Konsumgüter
Ob Kosmetik, Zahnpasta, Waschmittel oder Haushaltsgeräte – bei der Herstellung von Produkten des alltäglichen Bedarfs kommen schon heute vielfältige biobasierte Verfahren zum Einsatz. sie leisten einen wichtigen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit in der Industrie und ermöglichen innovative Produkte mit neuen Eigenschaften für Verbraucher.
DATEN UND FAKTEN
Unternehmen:
k.A.
Mitarbeiter:
k.a.
Umsatz:
203 Mrd. Euro
Quelle: IBH Reatil Consultants/2012 (FMCG)
Beispiele aus der Bioökonomie:
Biobasierte Tenside, bioaktive Inhaltsstoffe für Kosmetik
In der Konsumgüterindustrie wird deutlich, dass die Bioökonomie längst ihren Weg in den Alltag gefunden hat. Egal ob langlebige Anschaffungen wie Haushaltsgeräte oder schnell verbrauchte Produkte wie Waschmittel, Zahnpasta oder Pflegecreme – inzwischen wird in vielen Bereichen auf natürliche Rohstoffe zurückgegriffen oder es werden biobasierte Verfahren im industriellen Herstellungsprozess genutzt. Jedes Jahr gibt ein deutscher Haushalt etwa 28.500 Euro für den privaten Konsum aus. Neben Bekleidung und Lebensmittel zählen Körper- und Pflegemittel zu den umsatzstärksten Bereichen. In Deutschland wurde im Jahr 2015 mit diesen Produkten rund 14,9 Mrd. Euro erwirtschaftet. Hinzukommen Produkte im Bereich Wasch- und Reinigungsmittel, für die rund 4 Mrd. Euro ausgegeben wurde. Gemessen an der Bevölkerungszahl Deutschlands entspricht dies einem Pro-Kopf-Verbrauch von 53 Euro.
In diesen beiden Teilsegmenten der Konsumgüterindustrie ist der Einsatz biobasierter Verfahren schon heute vergleichsweise hoch. Etwa 40 % der hierfür jährlich hergestellten 600.000 Tonnen Inhaltsstoffe werden vollständig oder teilweise biobasiert hergestellt. Dazu gehören Tenside, alkoholische Lösungsmittel oder Citrate. Letztere werden schon heute vollständig biobasiert mit Hilfe von Melasse produziert – einem Abfallprodukt, das bei der Zuckerherstellung aus Zuckerrohr anfällt. Bei den Körperpflegemitteln und Kosmetika sind schon heute mehr als 90 % Mischtenside, 5 % rein biobasierte Tenside und nur noch 5 % rein petrochemische Tenside (FNR). Als nachwachsende Rohstoffe werden hier vor allem Pflanzenöle und tierische Fette genutzt. Darüber hinaus wurde unter anderem beim Chemiekonzern BASF – gefördert durch das BMBF – daran gearbeitet, neuartige Biotenside zu entwickeln, die mit Hilfe von Mikroben hergestellt werden. Die jährlich rund 30.000 Tonnen alkoholischen Lösungsmittel, die für Kosmetika eingesetzt werden, sind ebenfalls zu 100 % biobasiert, bei Wasch- und Reinigungsmitteln liegt ihr Anteil bei 50 %. Als Rohstoffbasis für die Herstellung der Alkohole dienen Zucker- und Stärkepflanzen, wobei Zuckerrüben mit 50 % die größte Ressource darstellen. Gefördert durch das BMEL hat die BASF zum Beispiel ein Verfahren entwickelt, wie sich der aus Stärke gewonnene Zuckeralkohol Isosorbid in Wasch- und Reinigungsmitteln nutzen lässt.
Bei Körperpflegeprodukten greifen die Hersteller bereits seit längerer Zeit auf spezielle bioaktive Inhaltsstoffe zurück – und bedienen damit eine wachsende Nachfrage nach natürlicher Kosmetik. Laut aktuellen Verbraucheranalysen legen 31 % der Deutschen großen Wert darauf, dass Körperpflegeprodukte keine chemischen Zusätze enthalten und auf natürlicher Basis hergestellt werden. Schon seit mehr als 30 Jahren sind rückfettende Naturstoffe wie Ceramide, Vitamine wie Folsäure oder spezielle Enzyme wie Q10 in Kosmetik- und Pflegeprodukten enthalten. Damit sie für die industrielle Nutzung verfügbar sind, musste jedoch zunächst ihre Herstellung mit Hilfe biologischer Mini-Fabriken wie Zellen oder Bakterien entwickelt werden, die die gewünschten Stoffe in großen Stahlbehältern produzieren. Diese auch Fermentation genannten Prozesse sind heute vielfach als Standard in der Kosmetikbranche etabliert. Zum Beispiel wurde Q10 noch in den 70er Jahren aus Rinderherzen extrahiert. Mehr als 1.000 US-Dollar kostete ein Gramm des Enzyms. Durch die fermentative Herstellung in Hefen fiel der Preis auf nur noch einen Bruchteil. Heute findet Q10 auch in preiswerten Kosmetika Anwendung. Auf ganz neue Technologien zur Entwicklung bioaktiver Substanzen in der Kosmetik setzt die vom BMBF geförderte Allianz NatLifE 2020 unter Federführung des Biotech-Unternehmens Brain AG, das am Kosmetikunternehmen Monteil beteiligt ist. Im Fokus der Kosmetikindustrie stehen zudem neue Ansätze, die den Prozess der Hautalterung aufhalten.
Inzwischen gibt es auch erste Zahncremes, die probiotische Mikroorganismen enthalten. Die Berliner Biotech-Firma Organobalance hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich natürliche Milchsäurebakterien nutzen lassen. Integriert in die Zahnpasta lagern sie sich im Mund an Karieserreger an und verklumpen mit ihnen. Diese Aggregate können beim Zähneputzen leicht aus dem Mund entfernt werden. Damit helfen die probiotischen Mikro-organismen, die Karieserreger besser zu entfernen als konventionelle Produkte. Die natürlichen Mikroorganismen vom Typ Lactobacillus casei werden nach den Standards der Lebensmittelindustrie hergestellt und erfüllen damit hohe Ansprüche an Sicherheit und Verträglichkeit. Nach der Produktion werden sie stabilisiert, getrocknet und einer vorbereiteten Zahnpastamasse beigefügt.
Im Reinigungssektor sind biobasierte Verfahren ebenfalls Routine, wenn es darum geht, neben Tensiden noch weitere reinigungsaktive Substanzen auf natürlicher Basis herzustellen. Auch hier sind Enzyme – also Biokatalysatoren, die mit Hilfe von Mikroben hergestellt werden – inzwischen das Mittel der Wahl. Auf dieses Segment der Konsumgüterindustrie entfällt der größte Marktanteil (40 %) industrieller Enzyme. Durch ihren bereits langjährigen Einsatz in Waschmitteln haben die natürlichen Helfer einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass der lange Zeit extrem energie- und wasserintensive Waschvorgang inzwischen deutlich umweltschonender abläuft. Anders als chemische Moleküle sind Enzyme vielfach bei milden Temperaturen aktiv. Ihnen ist es damit auch zu verdanken, dass die durchschnittliche Waschtemperatur auf aktuell 46°C gesunken ist. Im Jahr 1972 lag diese noch bei 63°C. 90°C-Wäschen machen heute nur noch 7% aller Waschvorgänge aus, vor mehr als 40 Jahren waren es noch etwa 40%. Zugleich hat sich die Effizienz der Reinigungsmittel durch die Biokatalysatoren erhöht: Waren früher noch 220 Gramm für eine 5 Kilogramm-Wäsche notwendig, reichen heute 75 Gramm.
Einsatz von Enzymen (in t) als Inhaltsstoffe in Wasch- und Reinigungsmitteln
Nach Angaben des Industrieverbandes Körperpflege und Waschmittel e.V. wurden im Jahr 2012 knapp 6.5000 Tonnen Enzyme als Inhaltsstoffe für Wasch- und Reinigungsmittel hergestellt, 1994 waren es 3.600 Tonnen (ikw). So enthalten 80% aller Waschmittel heutzutage sogenannte Proteasen. Hierbei handelt es sich um Enzyme, die Eiweißmoleküle abbauen können. Diese Eigenschaft eignet sich bestens zum Entfernen von Flecken, die aus Blut, Kakao oder Ei bestehen. Gefördert vom BMBF wurde hier vor einigen Jahren eine Protease gefunden, die besonders kälteaktiv ist und hartnäckige Schokoladenreste auch bei 20°C entfernt.
Rund 14 Mio. Tonnen Verpackungen werden in Deutschland jedes Jahr produziert, etwa 40% davon – rund 5,5 Mio. Tonnen – sind Kunststoffe. Dieses Material ist deshalb so beliebt, weil es die verpackte Ware sauber und frisch hält, vergleichsweise wenig wiegt und sich problemlos in fast jede benötigte Form bringen lässt. Doch Kunststoffe bestehen überwiegend aus einem Grundstoff, der zur Neige gehen wird: Erdöl. Immer interessanter werden daher biobasierte Alternativen – auch für Hersteller von Elektro-Großgeräten, Kleingeräten und Hauswärmetechnik. Nach Angaben des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI) haben die rund 12.700 Unternehmen in diesem Bereich im Jahr 2015 knapp 8,2 Mrd. Euro Umsatz erwirtschaftet (ZVEI). Da Formgebung, Materialien und Energieeffizienz als Kaufkriterien auch bei Kleingeräten an Bedeutung gewinnen, setzen die Firmen inzwischen auch auf Bioplastik, das in zunehmender Vielfalt von der chemischen Industrie als Material angeboten wird (vgl. Chemie). Eine der größten Herausforderungen ist dabei eine gute Handhabung des Materials in der Produktion, denn mit Blick auf ihre Wärmeformbeständigkeit oder ihr Brandverhalten weisen sie mitunter andere Eigenschaften auf, die bei technischen Anlagen berücksichtigt werden müssen. So hat die Efbe Haushaltgeräte GmbH, gefördert vom BMEL, ein neues Spritzgussverfahren für naturfaserverstärkte Biopolymere für Gehäuseteile von Haartrocknern entwickelt, die es inzwischen zu kaufen gibt. Noch allerdings können diese nur zu einem höheren Preis angeboten werden. Biobasierte Gehäuse für Toaster, Wasserkocher und Kaffeemaschinen werden ebenfalls bereits getestet.
Geschirr aus Biokunststoff
In Algen stecken zahlreiche natürliche Inhaltsstoffe, die für die Kosmetikbranche interessant sind. Pflanzenforscher haben zum Beispiel an extreme Lebensräume angepasste Süßwasseralgen, die kälteliebenden Schneealgen, für sich entdeckt. Sie können als Produzenten einer breiten Palette von Farbstoff-Pigmenten, Vitaminen und Antioxidantien eingesetzt werden, die in der Kosmetik- oder Lebensmittelindustrie genutzt werden können. Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft haben ein Arten-Archiv aufgebaut, die „Culture Collection of Cryophilic Algae – CCCryo“ mit 370 Isolaten und 125 Arten. Die Sammlung ist eine frei zugängliche Bioressource. Seit einigen Jahren besteht eine industrielle Kooperation, in deren Rahmen Schneealgenstämme für die Verwendung in Kosmetika in eigens dafür am Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik entwickelten