Ob China, Bangladesch oder Vietnam: Seit Jahrtausenden sind die Überschwemmungsgebiete der Flussdeltas in Südostasien bekannt für ihre fruchtbaren Böden. Über viele Generationen haben die Menschen dort vor allem Reis angebaut. Doch in jüngeren Jahren hat ein Wandel eingesetzt, denn immer stärker dringt das Salzwasser der Meere in die Flussdeltas und deren angrenzenden Böden ein. Außerhalb der Regenzeiten ist der Reisanbau oft kaum noch möglich.
Klimaerwärmung, Staudämme, Grundwasserentnahme
„Die Schuld daran wird in Vietnam oft dem Klimawandel und dem dadurch steigenden Meeresspiegel gegeben“, erzählt Nicolas Brüggemann. Doch die Klimaerwärmung sei nur eine der Ursachen. „Gut 80 Prozent des Problems sind vor Ort gemacht“, sagt der Biogeochemiker am Forschungszentrum Jülich. „Die großen Flüsse werden talaufwärts oft gestaut, wodurch in der Regenzeit die Abflüsse geringer sind – häufig allerdings schon in vorgelagerten Ländern.“ Außerdem habe die Grundwassernutzung zur Bewässerung einen wesentlichen Anteil: „Der Grundwasserspiegel ist stärker gesunken als der Meeresspiegel gestiegen“, beschreibt Brüggemann die Ausgangslage. In El-Niño-Jahren, in denen die Regenzeit ausfalle, dringe das Meer bis zu 70 Kilometer weit in das Mekong-Delta ein.
Das Projekt „DeltAdapt“ hat diese Veränderungen und deren Auswirkungen – ökologisch und sozioökonomisch – am Beispiel Vietnams untersucht, gefördert durch das BMBF-Programm „Bioökonomie International“. Das Forschungszentrum Jülich hat sich dabei in einem Teilprojekt mit vietnamesischen Partnern von der Can Tho University und der Vietnam National University of Agriculture der Frage der lokalen Treibhausgasemissionen gewidmet. Rund 240.000 Euro an Fördermitteln standen dafür im Zeitraum von Oktober 2014 bis September 2017 zur Verfügung.
Aquakulturen statt Reisanbau
„Viele Reisbauern haben wegen des Salzwassers auf Aquakulturen oder Mischsysteme umgestellt“, erklärt Brüggemann. Oft wird in der regenreichen Zeit dann Reis oder Gemüse angebaut, ansonsten produzieren die Menschen Garnelen oder – vor allem im Norden am Roten Fluss – Fisch. Manche Aquakultur existiert bereits ganzjährig. Die Forscher haben für die jeweiligen Systeme typische Flächen identifiziert und dort ein Jahr lang mindestens wöchentlich die Treibhausgasemissionen gemessen – häufiger, wenn die Bauern frisch gedüngt hatten.
„Unter Klimagesichtspunkten ist der Reisanbau am ungünstigsten“, resümiert Brüggemann. Zwar nimmt Reis beim Wachstum Kohlendioxid auf, aber das freigesetzte Methan mache das mehr als wett: „Pro Hektar und Jahr setzt der Reisanbau mehrere hundert Kilogramm Methan frei“, berichtet der Biogeochemiker. Da Methan das Klima um den Faktor 25 bis 28 stärker beeinflusst als Kohlendioxid, entspricht das mehreren Tonnen CO2-Äquivalenten. „Für das Klima sind tatsächlich die reinen Aquakulturen am günstigsten.“ Insbesondere in der Fischzucht entstehen kaum Treibhausgase.
Problematisch ist der Studie zufolge auch der Gemüseanbau. Vier bis fünf Kulturen werden auf den Feldern pro Jahr angebaut und mit insgesamt 400 bis 500 Kilogramm Stickstoff je Hektar und Jahr gedüngt. „Dadurch entsteht sehr viel Lachgas und es erfolgt ein hoher Nitrateintrag ins Grundwasser“, schildert Brüggemann. Eine Nitratauswaschung von mehr als 200 Kilogramm je Hektar in nur einem halbem Jahr habe das Projektteam gemessen.
Mischsysteme bieten Sicherheit
„Ich war überrascht, wie klar das Ergebnis war, wie deutlich die reine Aquakultur vor Ort bei der Treibhausgasbilanz besser ist“, sagt Brüggemann. Wenn es allein danach ginge, müssten alle Bauern auf Aquakulturen umstellen. „Aber das geht natürlich nicht“ - schließlich werden auch Reis und Gemüse benötigt. Außerdem betont der Projektleiter: „Wir haben keine vollständige Life-Cycle-Analyse erstellt, sondern nur die Emissionen auf den Feldern betrachtet.“ Seine praxistaugliche Empfehlung für das Mekong-Delta ist daher ein Mischsystem aus Reisanbau und Garnelen-Aquakultur. „Das bietet den Menschen ökonomische Sicherheit.“ Für eine Sicherung der reinen Reisproduktion würde auch eine Eindeichung wie am Roten Fluss helfen, weil so weniger Salzwasser in die Äcker eindringen kann – doch die Kosten dafür wären enorm hoch.
Nicht untersucht hat das Projekt, wie die jeweiligen Produktionssysteme hätten optimiert werden können, um die Treibhausgasemissionen zu verringern. „Dafür hatten wir nicht die Zeit und das Budget“, erklärt Brüggemann, weshalb das im Projekt nicht vorgesehen war. „Bei drei Jahren brauchen Sie ein Jahr für die Vorbereitung und ein Jahr für die Aufbereitung, besonders weil in Vietnam alles etwas länger dauert, als wir es gewohnt sind.“ Fünf oder sechs Jahre müsste die Förderung laufen, dann könnten die Forscher auch solche weiteren Fragestellungen bearbeiten.
Weitere Ergebnisse im Herbst
Etwas anderes konnten die Forscher aber auch in dem einen Jahr vor Ort beobachten: Einige Bauern haben aus ökonomischen Gründen begonnen, ihren tonhaltigen Boden um 30 bis 40 Zentimeter abzutragen und für die Ziegelherstellung zu verkaufen. Dadurch liegt ihr Feld tiefer und kann leichter bewässert werden. Das bringt die Nachbarn in Zugzwang, ihrerseits Boden zu verkaufen. Doch damit geht der besonders fruchtbare Teil des Bodens verloren. Die Forscher um Brüggemann haben die Emissionen des Originalbodens mit Böden ein, drei und acht Jahre nach der Abtragung verglichen. Die Auswertung der Ergebnisse ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
„Das Interesse an unserer Forschung ist vor Ort sehr groß“, freut sich Brüggemann. Das habe man in Gesprächen mit Stakeholdern gemerkt. Die meisten seien ja auch mindestens jährlich von den Problemen betroffen. „Die Menschen warten auf unsere Ergebnisse und Empfehlungen.“ Mehr davon wird es geben, wenn das gesamte Projekt „DeltAdapt“ abgeschlossen ist und im Herbst 2018 die Abschlussberichte aller Teilprojekte vorliegen.
Autor: Björn Lohmann