Elektrobiotechnologie nutzen

Elektrobiotechnologie nutzen

Falk Harnisch

Beruf
Bio- und Umweltchemiker

Position
Arbeitsgruppenleiter am Department für Umweltmikrobiologie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ Leipzig; Privatdozent am Institut für Biochemie, Universität Leipzig

Vorname
Falk
Nachname
Harnisch

Beruf
Bio- und Umweltchemiker

Position
Arbeitsgruppenleiter am Department für Umweltmikrobiologie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ Leipzig; Privatdozent am Institut für Biochemie, Universität Leipzig

Falk Harnisch erforscht elektronenübertragende Mikroben. Er will sie unter Strom setzen und mit ihrer Hilfe biologische Abfallprodukte abbauen und Chemikalien herstellen - in der Elektrobioraffinerie.

Biologische Abfallstoffe nutzen und gleichzeitig Chemikalien herstellen und Energie gewinnen – das ist das ambitionierte Ziel der Elektrobiotechnologie. Das Besondere: Elektronenleitende Mikroben verstoffwechseln Strom statt wie herkömmlich Zucker. Falk Harnisch  vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig ist einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der Elektrobiotechnologie. Im Jahr 2012 gewann er für seine zukunftsweisende Arbeit den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vergebenen "Forschungspreis" der Förderinitiative "Nächste Generation biotechnologischer Verfahren - Biotechnologie 2020+".

Frage

Was steckt hinter dem Begriff Elektrobiotechnologie und wie wollen Sie dieses Konzept wirtschaftlich nutzen?

Antwort

Elektrobiotechnologie fasst alle Konzepte, Vorgänge und potenzielle Verfahren zusammen, bei welchen mikrobielle und elektrochemische Stoffumwandlungen kombiniert werden. Dabei sind mögliche Anwendungsfelder sehr vielfältig. Sie erstrecken sich von der Reinigung von Abwasser über die Bodensanierung und Meerwasserentsalzung bis zur Synthese von Chemikalien und Energieträgern. In allen Anwendungsfeldern ist eine ökonomische Nutzbarmachung, sei es durch die Einsparung von Energie oder die Erschließung bisher ungenutzter Ressourcen, denkbar. Am weitesten fortgeschritten ist bisher die elektrobiotechnologische Abwasserreinigung. Langfristig verspreche ich mir aber vor allem aus der "Elektrifizierung" der weißen Biotechnologie sowie durch Elektrobioraffinieren den größten wirtschaftlichen Nutzen. Wir als Arbeitsgruppe versuchen diesen zukünftigen Markt durch eine Vorreiterschaft und entsprechenden Patentierung von Technologiekomponenten und Verfahren auch ökonomisch nutzbar zu machen.

Frage

Sie haben im Jahr 2012 den Forschungspreis der Initiative Biotechnologie 2020+ vom Bundesforschungsministerium erhalten. In welche Projekte haben Sie die Förderung investiert?

Antwort

Der Gewinn des Forschungspreises war einer der wichtigsten Schritte in meiner bisherigen Laufbahn. Die mit dem Gewinn verbundene Förderung in den Jahren 2012 bis 2018 hat es mir ermöglicht, zusammen mit der Förderung der Helmholtz-Gemeinschaft, eine eigene Arbeitsgruppe aufzubauen. Dafür bin ich an das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig gewechselt und konnte inzwischen meine Arbeitsgruppe auch international etablieren. Die wichtigsten Projekte der letzten Jahre lassen sich dabei mit den folgenden Schlagworten zusammenfassen: Ökologie & Energetik elektroaktiver Mikroorganismen, mikrobielle elektrochemische Stickstoffumwandlung und Fermentationssteuerung, Entwicklung von Bioelektroreaktoren und Sensoren, sowie die Entwicklung von Elektrobioraffinierien.

Frage

Sie haben in früheren Interviews angedeutet, dass Sie eine breite industrielle Anwendung der Elektrobiotechnologie anstreben. Wie weit sind Sie damit gekommen, wo hakt es noch?

Antwort

Die Technologien sind sehr vielfältig und ihre Entwicklung ist weltweit stark unterschiedlich fortgeschritten. Nach meinem Wissen wird aber bisher noch kein Verfahren industriell angewendet. Die Hauptherausforderung beim Transfer in die Praxis, wie bei allen möglichen Technologien, die nicht sofort in bestehende Prozessketten integriert werden können, ist es das "Tal des Todes" zu durchschreiten. Wir als wissenschaftliche Gemeinschaft sind sehr interessiert daran, unsere Kenntnisse und Verfahren in der Praxis zu messen. Dies ist aber bisher nur eingeschränkt möglich, da teilweise die notwendigen Werkzeuge fehlen und es an Expertisen zur ökonomischen Bewertung elektrobiotechnologischer Verfahren mangelt. Wir können momentan nicht guten Gewissens versprechen, dass sich eine Investition im nächsten Jahr oder gar Quartal bereits auszahlt, wie dies in einigen Fällen erhofft wird. Langfristig werden sich elektrobiotechnologische Verfahren aber sicher in gewissem Umfang durchsetzen.   

Frage

Was sind Elektrobioraffinerien und was könnten sie in Zukunft herstellen?

Antwort

Elektrobioraffinerien basieren auf der Integration von elektrochemischen und elektrobiotechnologischen Komponenten und Prozessschritten in Bioraffinerien. Damit können neue und bessere Prozessketten etabliert werden, die Ressourcen besser oder überhaupt nutzbar machen oder auch neue und bessere Produkte herstellen können. Gleichzeitig ist mittels Elektrobioraffinerien eine Verbindung von stofflicher Nutzung und Umwandlung von Ressourcen und dem Stromsektor möglich. Damit kann elektrische Energie zeitlich flexibel und dezentral genutzt oder gespeichert werden. Ein Beispiel ist die Herstellung von Wasserstoff oder Formiat aus CO2 mittels elektrischen Stroms und dessen integrierte mikrobielle Nutzung für die Synthese von höherwertigen Wertstoffen. Es existieren bereits zahlreiche Komponenten und Ideen, welche sich in Elektrobioraffinieren nutzen lassen. Hier werden uns noch spannende Entwicklungen bevorstehen, die beispielsweise die Herstellung von Grundstoffen für Polymer oder drop-in Kraftstoffen erlauben. Letzteres haben wir vor kurzem zusammen mit Lars Angenent von der Universität Tübingen im Labormaßstab gezeigt

Frage

Welche Ziele streben Sie als nächstes an?

Antwort

Neben der anwendungsorientierten Grundlagenforschung, die mir als Wissenschaftler sehr am Herzen liegt, ist es mein Ziel eine Anwendung mit in die Praxis zu überführen. Dies geht selbstverständlich nur zusammen mit den richtigen Partnern und der entsprechenden Förderung. Ich freue mich auf diesen spannenden Weg und die damit verbundenen Erfahrungen.

Interview: Judith Reichel