Pflanzen züchten mit der Genomschere CRISPR-Cas
Holger PuchtaBeruf:
Pflanzen-Molekularbiologe
Position:
Universitätsprofessor und Leiter Botanisches Institut am Karlsruher Institut für Technologie
Beruf:
Pflanzen-Molekularbiologe
Position:
Universitätsprofessor und Leiter Botanisches Institut am Karlsruher Institut für Technologie
Holger Puchta zählt zu den ersten Forschern weltweit, die die Genomschere CRISPR-Cas bei Pflanzen eingesetzt haben. Für den Biotechnologen vom Karlsruher KIT hat mit dem Schneidewerkzeug eine neue Ära der Präzision in der Pflanzenzüchtung begonnen.
Im Jahr 2012 stellten Forscherinnen die Genomschere CRISPR-Cas erstmals im Fachjournal Science vor. Seither hat das molekulare Präzisionswerkzeug die Molekularbiologie revolutioniert. Holger Puchta vom Karlsruher KIT gehört zu den ersten Forschern, die Genomscheren für gezielte Veränderungen in Pflanzenerbgut eingesetzt haben. Im Interview erläutert er, wie das sogenannte Genome Editing funktioniert, und warum derart bearbeitete Nutzpflanzen nicht von natürlichen Gewächsen zu unterscheiden sind.
Die Nuklease CRISPR-Cas ist kaum fünf Jahre alt und ist zum angesagtesten Werkzeug der Pflanzen-Molekularbiologen geworden. Welche Eingriffe im Genom sind mit der molekularen Schere möglich?
Die zurzeit von der großen Mehrheit der Forscher eingesetzte Anwendung ist es, spezifisch einzelne Gene, die für bestimmte unerwünschte Eigenschaften verantwortlich sind, auszuschalten. Dies erreicht man, indem man einen einzigen spezifischen Schnitt setzt, also mittels CRISPR-Cas einen Doppelstrangbruch in der DNA des jeweiligen Gens verursacht. Der Bruch wird dann wie jeder andere Erbgut-Schaden auf natürliche Art von der Pflanze repariert. Da die Reparatur oft fehlerhaft verläuft, führt dies häufig zur Zerstörung der Genfunktion. Daneben gibt es mithilfe von CRISPR-Cas auch die Möglichkeit, gezielt fremde DNA an spezifischen Stellen des Genoms zu integrieren. Eine weitere Besonderheit: man kann mehrere solcher gezielten Eingriffe gleichzeitig in einem Versuchslauf vornehmen.
Wie unterscheidet sich der Einsatz der Designer-Nukleasen von den Verfahren der klassischen Mutagenese in der Pflanzenzüchtung?
Was kaum jemand weiß: der Ansatz, mittels Doppelstrangbrüchen neue Eigenschaften bei Pflanzen zu erzielen, ist nicht fünf sondern bereits 70 Jahre alt. Er wurde in der Landwirtschaft so erfolgreich angewandt, dass heute über 3000 so erhaltene Sorten weltweit angebaut werden. Die Brüche wurden dabei durch radioaktive Strahlung induziert und dann ebenso von der Pflanze repariert. Der große Nachteil dieser als klassische Mutagenese bezeichneten Technologie ist, dass nicht nur spezifisch an der „richtigen“ Stelle, sondern gleichzeitig auch an vielen anderen Stellen im Erbgut Brüche induziert werden. Man kann hier tatsächlich von einem „Gemetzel im Genom“ sprechen. Die meisten Mutationen führen zu Wachstumsdefekten und nur mit viel Glück erhält man ab und zu eine Pflanze mit interessanten Eigenschaften für die Landwirtschaft – wie etwa die Kurzhalmigkeit der Gerste. Der ganze Prozess ist langwierig. Zudem ist es so gut wie unmöglich, Pflanzen ohne zusätzliche Mutationen zu erhalten. CRISPR-Cas oder andere Designer-Nukleasen lassen sich hingegen gezielt auf ihren Einsatz an einer Wunschstelle im Genom programmieren – die Präzision hält damit Einzug in die Züchtung.
Würden Sie mittels Genomscheren bearbeitete Pflanzen als „gentechnisch veränderte Organismen“ (GVO) bezeichnen?
Da muss man differenzieren. Wenn – wie bei den klassischen transgenen Pflanzen – fremde Sequenzen ins Genom integriert wurden, ist die Pflanze klar ein GVO. Die meisten Anwendungen führen aber zu Pflanzen, die nur einzelne zusätzliche Mutationen aufweisen. Da diese Mutationen jedoch durch natürliche Reparatur zustande kommen und solche Mutationen auch ständig natürlich entstehen, ist es wissenschaftlich einfach nicht möglich, eine solche Pflanze von einer natürlichen Pflanze zu unterscheiden. Sie sind „naturidentisch“. Sollten solche Pflanzen als GVO deklariert werden, gibt es keine Möglichkeit, dies zu überprüfen. Auch die über klassische Mutagenese hergestellten Sorten – die ja deutlich mehr neue Mutationen tragen – fallen ja nicht unter die GVO-Regelung. Es wäre also für mich im höchsten Maße irrational, solche Pflanzen als GVO zu klassifizieren.
Wie beobachten Sie die aktuelle Debatte um die Regulierung von genom-editierten Pflanzen – hierzulande und international?
Es ist gut und wichtig, eine Debatte in der Öffentlichkeit über das Thema zu führen. Denn den wenigsten Laien ist klar, dass die genom–editierten Pflanzen eine verbesserte Weiterentwicklung der allgemein akzeptierten klassischen Mutagenese darstellen. Ebenso ist der Öffentlichkeit nicht bewusst, wie häufig natürliche Mutationen im Feld auftreten, keine zwei Pflanzen sind genetisch vollkommen identisch. Letztendlich ist es auch wichtig, über Risiken zu sprechen: Wir forschen seit 25 Jahren über die Doppelstrangbruch-Reparatur in Pflanzen und wissen damit sehr genau, was wir mit der Technologie erreichen aber auch auslösen können. Natürlich ist eine rationale Diskussion in Deutschland und Europa besonders schwierig, da hier die Öffentlichkeit traditionell gerade der grünen Gentechnik sehr kritisch gegenübersteht. In anderen Ländern wie Kanada, den USA oder Argentinien sind genom-editierte Pflanzen bereits als nicht-GVO klassifiziert worden.
Kritiker bemängeln, die Technik sei längst nicht so präzise und sicher wie dargestellt. Was bedeutet das mögliche Auftreten von Off-Target-Effekten – also irrtümlichen Schnitten – für Forscher und Pflanzenzüchter?
Wie bei vielen technischen Innovationen gab es auch hier im Lauf der Jahre eine beeindruckende Optimierung. Tatsächlich sah man bei den ersten Designer-Nukleasen viele Off-Target-Effekte. Inzwischen wurden verbesserte CRISPR-Cas-Systeme entwickelt, bei denen ungewollte Schnitte die Ausnahme und nicht die Regel sind. Durch moderne Sequenziertechniken ist es auch relativ einfach zu prüfen, ob solche Effekte auftreten. Man kann so nur solche Pflanzen auswählen, bei denen diese Effekte nicht aufgetreten sind. Da die klassischen Mutagenese-Technologien massiv ungewollte Mutationen hervorrufen, ist dieses Problem für den Züchter allerdings im Gegensatz zu medizinischen Anwendungen eher von sekundärer Bedeutung. Die Pflanzenzüchter kreuzen die unerwünschten Mutationen einfach über etliche Pflanzen-Generationen heraus.
Können Sie einige Beispiele nennen, wie CRISPR-Cas9 bereits erfolgreich in der angewandten Pflanzenzüchtung eingesetzt wird?
Da die Technologie ja erst seit kurzer Zeit auch bei Kulturpflanzen erfolgreich angewandt wird, stehen wir noch am Beginn einer Entwicklung, deren Verlauf noch gar nicht vollkommen abzusehen ist. Das Ausschalten von einzelnen Genen kann für die Landwirtschaft zu einer ganzen Reihe von neuen oder attraktiven Eigenschaften führen. So konnte bereits mehltauresistenter Weizen erzeugt werden, ebenso wie Soja, aus dem Öl mit einer veränderten Zusammensetzung an ungesättigten Fettsäuren gewonnen werden kann. Auch wurde Mais mit veränderter Stärke-Zusammensetzung hergestellt. Es gibt weitere Beispiele, viele werden in nächster Zeit noch hinzukommen.
Interview: Philipp Graf