„Unser Produkt kann Mehl in verschiedenen Lebensmitteln ergänzen“

„Unser Produkt kann Mehl in verschiedenen Lebensmitteln ergänzen“

Tim Gräsing

Beruf: 
selbstständiger Unternehmer

Position: 
Co-Gründer und Geschäftsführer des Start-ups Value Grain in Hamburg
 

Tim Gräsing; Co-Gründer und Geschäftsführer des Start-ups Value Grain in Hamburg
Vorname
Tim
Nachname
Gräsing

Beruf: 
selbstständiger Unternehmer

Position: 
Co-Gründer und Geschäftsführer des Start-ups Value Grain in Hamburg
 

Tim Gräsing; Co-Gründer und Geschäftsführer des Start-ups Value Grain in Hamburg

Das Start-up ValueGrain um Co-Gründer Tim Gräsing hat eine Technologie entwickelt, die Biertreber zu „flüssigem Mehl“ verarbeitet und so für die Lebensmittelindustrie nutzbar macht.

Bei der Bierproduktion fallen jährlich riesige Mengen Treber an. Davon landet das Meiste als Futter im Trog der Tiere oder in der Biogasanlage. Doch Biertreber ist ein kostbarer und nährstoffreicher Rohstoff. Diese bisher ungenutzte Ressource für die Lebensmittelindustrie nutzbar zu machen, hat sich das Start-up ValueGrain auf die Fahne geschrieben. Ein Team um Geschäftsführer und Co-Gründer Tim Gräsing hat eine Technologie entwickelt, die Biertreber zu „flüssigem Mehl“ verarbeitet, das in Teigwaren aller Art herkömmliche Mehle ergänzen, aber auch in Fleischersatzprodukten zum Einsatz kommen kann.

Frage

Wie kamen Sie auf die Idee, Biertreber als Mehlersatz zu nutzen?

Antwort

Wir agieren als Gründerteam aktiv seit über 15 Jahren in der Brauerei-Industrie. Das Thema Nebenströme, speziell die Zweitnutzung von Treber, begleitet uns also schon länger. Irgendwann wurde aus losen Ideen ein sehr konkreter Ansatz – nämlich die Nutzung des frischen Trebers als skalierbare B2B-Ressource für Lebensmittelproduzenten. Beim Grundstoff Gerste als wertvolles Getreide liegt es nahe, mit der Back-Branche als erstem Abnehmer zu starten.

Frage

Was macht Biertreber zu einem „wertvollen Getreide“? Wie unterscheidet sich Ihr Produkt von herkömmlichen Mehlsorten?

Antwort

Wir nutzen Treber von Gerstenmalz-basierten Bierstilen. Gerste als Getreide hat – gerade auch in Abgrenzung zum Weizen – eine höhere Nährstoffdichte, vor allem im Blick auf Ballaststoff-, Vitamin- und Mineralien-Werte. Unser Arbeitstitel für ValueGrain als Produkt lautet „flüssiges Mehl“, letztlich soll diese Referenz aber auch nur auf einen der möglichen Verwendungszwecke hinweisen. Da unser Produkt eine Restfeuchte von 70 bis 80 % aufweist, hat es eigentlich wenig mit herkömmlichen Mehlen gemein. Sie können es aber in Backprodukten partiell substituieren beziehungsweise als entsprechendes Komplement sehen.

Frage

Wie wird der Treber als Reststoff veredelt? Und wofür kann der Upcycling-Rohstoff genutzt werden?

Antwort

Wir prozessieren frischen Treber mechanisch und verwenden ihn dabei so, wie die Brauerei ihn als Nebenstrom ausstößt, ohne neue Nebenstromprodukte zu erzeugen. Im Hinblick auf aktuelle internationale Patentprozesse darf ich an dieser Stelle leider nicht über Detailebenen der Verarbeitung sprechen. 

Unser ValueGrain kann in unterschiedlichen Lebensmittelkategorien Verwendung finden. Die Backbranche mit dem Ziel des Mehlkomplements wurde ja bereits erwähnt – hier sprechen wir über alle Formen von Teigerzeugnissen von Brot, Brötchen über Pizzaböden bis hin zu Gebäck. Andere Applikationen, die bereits erfolgreich getestet wurden, sehen wir im Bereich von Fleischalternativen oder Hybrid-Produkten wie etwa in Bratwürsten mit entsprechendem ValueGrain-Anteil.

Frage

Welches bioökonomische Potenzial steckt in ValueGrain, um die Lebensmittelproduktion nachhaltiger zu machen?

Antwort

In erster Linie sprechen wir natürlich über die Einbringung eines stets regionalen, kreislaufwirtschaftlichen Rohstoffs, für den es bisher im Bereich der humanen Lebensmittelkette in der Regel keine Zweitverwendung gibt – vor allem nicht in industriell skalierbaren Maßstäben. Wir sprechen in diesem Kontext über weltweit knapp 40 Millionen Tonnen Treber jährlich, allein auf Deutschland entfallen knapp 2 Millionen Tonnen. Die Vorteile liegen in der Reduzierung von CO₂-Emissionen durch das Upcycling sowie in der Einsparung von Wasser – weniger Abwasser in Brauereien sowie weniger Frischwassereinbringung bei den Produzenten. Ein weiterer Nachhaltigkeitsfaktor ist die optimierte Bodennutzung: Wurde Gerste bisher vor allem zur Herstellung von Bier verwendet, kommt nun eine Zweitnutzung hinzu, für die kein weiterer Anbau nötig ist.

Frage

Wie reagieren Lebensmittelhersteller auf Ihre Innovation? Gibt es Interessenten? 

Antwort

Da wir momentan noch immer frühphasig unterwegs sind, ist der Kreis derer, die von uns auf diesen neuen Rohstoff aufmerksam gemacht werden, noch recht überschaubar. Die Reaktionen bisher sind sehr positiv, unsere Vorteile im Bereich der Wirtschaftlichkeit in Verbindung mit dem enormen Nachhaltigkeitspotenzial wird erkannt. Wichtig ist, dass echtes Interesse an Innovation besteht, einhergehend mit der Bereitschaft, einfach mal zu testen. Wir sind derzeit dabei, eben diese Testreihen mit verschiedenen Bäckereien und anderen Lebensmittelproduzenten im industriellen Maßstab durchzuführen. Auch unsere Präsenz auf einschlägigen Fachmessen wird nun sukzessive erweitert.

Frage

Was plant Ihr Unternehmen als Nächstes?

Antwort

Bis zum Herbst/Winter wollen wir einige Leuchtturmprojekte realisiert haben, das heißt, wir wollen kontinuierliche Anwendungskreisläufe von der Produktion des ValueGrain über die Logistik bis hin zur Verwendung in Bäckereien und anderen Produktionen verlässlich darstellen. Dies soll als Startschuss für die Serienproduktion unserer Anlagen dienen, damit in Zukunft möglichst viele Brauereien ihren Treber für Lebensmittelapplikationen zweit verwenden können.

Interview: Beatrix Boldt