gefäß, das an einen übergroßen Sektkühler erinnert. Die Gerstenkeimlinge sind mittlerweile erwachsen geworden. Der Biologe schneidet ein kleines Stück Blatt ab. Als er den Gefäßdeckel öffnet, um die Probe zu sichern, verdampft polarkalt der Stickstoff. Mit Spannung geht es zurück ins Labor zur Analyse der Probe

Es ist eine große Motivation: Was bereits mit anderen Nutzpflanzen gelang, könnte auch Robert dem Forscher mit der Gerste gelingen: Dass die ausgelösten Mutationen tatsächlich zu Virusresistenzen führen, die neuen Gerstensorten als Zuchtmaterial genügen und sich in der Praxis bewähren. Und nicht zuletzt zu beweisen, dass die Genschere ein sicheres Werkzeug ist, die auch eine wirtschaftlich-politische Dimension hat:

„Mein Ideal ist eigentlich eine gemeinwohlorientierte Verwendung von gentechnischen Methoden. Darüber schaffen wir dann auch automatisch eine Vielfalt an Kulturpflanzen und auch eine Vielfalt an Anwendungen, die die Möglichkeiten der Technik besser ausschöpft und somit eben auch mehr Menschen einen Nutzen bringen.“

Robert Hoffie - im Gewächshaus
Geste nach Punktmutation in neuem Licht / Robert beim Probenehmen im Gewächshaus

Beim Weg vom Labor aufs Feld zählt letztlich der Ertrag.

Robert Hoffie zufolge sucht eine verantwortungsvolle Bioökonomie diesen Weg in der Mitte, indem sie die besten Methoden aus den landwirtschaftlichen Praktiken kombiniert mit widerstandsfähigen Pflanzensorten. Das Ziel ist klar: die Weltbevölkerung in Zukunft zu ernähren.

Robert Hoffie auf dem Feld