Pflanzenforscher: Genome Editing erzeugt keine GVO

Pflanzenforscher: Genome Editing erzeugt keine GVO

Sind mittels Genome Editing erzeugte Nutzpflanzen gentechnisch veränderte Organismen? Führende Pflanzenforscher haben sich positioniert und machen den Behörden Vorschläge.

Das Genome Editing ist ein vielversprechendes Werkzeug für Pflanzenzüchter. Aber die entstehenden Pflanzen sind nicht gentechnisch

Mit der Designernuklease Crispr-Cas9 haben Molekularbiologen seit Kurzem ein Präzisionsinstrument in der Hand, mit dem gezielt Veränderungen im Erbgut vorgenommen werden können. Die Methoden des sogenannten Genome Editing sind auch für Pflanzenzüchter eine vielversprechende Technologie, um Nutzpflanzen mit besseren Eigenschaften auszustatten. Umstritten ist jedoch, ob per Genome Editing bearbeitete Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen betrachtet werden sollten. Nein - sagt eine Gruppe internationaler Wissenschaftler, darunter Detlef Weigel vom Tübinger Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie. Im Fachjournal Nature Genetics (2016, Online-Vorabveröffentlichung) machen die Forscher Vorschläge, wie genom-editierte Pflanzen aus regulatorischer Sicht eingestuft und behandelt werden sollten. 

Hitze, Überschwemmungen oder Pilzbefall sind Stressfaktoren, die das Pflanzenwachstum hemmen und  Erträge schrumpfen lassen. Neue resistentere und ertragreiche Pflanzenarten zu entwickeln, die zudem mit weniger Dünger auskommen, ist daher ein Ziel der Pflanzenforschung. Mit dem Genome Editing haben die Forscher eine vielversprechende Technologie in der Hand. Das neueste Werkzeug – die Designernuklease Crispr-Cas9 - ermöglicht es erstmals einfach und schnell, Gene gezielt zu verändern. Doch ist das Hantieren mit Genome-Editing-Werkzeugen Gentechnik oder nicht? Die Forscher, darunter Detlef Weigel, Direktor am  Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen, sind überzeugt, dass diese Technologien, sinnvoll genutzt, ein großes Potenzial für die Pflanzenforschung haben. Für das Genome Editing werde gerne die Metapher von der Genomchirurgie bemüht. „Die herkömmliche Gentechnik bei Pflanzen kann man mit einer Herzoperation unter Öffnung des gesamten Brustkorbs vergleichen“. Das Genome Editing sei hingegen eher ein minimal-invasiver Eingriff, argumentiert Weigel.

Gene präzise und schnell verändern

Der Vorteil des Genome Editing: Mithilfe dieser Technologie kann präzise bestimmt werden, an welcher Stelle des Erbguts Veränderungen durchgeführt werden.  Meist reicht es aus, nur einen einzigen Buchstaben in der DNA auszutauschen oder zu entfernen. Mithilfe dieses minimalen genetischen Eingriffs können Nutzpflanzen wie Weizen, Reis oder Mais so verändert werden, dass sie widerstandsfähiger gegen Pilzbefall sind oder weniger unter Hitze leiden.

Im Rahmen der im Fachjournal Nature Genetics erschienenen Studie gehen die Forscher auch auf die Nachteile bisheriger Gentechnik-Verfahren ein. Gene von anderen Pflanzenarten oder Organismen einzuschleusen, ist seit Langem möglich. Doch es ist nicht kontrollierbar, mit denen die neuen Gene im Erbgut schließlich landen. Deshalb müssten viele Kandidaten durchmustert werden, bis man eine Pflanze mit den gewünschten Eigenschaften habe, so Weigel.

Die Forscher verweisen zugleich auf die Standardwerkzeuge der Züchtung – wie die Kreuzung von Pflanzen oder den Einsatz von Chemikalien oder Strahlung – wo ebenfalls im Erbgut Mutationen ausgelöst werden. Der Studie zufolge ist das Züchtungsergebnis nicht immer besser und „das Auffinden von vielversprechenden Individuen“ ebenfalls  sehr langwierig und aufwendig. Im Vergleich zu Pflanzen, die mit dem Genome Editing erzeugt wurden, dürfen diese  Produkte jedoch ohne Zulassung vermarktet werden

Keine Sonderregeln bei Zulassung

In ihrem Appell sprechen sich Weigel und seine Forscherkollegen für ein Umdenken bei der Zulassung von genom-editierten Pflanzen aus. Danach sollten diese grundsätzlich nicht anders als Produkte aus konventionellen Züchtungen behandelt werden. Weigel verweist dabei auf das deutschen Gentechnikgesetz, das nur die Organismen als gentechnisch verändert einstuft, deren „genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist“. Die Gesetzeslage bietet danach keinen Grund, die mit Genome Editing erzeugten Pflanzen anders als konventionelle Züchtungsprodukte zu bewerten.

Dokumentation des Entwicklungsprozesses

Vor diesem Hintergrund unterbreiten Weigel und seine Kollegen aus China und den USA Vorschläge, was bei der Entwicklung von genom-editierten Pflanzen beachtet werden sollte. So raten sie, bereits während der Entwicklungsphase das Risiko einer Ausbreitung im Freiland zu minimieren. Zweitens sollten die entstandenen DNA-Veränderungen exakt dokumentiert und drittens beachtet werden, dass bei vielen Crispr-Cas9-Verfahren zuerst Fremd-DNA in die Zelle eingeschleust werden muss. Andernfalls sollte belegt sein, dass diese Fremd-DNA in der zuzulassenden Sorte spurlos entfernt wurde. Sollten ein Gen durch das einer anderen Art ersetzt werden, sollte der Grad der Verwandtschaft benannt und im Fall einer entfernten Verwandtschaft Nachuntersuchungen geprüft werden. All diese Punkte sollten der Studie zufolge bei der Zulassung neuer Pflanzensorten genau festgehalten werden. Diese Vorschläge könnten auch Ratgeber bei der noch ausstehenden Entscheidung der Europäischen Union zur Bewertung genom-editierter Pflanzen sein. In Deutschland und Schweden wurden einige dieser Pflanzensorten bereits Produkten aus herkömmlicher Züchtung gleichgestellt. „Ein wichtiges Ziel der Züchtung ist, die Versorgung mit Agrarprodukten nachhaltiger zu machen. Diese Möglichkeit sollten wir uns nicht vorenthalten“, erklärt Weigel.