Geninventur im Ozean: Forscher durchleuchten Plankton
Forscher haben den Mikrokosmos der Ozeane so gründlich wie nie durchleuchtet und einen umfassenden Genkatalog tausender Planktonarten zusammengetragen.
Forscher haben den Mikrokosmos der Ozeane so tiefgründig wie nie durchleuchtet: In fünf wissenschaftliche Studien berichten sie im Fachjournal Science über die gewaltige Artenvielfalt des Planktons. Grundlage sind Expeditionen mit dem französischen Forschungssegler TARA, die zwischen 2009 und 2013 stattfanden. Internationale Meeresforscher sammelten dabei rund 35.000 Meerwasser- und Planktonproben aus 210 Regionen. Wie Forscher vom EMBL in Heidelberg ebenfalls in Science (2015, Online-Veröffentlichung) berichten, haben sie die Erbinformation darin entziffert und einen Erbgutkatalog mit 40 Millionen Genen erstellt.
Ziel der TARA-Expedition war eine Bestandsaufnahme der im obersten, lichtdurchfluteten Ozeanstockwerk driftenden Organismen. Dieses Plankton, zu denen winzigste Viren, Einzeller, aber auch Fischlarven zählen, bildet nicht nur die Grundlage des ozeanischen Nahrungsnetzes; es produziert auch 50 Prozent des atmosphärischen Sauerstoffs. Zudem binden die im Meer treibenden Mikroorganismen Kohlenstoff und beeinflussen so den globalen Kohlenstoffkreislauf und damit das Klimageschehen. Laut den in Science publizierten Studien erbrachten die Analysen der während der TARA-Expeditionen gesammelten Organismen rund 40 Millionen Gene; die meisten davon waren der Wissenschaft vorher nicht bekannt. Den Erbgut-Katalog hat eine Forschergruppe um Shinichi Sunagawa und Peer Bork vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg aus den Daten der Expedition erstellt. Sie liefern Hinweise, dass die genetische Vielfalt des Planktons im Meer weitaus größer ist als bislang angenommen.
Planktonzellen mit Zellkern sequenziert
Im Fokus der Studie, an denen auch zwei Bremer MARUM-Wissenschaftler beteiligt waren, standen sogenannte Eukaryoten. Das sind einzellige Lebewesen, deren Zellen mit einem Zellkern ausgestattet sind. Dazu zählen zum Beispiel die meisten Mikroalgen. Die Untersuchungen lieferten erstmals einen Überblick zur Vielfalt dieser Organismen über das gesamte Artenspektrum. Insgesamt untersuchte das internationale Forscherteam mit Hilfe molekularbiologischer Methoden 334 Proben, die auf insgesamt 47 ozeanischen Messstationen gesammelt worden waren. Die Proben enthielten Mikroorganismen, die zwischen mehreren und weniger als einem Tausendstel Millimeter klein waren.
Mehr als 150.000 Arten
Anhand der Proben gewannen die Meeresforscher rund 766 Millionen DNA-Sequenzen. Diese molekularbiologischen Untersuchungen deuten darauf hin, dass in der obersten Ozeanschicht etwa 150.000 Arten vorkommen – zehnmal mehr als bislang in der Literatur beschrieben. Ein Drittel der Sequenzen konnten die Forscher keiner der bisher bekannten eukaryotischen Organismengruppen zuordnen. Den Untersuchungen zufolge erwiesen sich solche Organismengruppen als besonders vielfältig, in denen symbiotische Lebensformen vorherrschen; d.h. in denen sich unterschiedliche Arten zum gemeinsamen Vorteil vergesellschaften. Ein ähnliches Muster ergibt sich für eine andere Form des Zusammenlebens. Nach den jetzt in Science vorgestellten Erkenntnissen scheint auch Parasitismus in den Weltmeeren stark verbreitet zu sein. So gesehen zeigt sich, dass Wechselwirkungen zwischen Organismen für die Artenvielfalt im Meer bedeutsamer sind als bislang bekannt.