Genschere baut Chromosomen um

Genschere baut Chromosomen um

Genome Editing auf höherer Ebene: Pflanzenforscher aus Karlsruhe und Gatersleben haben die molekulare Schere CRISPR-Cas9 erstmals dafür eingesetzt, um Chromosomen-Arme auszutauschen. 

An der Modellpflanze Ackerschmalwand haben Forscher mithilfe des Enzyms Cas9 erstmals Chromosomen neu zusammengesetzt.
Im Erbgut der Modellpflanze Ackerschmalwand haben Forscher mithilfe des Scheren-Enzyms Cas9 erstmals Chromosomenstücke ausgetauscht.

Nicht nur einzelne Gene verändern, sondern ganze Chromosomen-Stücke austauschen – ein deutsches Pflanzenforscherteam hat die Einsatzmöglichkeiten der molekularen Schere CRISPR-Cas9 auf eine neue Ebene gehoben. Das Team um Holger Puchta vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Kollegen des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben berichten über diese Weiterentwicklung des Genome Editing im Fachjournal „Nature Plants“. Der Europäische Forschungsrat hat das Projekt namens CRISBREED mit einem Advanced Grant in Höhe von 2,5 Mio. Euro gefördert.

Ganze Chromosomen-Stücke ausgetauscht

Das Erbmolekül DNA eines Organismus wird während Zellteilungen in eine Reihe von Paketen verschnürt, die sogenannten Chromosomen. Jedes Lebewesen trägt eine charakteristische Zahl an Chromosomen. „Auf den Chromosomen sind in festgelegter Reihenfolge die einzelnen Gene angeordnet“, erläutert Puchta. „Bisher ließen sich mit CRISPR-Cas nur Veränderungen in einzelnen Genen erreichen. Nun können wir ganze Chromosomen verändern und neu zusammensetzen.“ Durch den Einsatz des CRISPR-Cas-Systems haben die Forscher gezielt sogenannte Translokationen herbeigeführt - einen wechselseitigen Umbau der Chromosomen-Arme. Dabei war es in Zellen der Modellpflanze Arabidopsis thaliana gelungen, die Arme der Chromosomen 1 und 2 sowie 1 und 5 miteinander zu tauschen.

Damit lassen sich auch Gene trennen, die bislang nebeneinander auf dem Chromosom lagen und daher eng gekoppelt waren. Weil die Veränderungen dauerhaft und erblich sind, bietet das große Chancen für die Pflanzenzüchtung: „Wir haben nun die Möglichkeit, die Veränderung von Chromosomen gerichtet zu steuern und Verknüpfungen zwischen Merkmalen gezielt zu festigen oder aber zu lösen“, freut sich Puchta und blickt optimistisch nach vorn: „In Zukunft wird diese kontrollierte Umstrukturierung des Genoms die Pflanzenzüchtung revolutionieren.“

Vorteil gegenüber klassischer Züchtung

In der klassischen Züchtung basiert die Optimierung der Sorten darauf, Elternpflanzen auszuwählen, die erstrebenswerte Eigenschaften kombinieren. Werden diese auf natürliche Weise vererbt, werden damit meist auch jene Eigenschaften mitvererbt, deren ursächliche Gene in räumlicher Nähe des Gens für die wünschenswerte Eigenschaft liegen. Genetiker sprechen dabei von gekoppelten Genen, weil ein Nachkomme meist beide oder keines der Gene erhält. Bei besonders enger Kopplung kann es daher unmöglich sein, auf natürlichem Weg ein unerwünschtes Merkmal aus einer Sorte zu entfernen, ohne auch das positive Merkmal zu verlieren. Der Einsatz von klassischer Gentechnik insbesondere in Europa in der Pflanzenzüchtung wenig akzeptiert, weil dabei Fremdgene in einen Organismus eingeführt werden. Die Genom-Editierung hingegen ist ein dritter Weg, der diese Thematik umgeht. Hierbei werden lediglich bereits vorhandene Gene einer Pflanze in einer Weise verändert, wie es auch durch natürliche Vorgänge erfolgen könnte.

bl/pg