Mit alternativen Proteinen das Wirtschaftswachstum fördern
Eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Systemiq zeigt erstmals, welches wirtschaftliche Potenzial alternative Proteine bieten und wie Deutschland sich hier als Innovationsführer positionieren könnte.
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Leguminosen, Algen, Pilze und Insekten sowie Proteine, die durch zellbasierte oder fermentative Verfahren gewonnen wurden, sind eine wichtige Rohstoffquelle für eine gesunde, umweltbewusste und nachhaltige Ernährungsweise. Mit Blick auf eine wachsende Bevölkerung und knapper werdende Ressourcen infolge des Klimawandels gewinnen diese alternativen Eiweißquellen zunehmend an Bedeutung. Eine aktuelle Studie beleuchtet nun erstmals, wie das Wirtschaftswachstum in Deutschland davon profitieren könnte. Gleichzeitig werden darin Herausforderungen benannt, die einer breiten Markteinführung hierzulande noch im Wege stehen, und entsprechende Handlungsempfehlungen für die Politik formuliert.
Die Studie mit dem Titel „A Taste of Tomorrow: Wie sich die deutsche Wirtschaft durch Proteindiversifizierung voranbringen lässt“ wurde vom Beratungsunternehmen Systemiq im Auftrag des gemeinnützigen Think Tank Good Food Institute (GFI) Europe erstellt. Am 10. Februar lud das GFI Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Start-up-Szene zu einer Veranstaltung in die Landesvertretung Hamburg in Berlin, bei der die Studie vorgestellt und diskutiert wurde.
Eine wesentliche Erkenntnis der Studie: Mit der Produktion von Lebensmitteln für den Binnenmarkt sowie dem weltweiten Export von Produktionsanlagen und anderen Vorleistungen könnte Deutschland das „industrielle Rückgrat dieser aufstrebenden Branche“ werden.
Fünf Handlungsempfehlungen für die Politik
Derzeit sei der deutsche Markt für alternative Proteine allerdings mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert, die das zukünftige Wachstum und die globale Wettbewerbsfähigkeit in diesem Sektor beeinträchtigen könnten, heißt es in der Studie. „Als einer der weltweit führenden Maschinenhersteller und Exporteure ist Deutschland in einer einzigartigen Position, um zu einer tragenden Säule des gesamten Sektors für alternative Proteine zu werden, weit über die Grenzen des eigenen Landes hinaus“, heißt es in der Studie.
Um die bestehenden Herausforderungen zu überwinden, werden in der Studie fünf politische Handlungsempfehlungen formuliert. So sollen Unternehmen im Hinblick auf das Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel in der EU unterstützt, die öffentliche Forschungsförderung auf durchschnittlich 140 Mio. Euro pro Jahr erhöht sowie mit Investitionen von jährlich 120 Mio. Euro private Investitionen in die Infrastruktur für alternative Proteine gefördert werden. Darüber hinaus empfehlen die Autorinnen und Autoren mithilfe des öffentlichen Beschaffungswesens, die Versorgung mit alternativen Proteinquellen in Kitas, Schulen und Krankenhäusern auszubauen und Anreize für landwirtschaftliche Betriebe für die Transformation zu schaffen.
„Durch mutige politische Entscheidungen kann Deutschland zu einem internationalen Vorreiter im Bereich der alternativen Proteinquellen werden. Die nächste Bundesregierung sollte die hier vorgeschlagenen Maßnahmen aufgreifen und diese im Regierungsprogramm verankern“, so Ivo Rzegotta, Senior Public Affairs Manager beim Good Food Institute Europe.
Drei Szenarien für die Marktentwicklung
Im Rahmen der Studie werden drei Szenarien für die Marktentwicklung in Deutschland skizziert: ein konservatives, ein mittleres und ein ambitioniertes Szenario. Diese drei Szenarien unterscheiden sich jeweils hinsichtlich des Umfangs der politischen Unterstützung und der Investitionen. Das Fazit: Selbst im schlechtesten Fall – bei wenig politischer Unterstützung und geringen Investitionen – könnte der deutsche Markt für alternative Proteine bis 2030 ein Volumen von 5 Mrd. Euro und bis 2045 rund 8 Mrd. Euro erreichen sowie etwa 45.000 beziehungsweise rund 115.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Dieses konservative Szenario greift allerdings nicht, wenn die bisherigen Hürden bestehen bleiben. Dann würde Deutschland „im weltweiten Wettbewerb zurückfallen“, heißt es.
Die Studie „A Taste of Tomorrow: Wie sich die deutsche Wirtschaft durch Proteindiversifizierung voranbringen lässt“ steht auf der Internetseite von Systemiq als Download in englischer Sprache zur Verfügung.
Hier geht es zur Systemiq-Webseite
Ganz anders sieht es beim sogenannten High-Ambition-Szenario aus, das umfassende öffentliche Investitionen und eine Unterstützung im Hinblick auf die Zulassung dieser alternativen Lebensmittel voraussetzt. Hier wurde ein Wachstum bis 2030 auf rund 10 Mrd. Euro und bis 2045 auf rund 23 Mrd. Euro für Lebensmittel auf Basis von Pflanzen, Fermentation und Kultivierung berechnet.
In diesem Fall könne Deutschland „eine weltweite Führungsposition im Bereich der Proteindiversifizierung einnehmen“, aber auch seine Wettbewerbsfähigkeit bei Zukunftstechnologien wiedererlangen. Die sogenannte Proteinwende würde auch einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten und die Abhängigkeit Deutschlands von Importen und Schwankungen in den Lieferketten verringern.
Vorteile für Klima und Umweltschutz
Auch Klima- und Umweltschutz würden dem ambitionierten Szenario zufolge von der Proteinwende profitieren. Die Analyse ergab, dass auf diese Weise Treibhausgasemissionen um bis zu 4,8 Millionen Tonnen und der Süßwasserverbrauch um bis zu 76 Millionen m3 Wasser gesenkt sowie 1,2 Millionen Hektar Fläche eingespart werden könnten.
bb