Aquakultur: Fisch und Edelkrebs in einer WG

Aquakultur: Fisch und Edelkrebs in einer WG

Im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Neue Produkte für die Bioökonomie“ entwickelt ein Forscherteam eine neuartige Aquakultur, um beliebte heimische Speisefische und edle Krustentiere aufzuziehen – und zwar im Team.

Mittels einer neuartigen Aquakultur sollen Raritäten an Speisefischen und edlen Krustentieren wie den Edelkrebs  (Bild) im Team aufgezogen werden.
Der Europäische Edelkrebs ist zu einer Rarität in der Gastonomie geworden. Er steht auf der Liste der bedrohten Arten.

Das Bodenseefelchen ist besonders in Süddeutschland ein beliebter und schmackhafter Speisefisch. In den Netzen der Bodenseefischer ist der mit den Lachsen verwandte Fisch allerdings immer seltener zu finden. Die starke Befischung und ein Absinken der Phosphatwerte im größten Binnensee Deutschlands lässt den Bestand seit Jahren schrumpfen. Um die hohe Nachfrage in der Gastronomie zu bedienen, wird die Delikatesse mittlerweile sogar aus verschiedenen Ländern wie Kanada, Finnland und Italien importiert. Ähnlich sieht es beim Europäischen Edelkrebs aus. Er steht auf der Roten Liste der gefährdeten Arten und ist auf Speisekarten eine Rarität.

Idee mit der Polykultur ausloten

Mit der Zucht der beiden Süßwassertiere in einer neuartigen Polykultur will Norbert Wagemann nicht nur das Verschwinden dieser Tierarten stoppen, sondern auch der hohen Nachfrage in der Gastronomie nach neuen hochwertigen, heimischen Produkten gerecht werden. Der Ideenwettbewerb „Neue Produkte für die Bioökonomie“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bot dem studierten Forstwissenschaftler Wagemann die Chance, seine Idee auszuloten und umzusetzen.

Im Rahmen der neunmonatigen Sondierungsphase im Jahr 2014, die mit 50.000 Euro gefördert wurde, suchte der Aquakulturexperte vom Steinbeis Institut für nachhaltige Ressourcennutzung zunächst in Forschung und Industrie nach geeigneten Partnern und Standorten. „Wir haben Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft gefragt, was sie von unserer Idee halten und wo es Schwierigkeiten gibt. So haben wir noch einmal die eigenen Realisierungsmöglichkeiten auf den Prüfstand gestellt“, erzählt Wagemann.

Krebs verwertet, was die Fische übriglassen

Die kombinierte Aufzucht in der Aquakultur bot sich an, weil sich Edelkrebs und Felchen aufgrund ihrer Lebensgewohnheiten nicht in die Quere kommen. Während das Felchen im Freiwasser lebt, bewohnt der Krebs den Gewässergrund. Aber das ist nur einer der Vorteile dieses Gespanns, erzählt Wagemann: „Die Felchen sind relativ große Futterverschwender und der Edelkrebs verwertet das, was die Felchen übriglassen. Außerdem wirkt der Krebs wasserreinigend, weil er auch den Kot der Fische teilweise verwerten kann.“ Die Zucht in Polykultur wäre demnach ressourcenschonender, aber auch wirtschaftlicher, da weniger zugefüttert werden muss und die Kosten für die Haltung der Tiere minimiert werden könnten. Außerdem würde sich die Wasserbelastung dadurch reduzieren.

Große Maräne im Visier

Gemeinsam mit der Universität Koblenz-Landau, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Senect GmbH in Landau und der Krebszucht Jeske in Oeversee erstellte das Steinbeis-Team um Wagemann in der Sondierungsphase detaillierte Konzepte, um die Züchtung in Polykultur zu realisieren. Dabei wurde die ursprüngliche Planung noch einmal erweitert. Die Züchtung in Polykultur geht nunmehr über Bodenseefelchen und Europäischen Edelkrebs hinaus. Als Pendant zu dem ausschließlich im Voralpenland beheimateten Felchen kam die Große Maräne hinzu, die in den Seen von Mecklenburg-Vorpommern oder in Schleswig-Holstein vorkommt und ebenfalls ein sehr beliebter Speisefisch ist. „Wie haben die Große Maräne herausgesucht, weil sie ähnliche Lebensgewohnheiten wie der Felchen hat, aber deutlich weiter verbreitet ist. Damit geben wir der Polykultur in ganz Deutschland eine Chance“, betont Wagemann.

Die Polykultur wurde in der Kreislaufanlage der Krebszucht Jeske in Oeversee etabliert.

Die Polykultur wurde in der Kreislaufanlage der Krebszucht Jeske in Oeversee etabliert.

Ob die Züchtung von Edelkrebs, Felchen und Maräne in Polykultur tatsächlich funktioniert und auch wirtschaftlich sowie ökologisch vorteilhaft ist, wurde von Oktober 2015 bis März 2018 im Rahmen der Machbarkeitsphase untersucht. In dieser zweite Stufe der Förderung im Rahmen des Ideenwettbewerbs wurden die fünf Partner insgesamt mit 1,1 Mio. Euro vom BMBF unterstützt.

Testlauf in Teichen und Kreislaufanlagen

In den vergangenen drei Jahren wurde die neuartige Polyaquakulturmethode in Teich- und Kreislaufanlagen im Norden und Süden des Landes erprobt. Das Problem: Die Fische sollten nicht nur in einer WG mit den Edelkrebsen aufwachsen, sondern sich auch vermehren lassen. Da es sich bei Felchen, Krebs und Maräne jeweils um nicht domestizierte Wildarten handelt, war das größtenteils Neuland. „Wir wussten nicht, wie sich die Tiere verhalten und wie die optimalen Lebensbedingungen aussehen. Das musste alles erst ermittelt werden“.

Ein erster Versuch, kleinere „Große Maränen“ mit großen Edelkrebsen zusammenzubringen, sorgte zunächst auch für einige Verluste, wie Wagemann berichtet. „Wir vermuten, dass sich der Krebs bedient hat. Was wir bis dahin aber nicht wussten: Die große Maräne geht auch auf dem Grund auf Futtersuche und kommt damit in die Nähe der Krebsscheren. Als Züchter müssen wir daher aufpassen, dass die Größenverhältnisse stimmen und sie sich nicht fressen.“ In offenen Teichanlagen waren die Fische auch noch einer gefiederten Gefahr ausgesetzt: Fischjäger wie Kormorane und Reiher sorgten für erhebliche Verluste.

Optimale Bedingungen für die Kombi-Kultur schaffen

Im Rahmen des Projektes haben Wagemann und sein Team daher erst optimale Bedingungen schaffen müssen, damit die Polykultur unter Berücksichtigung des Tierwohls auch funktioniert. „Hier ging es darum, die richtige Mischung und die richtige Besatzdichte für beide Arten zu finden, damit diese sich wohl fühlen und auch vermehren können“. Fangen, Messen, Wiegen wurde zur Routine, um zu ermitteln, ob Edelkrebs und Co auch wachsen. Zudem wurden Futter- und Wasserverbrauch, Energiekosten und Personalaufwand erfasst, um die Wirtschaftlichkeit der Kombi-Kultur zu belegen.

Die optimale Besatzdichte der Fische in den Teichen hängt Wagemann zufolge von den jeweiligen Gegebenheiten ab und muss in jedem Einzelfall ermittelt werden. Dafür wurde im Rahmen des Projektes ein Konzept entwickelt und bereits erfolgreich umgesetzt. „Da keine Infektionskrankheiten aufgetaucht sind, deutet vieles darauf hin, dass die Tiere sich wohlfühlten“, sagt Wagemann.

Im Ergebnis konnte sein Team beweisen, dass die Polykultur in der Praxis funktioniert und wirtschaftlich ist. „Und wir konnten nachweisen, dass wir die Wasserqualität nicht beeinträchtigen, sondern sogar in weiten Teilen verbessern. Belastungen des Wassers oder Schlämme aus dem Kot der Tiere entstanden in deutlich geringerem Umfang als bei gängigen Aquakultursystemen“, resümiert Wagemann.

Erste Erfolge mit Maräne und Krebs

Im Rahmen des Projektes konnten Edelkrebs und Große Maräne in Polyaquakultur bereits erfolgreich vermehrt werden. Eine Drei-Sterne-Gastronomie im Schwarzwald züchtet jetzt den beliebten Europäischen Edelkrebs mit dem Bodenseefelchen im eigenen Teich und will damit nicht nur das eigene Restaurant versorgen, sondern auch Tiere für die Wiederbesiedlung von Gewässern bereitstellen. Beim Felchen reichte die Projektdauer für eine Fisch-Vermehrung nicht ganz aus. „Wann die Wildtiere geschlechtsreif werden, richtet sich nun mal nicht nach der Projektdauer“, sagt Wagemann.

Der Anfang ist jedenfalls gemacht. Mithilfe der BMBF-Förderung im Ideenwettbewerb konnte Norbert Wagemann seine Idee in der Praxis umsetzen. Nun will der Aquakulturexperte weitere Betriebe für sein Aufzuchtsverfahren begeistern. Dann will er auch belegen, dass mit der Aquakultur im Duett nicht nur Futter eingespart werden kann.

Autorin: Beatrix Boldt