Dem Potenzial der Cyanoflechten auf der Spur

Dem Potenzial der Cyanoflechten auf der Spur

Die Vielfalt und das biotechnologische Potenzial einzelliger Cyanobakterien, die in Symbiose mit Flechten leben, ist weitaus größer als bisher bekannt. Das zeigt eine Studie der Hochschule Kaiserslautern.

Cyanoflechte mit einzelligen Cyanobakterien
Cyanoflechte: starke Vergrößerung des Flechtenthallus der Cyanoflechte Peltula sp., die mit einzelligen Cyanobakterien eine Symbiose eingeht.

Viele Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen leben in Symbiose mit anderen Individuen oder Organismen, um zu überleben. Solche Lebensgemeinschaften sind für beide Seiten vorteilhaft, weil sie sich gegenseitig mit Nährstoffen versorgen. Auch Flechten, die an extremen Standorten wie der Antarktis oder Atacama-Wüste siedeln, überleben nur durch die Symbiose von Pilz und Algen oder Cyanobakterien. Diese Allianzen machen Flechten zu Mini-Ökosystemen, weil sie zahlreichen Organismen einen Lebensraum bieten.

Während die Allianz von Pilz und Alge gut erforscht ist, gibt es bisher kaum Erkenntnisse zu dem zweiten Symbiosepartner der Flechten – die einzelligen Cyanobakterien. Dazu liefert nun eine Studie der Hochschule Kaiserslautern wichtige Ergebnisse.

Unbekannte Cyanobakterien in Flechten entdeckt

Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, gehören zu den ältesten Symbionten, die ihre Partner über die Photosynthese mit Zucker versorgen. Patrick Jung, Laura Briegel-Williams und Michael Lakatos ist es mithilfe einer neu entwickelten Methode gelungen, aus den sogenannten Cyanoflechten die mit dem Pilz in Symbiose lebenden einzelligen Cyanobakterien zu isolieren und anhand der DNA sowie der Beobachtung verschiedener Lebensstadien zu charakterisieren.

Wie das Team im Fachmagazin ISME Communications berichtet, stieß es dabei auf eine große, bisher unbekannte Vielfalt an Cyanobakterien. „Das ist sicherlich nur die Spitze des Eisbergs“, erklärt Patrick Jung. „Wir haben gerade erst begonnen, uns diese spezielle Symbiose anzuschauen.“

Peltula: Stark vergrößerter Querschnitt durch den Thallus der Cyanoflechte Peltula sp. mit blau-grünen Cyanobakterien, die den Pilzpartner (weiß) durch die Fotosynthese mit Zucker versorgen
Querschnitt durch eine Cyanoflechte der Gattung Peltula

Neue Horizonte für die Biotechnologie

Zuvor hatte das Team ein internationales Netzwerk aufgebaut und Cyanoflechten aus der ganzen Welt für seine Forschung zusammengetragen. „Mit diesem Projekt zeigen wir nicht nur die häufig unterschätzte Biodiversität unserer Organismenwelt auf, sondern auch den verborgenen Schatz, der in den biotechnologischen Potenzialen dieser Organismen schlummert“, so Michael Lakatos, Leiter der Arbeitsgruppe Integrative Biotechnologie an der Hochschule Kaiserslautern.

„Gerade Symbionten sind sehr interessant für die Bioökonomie, da bei ihnen im Laufe der Evolution häufig horizontaler Gentransfer stattgefunden hat und damit neue Stoffwechselwege und so neue Naturstoffe entstanden sind“, schreibt Lakatos in einer E-Mail an bioökonomie.de. Viele von ihnen würden heute Anwendung in der Biotechnologie finden: „Die Vorfahren des Pilzes Aspergillus waren zum Beispiel mal Flechten und haben sekundär im Laufe der Evolution den Algensymbionten ‚herausgeschmissen‘.“

Den Forschenden zufolge könnten die sogenannten Cyanobionten zukünftig Wirkstoffe wie Antibiotika oder antivirale Substanzen sowie Wertstoffe und Enzyme zur biotechnologischen Herstellung von abbaubaren und biokompatiblen Kunststoffen liefern. „Die Ergebnisse eröffnen neue Horizonte sowohl in der biologischen Vielfalt als auch in der Biotechnologie und versprechen viele weitere spannende Entdeckungen“, schreiben die Forschenden.

bb/pg