Neuer Blick auf CO2-Bilanz der Ozeane

Neuer Blick auf CO2-Bilanz der Ozeane

Max-Planck-Forscher haben einen Stoffwechselweg von Meeresmikroben entdeckt, der wichtig für den Abbau von Glycolsäure ist. Das verändert das Wissen um den Kohlenstoffkreislauf.

Bei der Algenblüte – wie hier in der Deutschen Bucht – wird jede Menge Glycolsäure freigesetzt.
Bei der Algenblüte – wie hier in der Deutschen Bucht – wird jede Menge Glycolsäure freigesetzt.

Wenn Phytoplankton – einzellige Algen – stirbt, bleibt in dessen Zellen unter anderem Glycolsäure zurück, die marine Mikroorganismen als Nahrung verwenden. Global betrachtet summiert sich diese Glycolsäure zu einem Gewicht von rund einer Milliarde Tonnen pro Jahr. Wie es mit dem Kohlenstoff aus der Glycolsäure im Stoffwechsel der Mikroorganismen weitergeht, war bislang unbekannt, spielt aber eine wichtige Rolle, um Modelle des Kohlenstoffkreislaufs weiter zu präzisieren. Mikrobiologen der Max-Planck-Institute für terrestrische Mikrobiologie in Marburg und für marine Mikrobiologie in Bremen haben dieses Puzzleteil nun eingefügt.

Vergessener Stoffwechselweg wiederentdeckt

Im Fachjournal „Nature“ berichten die Forscher von einem vor rund 50 Jahren entdeckten, seitdem aber nicht weiter untersuchten Stoffwechselweg, dem β-Hydroxyaspartat-Zyklus. „Beim Betrachten des Weges fiel mir auf, dass er effizienter sein müsste als der bisher für den Abbau der Glycolsäure angenommene Prozess, und ich fragte mich, ob dieser Stoffwechselweg nicht vielleicht mehr Bedeutung besitzen könnte, als ursprünglich angenommen“, berichtet Erstautor Lennart Schada von Borzyskowski.

Enzymuntersuchungen bestätigen Glycolsäureabbau

Zunächst entschlüsselte der Forscher, welche Gene und damit welche Enzyme an dem vergessenen Stoffwechselweg beteiligt sind. Die von den vier Enzymen katalysierten Reaktionen ergaben einen eleganten Kreislauf, durch den der Kohlenstoff der Glycolsäure ohne Verlust von CO2 zirkuliert werden kann. „Nun ging es darum, das Vorkommen und die Aktivität dieser Gene im marinen Lebensraum und ihre ökologische Bedeutung nachzuweisen,“ erläutert Tobias Erb vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie. Gemeinsam mit seinen Kollegen aus der marinen Mikrobiologie machte das Team sich auf die Suche nach marinen Mikroorganismen, die über die Gene für diesen Stoffwechselweg verfügen.

Dominanter Abbauweg in den Meeren

In weiten Teilen der Weltmeere wiesen die Forscher nach, dass Mikroorganismen diesen Stoffwechselweg verwenden, um Glycolsäure aus Plankton abzubauen. Tatsächlich war dieser Abbauweg sogar im Durchschnitt 20-mal häufiger als andere bisher angenommene Abbauwege. „Obwohl sie selbst nur Mikrometer klein sind, bestimmen sie durch ihre schiere Anzahl und ihre hohe Stoffwechselrate maßgeblich den Energiefluss und den Umsatz von Biomasse in den Weltmeeren“, beschreibt Erb die Bedeutung der marinen Mikroorganismen.

Kohlenstoffkreislauf neu bewerten

„Die Entdeckung der Marburger Kolleginnen und Kollegen stellt unser bisheriges Verständnis zum Schicksal der Glycolsäure auf den Kopf“, resümiert Meeresforscher Rudolf Amann, Direktor am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie. „Unsere Daten zeigen, dass wir den Kreislauf von Milliarden Tonnen Kohlenstoff in den Weltmeeren neu bewerten müssen.“

bl