EFI: Potenziale neuer Technologien im Pflanzenbau stärker ausschöpfen
In ihrem Jahresgutachten hat die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) unter anderem einen Schwerpunkt auf neue Technologien für eine nachhaltige Landwirtschaft gelegt. Die wichtigsten Punkte im Überblick.
Die EFI besteht aus sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Innovationsforschung verfügen und auf wissenschaftlichem Gebiet international ausgewiesen sind. Sie legen der Bundesregierung einmal im Jahr ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Neben Handlungsempfehlungen für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik werden mehrere Schwerpunktthemen in den Fokus genommen. Ende Februar hat die EFI ihr neuestes Gutachten an Bundeskanzler Olaf Scholz überreicht.
Eines der vier Schwerpunktthemen in diesem Jahr: „Neue Technologien für eine nachhaltige Landwirtschaft“. Bei ihrer Analyse haben sich die Fachleute in ihrem Gutachten auf den Strukturwandel im Pflanzenbau konzentriert. Sie beleuchten insbesondere den Einsatz digitaler und smarter Technologien sowie Verfahren der Grünen Gentechnik.
Transformation der Landwirtschaft voranbringen
Professor Till Requate von der Universität Kiel und Mitglied der Expertenkommission erläutert: „Die Landwirtschaft muss in Zukunft größere Mengen an Nahrungsmitteln mit weniger umweltbelastenden Betriebsmitteln wie Pflanzenschutz- und Düngemitteln produzieren. Und das bei gleichzeitig schrumpfenden Flächen und sich verändernden Klimabedingungen. Im neuen EFI-Gutachten zeigen wir, dass der Einsatz von Präzisionstechnologien und Smart Farming sowie Produkte der Grünen Gentechnik helfen können, mit diesen vielfältigen Herausforderungen umzugehen und damit die Transformation der Landwirtschaft voranzubringen.“
Potenziale neuer Präzisionstechnologien
Digitale und smarte Technologien können in der Landwirtschaft zum Beispiel dafür eingesetzt werden, um Betriebsmittel präziser auszubringen und damit beispielsweise Pflanzenschutz- und Düngemittel einzusparen. Präzisionstechnologien tragen über diese Einsparungen auch zu einer geringeren Belastung der Umwelt durch die Landwirtschaft bei.
In ihrer Analyse stützt sich das EFI-Team unter anderem auf eine nicht-repräsentative Umfrage. Rund 41 % der daran teilnehmenden landwirtschaftlichen Betriebe und Lohnunternehmen gaben an, bereits Farm-Management-Systeme und Entscheidungsunterstützungssysteme zu nutzen. Rund 37 % gaben an, digital unterstützte Landmaschinen einzusetzen. „Einer breiten Nutzung digitaler und smarter Technologien stehen jedoch noch Hürden im Weg“, erklärt Professorin Irene Bertschek vom ZEW Mannheim.
Zu diesen Hürden zählen unter anderem die hohen Anschaffungskosten der Präzisionstechnologien und die Tatsache, dass der Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln vergleichsweise billig ist, aber gleichzeitig die negativen Umwelteffekte nicht hinreichend berücksichtigt werden. „Damit neue, umweltschonende Präzisionstechnologien vermehrt eingesetzt werden, bedarf es einer Abgabe auf Pflanzenschutz- und Düngemittel“, fordert daher Professor Uwe Cantner von der Universität Jena und Vorsitzender der Expertenkommission.
Weitere Hürden stellen Kompatibilitätsprobleme zwischen Produkten unterschiedlicher Hersteller und unzureichende Infrastrukturen bei der Vernetzung sowie bei der Erfassung und Nutzung von Daten dar. „Um die Potenziale digitaler und smarter Technologien voll ausschöpfen zu können, sollte ein deutschlandweiter, einheitlicher Datenraum für die Landwirtschaft geschaffen werden“, fordert Cantner weiter.
EFI-Gutachten 2024
Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands
Hrsg.: Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Berlin, 2024
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CRISPR-Publikationen und Patente analysiert
Als weiteres Technologiefeld für eine nachhaltige Landwirtschaft hat die EFI die Potenziale der Neuen Züchtungstechniken in der Pflanzenzüchtung unter die Lupe genommen.
Grüne Gentechnik könne dazu eingesetzt werden, Nutzpflanzen so anzupassen, dass sie klimaresilienter, nahrhafter sowie nährstoffreicher würden und einen geringeren Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln erforderten. Insbesondere Entwicklungen in der Genom-Editierung – etwa mit der Genschere CRISPR-Cas – ermöglichten eine präzise Umsetzung solcher Anpassungen. Somit könnte die Grüne Gentechnik genutzt werden, um beispielsweise zu den Zielen des Green Deal beizutragen.
Anhand einer Publikations- und Patentanalyse hat die EFI untersucht, wie sich die Forschungs- und Innovationsaktivitäten beim Einsatz von CRISPR im Bereich der Kulturpflanzen entwickelt haben und wo Deutschland und die EU im internationalen Vergleich stehen. Wenn auch bei der Anzahl der CRISPR-Publikationen China deutlich vorne liegt, gefolgt von den USA, so erreichen Publikationen aus Deutschland einen dritten Rang, wenn auch mit deutlichem Abstand zur Spitze. Ein ähnliches Muster zeigt sich bei den Patenten. Auch hier werden die globalen Aktivitäten von China und den USA dominiert.
Anzahl der CRISPR-Publikationen in Top-Journals im Bereich Kulturpflanzen 2012–2022 für ausgewählte Länder
Überholter Rechtsrahmen
„In Deutschland und der EU bleibt das Potenzial ungenutzt aufgrund eines nicht zeitgemäßen und inkonsistenten Rechtsrahmens, der nicht wissenschaftlich fundiert ist“, erläutert Bertschek.
Dieser Rechtsrahmen schränke nicht nur die Forschung in der Biotechnologiebranche, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Produktion in der EU ein. „Aus diesem Grund muss der derzeit gültige Rechtsrahmen überarbeitet und eine vom Züchtungsverfahren unabhängige Regulierung etabliert werden, da keine verfahrensinhärenten Risiken festgestellt werden können“, betont Cantner.
Deswegen empfiehlt die EFI der Bundesregierung, im europäischen Rat dem von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlag zur differenzierten Regulierung von genom-editierten Pflanzen zuzustimmen. Das Gremium plädiert zudem dafür, mit neuen genomischen Techniken gezüchtete Pflanzen der Kategorie 1 (NGT-1-Pflanzen) für den ökologischen Landbau zuzulassen. Zudem regt die EFI an, das komplexe Themenfeld des Patent- und Sortenschutzes zu beobachten und im Rahmen von Studien zu evaluieren.
Öffentlichkeit besser aufklären
„Ein weiteres großes Hemmnis bei der Nutzung Grüner Gentechnik ist die geringe Akzeptanz in der Bevölkerung, die daher wissenschaftlich fundiert zur Grünen Gentechnik informiert werden muss. Eine solche Kommunikationsstrategie der Bundesregierung sollte sich auch in einer konsistenten Gesetzgebung widerspiegeln“, führt Till Requate aus.
pg