Bei der Herstellung von Textilien werden bis heute Chemikalien genutzt, die Gesundheit und Umwelt gleichermaßen schädigen können. Dazu zählen auch per- und polyfluorierte Alkyls-stanzen (PFAS). Die sogenannten Ewigkeitschemikalien werden vor allem im Outdoor-Bereich verwendet, um das Textil mit wasser- oder schmutzabweisenden Eigenschaften auszustatten. Eine nachhaltige Alternative zu PFAS ist das Biopolymer Chitosan, das aus Krabbenschalen oder Insekten gewonnen wird. Im Projekt HydroFichi hatte ein Team um Achim Weber vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) bereits demonstriert, dass mithilfe des Biopolymers Textilien mit wasserabweisenden Funktionen veredelt werden können. Schon damals war klar: Das Potenzial von Chitosan ist weitaus größer.
Neue Anwendungsbereiche von Chitosan erschließen
Im Nachfolgeprojekt ExpandChi wollten die Fraunhofer-Forschenden gemeinsam mit Partnern nun den Anwendungsbereich von Chitosan in der Textilindustrie um nachhaltige und biobasierte Beschichtungen erweitern. Dafür sollte das im Vorgängerprojekt entwickelte Verfahren zur Modifizierung von biobasiertem Chitosan als Funktionsträger zur Anbindung hydrophober Moleküle weiterentwickelt werden.
Das Verbundprojekt wurde vom Bundesforschungsministerium im Rahmen der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ über die Fördermaßnahme „Maßgeschneiderte biobasierte Inhaltsstoffe für eine wettbewerbsfähige Bioökonomie“ von 2021 bis 2024 mit rund 747.000 Euro gefördert. Daran beteiligt waren das Deutsche Institut für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF) sowie die Unternehmen J. G. Knopf’s Sohn GmbH & Co. KG in Helmbrechts und die Textilchemie Dr. Petry GmbH in Reutlingen.
Mit Quervernetzern Funktionalität des Chitosans verbessern
„Wir konnten in HydroFichi Textilien zwar hydrophob ausstatten, sodass sie gut wasserabweisend sind“, erklärt Projektkoordinator Achim Weber. „Aber die Waschbeständigkeit und der Griff waren nicht ideal.“ Im Projekt ExpandChi ging es deshalb darum, den Funktionalisierungsgrad des Chitosans so zu erhöhen, dass die Chitosan-basierten hydrophoben Moleküle, die auf das Textil gebracht wurden, beim Reinigen nicht wieder abgewaschen werden. „Wichtig war auch eine homogene Verteilung von Chitosan auf dem Textil, sodass es einen guten Griff hat, wenn man es anfasst, und der Prozess in der Textilindustrie skalierbar ist.“
Im Fokus des Vorhabens stand die Modifikation des Chitosans mit chemischen und biobasierten Quervernetzern. Diese, so erklärt der Forscher, sorgen dafür, dass das Chitosan mit dem Textil, zum Beispiel Baumwolle, kovalent verknüpft wird, also nicht abgewaschen werden kann.
Als Quervernetzer dienten demnach unter anderem Hydroxy-funktionalisierte langkettige Moleküle, die ebenfalls biobasiert sein sollten. Um die Waschbeständigkeit zu verbessern, kam beispielsweise Zitronensäure zum Einsatz. „Damit konnten wir die funktionalisierte Anhaftung des Chitosans auf das Textil sehr gut verbessern“, berichtet Weber. Das Biopolymer wurde dafür auf die Stoffbahn und nicht nur auf den Faden aufgetragen. Die besten Ergebnisse wurden demnach bei der Anhaftung von Chitosan auf Baumwolle erzielt. Zum Einsatz kam übrigens Chitosan, das aus Krabbenschalen gewonnen wurde und sich bei der Textilbeschichtung bereits bewährt hat.
Analysemethode zur Bestimmung des Chitosangehalts entwickelt
Nicht nur die Suche nach biobasierten Quervernetzern, die Waschpermanenz bieten, war eine Herausforderung, sondern auch die exakte Bestimmung der Chitosan-Menge, die auf das Textil gebracht wird. Gemeinsam mit Forschenden am DITF fand das IGB-Team dafür eine Lösung. „Wir haben eine neue Analysemethode zur quantitativen Bestimmung des Chitosangehalts auf dem Textil entwickelt, um die Effizienz dieser Ausrüstungen besser bewerten zu können“, berichtet der Projektkoordinator.
Zusammen mit den Industriepartnern gelang es, größere Mengen der biobasierten und hydrophoben Chitosan-Beschichtung herzustellen und den Prozess vom Labor in den Technikumsmaßstab zu übertragen. „Für eine Ausstellung in Osaka haben wir 15 Liter hergestellt. Damit haben wir ein vier Meter langes Tuch beschichtet. Aber das ist nicht das Ende der Fahnenstange“, betont Weber. Er ist überzeugt, dass die im Projekt entwickelten Chitosan-basierten Formulierungen erdölbasierte Chemikalien wie PFAS in der Textilbranche „in weiten Bereichen“ ersetzen können.
Verbundprojekt ExpandChi – Projektpartner und Aufgaben
Fraunhofer IGB (Stuttgart) – Projektkoordination, Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen, Entwicklung von Rezepturen und Analytikmethode
DITF (Denkendorf) – Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen, Entwicklung von Rezepturen und Analytikmethode
J. G. Knopf's Sohn GmbH & Co. KG (Helmbrechts) – industrielle Umsetzung und Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen, Entwicklung von Rezepturen und Analytik
Textilchemie Dr. Petry GmbH (Reutlingen) – Entwicklung und Herstellung der Formulierungen
Großes Potenzial für wasserabweisende Chitosan-Beschichtung
Auch für andere Bereiche abseits der Textilindustrie ist die neu entwickelte Beschichtung geeignet. „Da gibt es ganz viele Anwendungsmöglichkeiten für die Chitosan-basierte Ausrüstung. Man kann unsere Technologie auch auf die Automobil-, Papier- und Elektronikindustrie oder Baubranche übertragen. Die Formulierungen müssen dann an die jeweiligen Oberflächen und Anwendungen angepasst werden.“
Die wasserabweisende Beschichtung wurde bereits erfolgreich in der Verpackungsindustrie zur Ausrüstung von Papier und Pappe genutzt. In Zusammenarbeit mit Industriepartnern will das IGB-Team nun die Rezeptur weiterentwickeln und das Biopolymer mit weiteren funktionalen Eigenschaften ausstatten. „Wir haben jetzt primär über die hydrophobe Ausstattung von Textilien geredet. Aber auch im Bereich Flammschutz ist noch einiges zu tun.“
Autorin: Beatrix Boldt