„Aquatische Technologien sind zentrale Bausteine einer gesunden Ernährung“

„Aquatische Technologien sind zentrale Bausteine einer gesunden Ernährung“

Carsten Schulz

Beruf:         
Agrarwissenschaftler

Position:
Professor für Marine Aquakultur an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Direktor der Fraunhofer-Einrichtung IMTE, Außenstelle Aquakulturforschung Büsum

Carsten Schulz, Direktor, Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE, Außenstelle Aquakulturforschung Büsum
Vorname
Carsten
Nachname
Schulz

Beruf:         
Agrarwissenschaftler

Position:
Professor für Marine Aquakultur an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Direktor der Fraunhofer-Einrichtung IMTE, Außenstelle Aquakulturforschung Büsum

Carsten Schulz, Direktor, Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE, Außenstelle Aquakulturforschung Büsum

Unter dem Dach des Fraunhofer IMTE wird das Team um Carsten Schulz von der Gesellschaft für Marine Aquakultur (GMA) künftig die Potenziale der Blauen Bioökonomie weiter erschließen.

Viele Fischarten werden heute in Aquakulturanlagen gezüchtet, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Doch auch der Ausbau der Aquakultur stößt an Grenzen und verlangt nach Innovationen, die nachhaltig und umweltgerecht sind. Dieser Herausforderung wird sich die Gesellschaft für marine Aquakultur (GMA) in Büsum ab sofort gemeinsam mit der Fraunhofer-Einrichtung IMTE in Lübeck stellen. Für den wissenschaftlichen Leiter der GMA und nun Direktor der neuen Fraunhofer-IMTE-Außenstelle, Carsten Schulz, sind aquatische Technologien zentrale Bausteine einer gesunden Ernährung und nachhaltigen Wertschöpfung.

Frage

Welchen Beitrag kann die Aquakulturforschung mit Blick auf eine gesunde und nachhaltige Ernährung leisten?

Antwort

Fisch ist ein hochwertiges Nahrungsmittel, welches sich durch hervorragende diätetische Eigenschaften auszeichnet. Fische, insbesondere deren Proteine, sind hochverdaulich und von herausragender Zusammensetzung mit höchster biologischer Wertigkeit. Fisch ist zudem reich an weiteren Makro- und Mikronährstoffen. So sind Fische die wichtigste Quelle hochungesättigter Fettsäuren, die in der Humanernährung von überragender Bedeutung sind. Der weltweite Fischkonsum wächst stetig und liegt laut FAO aktuell bei jährlich 20,5 kg/Kopf. Aufgrund der begrenzten und deshalb stagnierenden Erträge aus der Fischerei kann dabei der steigende Bedarf einer wachsenden Weltbevölkerung nur durch zunehmende Erträge aus der Aquakultur gedeckt werden. Bereits heute entstammen über die Hälfte der konsumierten Fische aus Aquakulturen und dieser Anteil wird sicherlich auch künftig weiter ansteigen.

Frage

Wo liegt/lag der Forschungsschwerpunkt der GMA?

Antwort

Die GMA wurde im Jahr 2004 gegründet und die fachliche Ausrichtung ist seit 2007 eng mit der Professur für Marine Aquakultur am Institut für Tierzucht und Tierhaltung, der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, gekoppelt, die zeitgleich die wissenschaftliche Leitung der GMA innehat. Die bearbeiteten Forschungsvorhaben fokussieren vor allem grundlegende und anwendungsorientierte Fragestellungen zur umweltgerechten Optimierung von Fischhaltungssystemen, zur Fischernährung und -physiologie und zur Einschätzung und Bewertung der Gesundheit und Qualität von Fischen. Aufgrund der hohen Bedeutung der Süßwasseraquakulturproduktion im globalen Kontext stehen zunehmend auch Süßwasserspezies im Forschungsfokus der GMA. Seit dem 01.01.2022 ist die GMA in die Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE integriert und erweitert nun dort das Forschungsportfolio.

Frage

Wie wird die GMA künftig die Forschung am IMTE konkret unterstützen? Und welche Vorteile bietet die Integration der GMA?

Antwort

Fraunhofer IMTE versteht sich als Forschungseinrichtung für intelligente Systeme und Verfahren für die Gesundheitswirtschaft und Bioökonomie. Aquatische Technologien sind dabei zentrale Bausteine einer gesunden Ernährung und nachhaltigen Wertschöpfung. Die inter- und transdisziplinäre Verschneidung der beiderseitigen Expertisen führt zu neuen Innovationen und einzigartigen Kooperationspotenzialen. Es soll dabei insbesondere in den Arbeitsbereichen Innovationen in der Fischernährung, umweltgerechte Fischhaltungssysteme, Qualität und Gesundheit von Fischen, aber auch in der Lebensmitteltechnologie und Zelltechnik sowie in den Cross-Innovation-Bereichen der intelligenten Instrumentierung mit den Arbeitsbereichen der Bildgebung, additiven Fertigung, künstlichen Intelligenz sowie der Modellierung und Simulation eine gezielte Zusammenarbeit erfolgen.

Frage

Welche Impulse für die Weiterentwicklung der Aquakulturforschung erhoffen Sie sich durch die Integration in das Fraunhofer IMTE?

Antwort

Die Aquakulturforschung in Deutschland ist durch eine starke Zersplitterung der Forschungslandschaft mit weiterhin vergleichsweise geringen Forschungskapazitäten charakterisiert. Diese Rahmenbedingungen erschweren die fokussierte Sektorentwicklung in Deutschland grundlegend. Es gibt an verschiedenen Standorten zwar bemerkenswerte Kompetenzen, allerdings immer nur zu jeweils einzelnen Fachgebieten oder mit stark lokalem Fokus. Somit geraten bestimmte Aspekte, die für das Verständnis der gesamten Prozesskette wichtig sind, leicht aus dem Fokus. Durch die Zusammenführung der GMA mit Fraunhofer IMTE können die verschiedenen Expertisen zusammengeführt werden, um neue systemisch orientierte Lösungen zu erarbeiten. Diese Bündelung von Kapazitäten ist ein Alleinstellungsmerkmal der Fraunhofer IMTE und sollte Leuchtturmcharakter für den gesamten Aquakulturforschungssektor haben.

Frage

Inwiefern werden sich dadurch die Forschungsaufgaben der GMA verändern?

Antwort

Die Themen der Aquakulturforschung an der Fraunhofer IMTE werden durch die Integration der GMA künftig deutlich breiter aufgestellt sein. Hierbei sind neben den bereits erwähnten inhaltlichen Synergien mit den bestehenden Kompetenzen an beiden Standorten auch institutsübergreifende Forschungsaktivitäten geplant, um weitere Fraunhofer-Expertisen mit der Wertschöpfungskette von Aquakulturen zu verknüpfen.

Frage

Welches Potenzial steckt in der neuen Zusammenarbeit für die marine Wirtschaft im norddeutschen Raum?

Antwort

Wir kooperieren bereits seit Gründung der GMA sehr eng mit der Wirtschaft und Wirtschaftsförderung aus dem norddeutschen Raum und konnten dabei vielfältige Forschungsverbünde und Netzwerke initiieren. Dabei wurden auch neue Ideen und Innovationen erarbeitet, die in der Folge zu Ausgründungen in verschiedensten thematischen Bereichen der Aquakulturprozesskette führten. Durch die Integration der GMA an die Fraunhofer IMTE wird nochmals fokussierter die Kooperation mit der Wirtschaft gesucht, um die Potenziale insbesondere der Blauen Bioökonomie weiter auszuschöpfen. Hier bieten sich vor allem nachhaltige Konzepte für eine umfassende Kreislaufwirtschaft an, die unter anderem Fische, Muscheln sowie Algen einschließen.

Interview: Beatrix Boldt