Frankreich sieht die Bioökonomie als einen Weg, um dem Klimawandel und den begrenzten fossilen Rohstoffen zu begegnen. Allerdings wird die Bioökonomie als Begriff selten gewählt, eine dezidierte Bioökonomie-Strategie gibt es noch nicht. Gleichwohl veröffentlichte die Regierung in den letzten Jahren zahlreiche Bioökonomie-relevante Strategien und Aktionspläne, über die die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gestärkt, Wachstum und Arbeitsplätze generiert sowie die Abhängigkeit von Energieimporten reduziert werden sollen. Die französische Strategie „Les usages non alimentaires de la biomasse“ (2012) fügt sich in den internationalen Kontext für nachhaltige Entwicklung ein. 2013 verabschiedete die französische Regierung ihre strategische Agenda für Forschung, Transfer und Innovation (Agenda France Europe 2020). Auf deren Basis folgte 2015 die Nationale Forschungsstrategie mit prioritären Forschungsbereichen und Zielen, die mehrere Sektoren der Bioökonomie einschließt.
Die Wirtschaftspolitik konzentriert sich zudem seit 2015 auf 10 Zukunftsbranchen. Hierunter auch: Grüne Chemie, Biokraftstoffe und der Nahrungsmittelsektor. Überregional nimmt das von der Regierung 2010 aufgesetzte Förderprogramm „Zukunftsinvestitionen“ (PIA) hierbei eine zentrale Rolle ein. Innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren sind für bioökonomische Themen rund 1,5 Mrd. Euro eingeplant. Separat wird die Nutzung von Algen („GreenStar“), Bioraffinerien („Pivert“) und eine nachhaltige Chemie („Ifmas“) gefördert. Die Maßnahme „Achats Publics Durables“ (2014) unterstützt die Vermarktung biobasierter Konsumgüter. Bereits im Jahr 2004 veröffentlichte die Regierung einen Plan zu Biokraftstoffen. Verantwortlich für diese politischen Richtlinien und Gesetze sind insbesondere die vier Ministerien für Landwirtschaft, für Nachhaltige Entwicklung, industrielle Umstrukturierung sowie Bildung und Forschung. Auch auf der regionalen Ebene existieren erste Bioökonomie-relevante Ansätze. Die Picardie veröffentlichte ihre Strategie „Stratégie de spécialisation Intelligente“, in der Bioraffinerien ein Thema sind.
Regionale Standortpolitik über „Pôles de compétitivité“
Darüber hinaus fördern Mittlereinrichtungen wie die „Pôles de compétitivité“ (Zentren der Wettbewerbsfähigkeit) die regionale Standortpolitik. Analog zum BioRegionen-Wettbewerb oder dem Spitzencluster-Wettbewerb in Deutschland rief die französische Regierung im Jahr 2004 den Pôles-Wettbewerb ins Leben. Forschungseinrichtungen und Unternehmen waren aufgerufen, sich regional zu thematischen Clustern zusammenschließen, mit dem Ziel gemeinsam marktfähige Innovationen voranzutreiben. Gerade für die Entwicklung der bedeutenden Cluster um Paris und Lyon herum waren die Pôles von großer Bedeutung.
Forschungsförderung mit Steuergutschriften
Frankreich leistet sich eine Vielzahl von Instrumenten zur Investitionsförderung, die von inländischen wie ausländischen Investoren in Anspruch genommen werden können. Wesentliche Mechanismen sind insbesondere Steuergutschriften. Das seit 1983 bestehende System der Steuergutschriften für F&E-Investitionen (CIR - Crédit d'Impôt Recherche), weltweit eines der größten Programme, wurde 2008 reformiert, vereinfacht und auf ausländische Unternehmen ausgeweitet. Die Steuergutschrift beträgt im Jahr 30% der F&E-Ausgaben bis zu einer Höchstgrenze von 100 Mio. Euro. Der seit 2004 bestehende Status des "Jungen Innovativen Unternehmens" (Jeune Entreprise Innovative, JEI) verbürgt ebenfalls den Anspruch auf gewisse Steuererleichterungen und verringerte Sozialabgaben.
Gentechnik-Recht
Mit Blick auf die Grüne Gentechnik setzen französische Gesetze im Wesentlichen europäische Richtlinien zur Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen um. Allerdings führte Frankreich ergänzende Regeln beispielsweise zu Haftung und Veröffentlichungspflichten ein, die Regierung gilt als gentechnik-kritisch. Derzeit werden in Frankreich keine gv-Pflanzen kommerziell angebaut. Trotz allem gelangen gv-Pflanzenprodukte wie Sojabohnen und –mehl aus Brasilien, Kanada oder Argentinien über Importe in das Land und werden meist in der Landwirtschaft verfüttert. Auch der Klonierung von Nutztieren stellt sich die Regierung entgegen. 2012 veröffentlichte die Regierung ihre Strategie „Agricultures: Produisons Autrement“, die für die Zukunft der Landwirtschaft auf ökölogische Ansätze setzt. Eine Kennzeichnung von Produkten als „Gentechnik-frei“ ist in Frankreich auf nationaler Ebene unter bestimmten Voraussetzungen seit 2012 möglich. Zuständig für die Unbedenklichkeitsprüfung ist in Frankreich die Nationale Aufsichtsbehörde ANSES.
Die Land- und Ernährungswirtschaft sowie die chemisch-pharmazeutische Industrie zählen in Frankreich mit zu den wichtigsten Wirtschaftsbereichen. Den größten Anteil an der industriellen Wertschöpfung des produzierenden Gewerbes hatte 2014 in Frankreich die chemische Industrie einschließlich der Pharmazeutik mit 22,6%. Der Umsatz der chemischen Industrie lag bei rund 82 Mrd. Euro, das Umsatzvolumen mit Pharmazeutika betrug 53 Mrd. Euro. Fast ebenso großes Gewicht nahm mit 19,9% die Nahrungsmittelindustrie ein, die allerdings 158 Mrd. Euro Umsatz erzielt.
Großkonzerne mit Bioökonomie-Aktivitäten
In beiden Sektoren gibt es eine Reihe von Großunternehmen, die mit spezifischen Bioökonomie-Aktivitäten hervortreten. Dazu gehört der Erdöl- und Petrochemiekonzern Total, der in seiner Rohöl-Raffinerie in La Mède nahe Marseille künftig 500.000 t Biodiesel pro Jahr herstellen will. Durch den Umbau einiger Produktionseinheiten können nun Pflanzenöle als Rohstoffe eingesetzt werden. Axens, das Tochterunternehmen der französischen Forschungseinrichtung IFP Energies Nouvelles, steuert die Technologie bei. So wird La Mède künftig die größte französische Bioraffinerie sein. Insgesamt sollen 200 Mio. Euro in den Umbau fließen. Zusammen mit dem US-Biotechnologieunternehmen Amyris kommerzialisiert Total zudem biobasierte Flugzeugkraftstoffe. Bezogen auf die Herstellung von Bioethanol ist Frankreich 2011 noch vor Deutschland der Europaweit größte Hersteller gewesen.
Der Spezialchemie-Konzern Arkema bietet neben herkömmlichen petrochemischen Produkten auch solche auf Basis von Rhizinus- und anderen pflanzlichen Ölen an. Biobasierte Hochleistungswerkstoffe sind ein weiterer Innovationsschwerpunkt des Unternehmens. Der global führende Hersteller von Industriehefen, Lesaffre, engagiert sich aktiv mit seiner Geschäftseinheit Leaf Technologies, im Bereich der Biokraftstoffe und der Bio-Chemikalien. 2014 übernahmen die Franzosen bereits den Schweizer Biokraftstoff-Spezialisten Butalco, dessen Hefen an der Universität Frankfurt entwickelt wurden. Verschiedene kleine Unternehmen entwickeln Biostimulanzien für das Pflanzenwachstum, etwa gewonnen aus Algenextrakten. Noch liegt die Produktion bei schätzungsweise 5 bis 10 Mio. Euro, dürfte sich in den kommenden Jahren aber erhöhen.
Landwirtschaft und Lebensmittelsektor starke Säule
Zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnissen Frankreichs zählen Fisch, Milchprodukte, Rindfleisch, Weintrauben, Kartoffeln, Getreide und Zuckerrüben. Zu den führenden Akteuren der Ernährungswirtschaft zählen Lactalis und Danone (beide Milchprodukte), Moet Hennessy (Wein, Spirituosen) sowie Bigard (Fleischwaren). Noch weit vor Deutschland gilt Frankreich als größter Rindfleischproduzent Europas. Fleury Michon lancierte eine Produktserie, die garantiert ohne Verwendung gentechnisch veränderter Organismen und ohne den Einsatz von Antibiotika hergestellt wurde. Die Neigung der französischen Konsumenten, die Qualität der Nahrungsmittel und ihre Herkunft relativ stärker zu bewerten als den Preis, schaffen gute Voraussetzungen für die weitere erfolgreiche Entwicklung von Bioprodukten. Diese haben nach Angaben des Verbandes Agence Bio mittlerweile einen Anteil von 2,5% am gesamten Nahrungsmittelmarkt.
Der Agrarkonzern Group Limagrain zählt dagegen zu den international aktiven Saatgutherstellern. Das zusammen mit KWS aus Deutschland in den USA gegründete Joint Venture AgReliant zählt zu den führenden Saatgutfirmen für Mais in Nordamerika und hat einen starken Fokus auf molekulargestützte Pflanzenzüchtung. Zum Export landwirtschaftlicher Güter tragen zudem die zahlreichen französischen Pflanzenzüchter bei. Unterdessen entfaltet der Lebensmittelhersteller Bonduelle Aktivitäten in der urbanen Landwirtschaft. Zusammen mit Städtebauern, Ingenieur-Hochschulen (INSA, ISARA) und Unternehmen (Groupe Cesbron, Richel) geht es um mehrstöckige Gewächshäuser für die Stadt.
Mikroalgen als Rohstoff
Der weltweit führende französische Stärkehersteller Roquette Frères setzt für die Zukunft auf Grüne Chemie und Mikroalgen als neue Rohstoffquelle. So gehört dem Unternehmen in Deutschland eine der größten Mikroalgen-Produktionsanlagen Europas, sie ist im brandenburgischen Klötze angesiedelt. In seiner Anlage im französischen Lestrem werden aus Algen Inhaltsstoffe für Nahrungsmittel gewonnen. Zusammen mit der niederländischen DSM gründete Roquette zudem im Jahr 2012 das Joint Venture Reverdia, um biobasierte Bernsteinsäure kommerziell zu produzieren. Ebenfalls in Frankreich bekannt: Tereos Syral, ein in Europa ebenfalls bedeutender Hersteller von Stärke, Derivaten und Proteinen sowie Bio-Alkohol.
Börsennotierte Biotech-Firmen
Darüber hinaus gibt es in der französischen Biotech-Branche mehrere Firmen, die Aktivitäten in der Bioökonomie vorweisen können: Dies betrifft industrielle Anwendungen, Biomasseproduktion und Pflanzenzucht. Einige Biotechnologie-Firmen in der Pflanzenzüchtung sowie der industriellen Biotechnologie sind zudem in den letzten Jahren an die Börse gegangen, was unter anderem durch die positiven Rahmenbedingungen für Investoren befördert wurde:
- Plant Advanced Technologies, die auf Naturstoffe aus Pflanzen setzen
- Amoéba, die Mikroben zur Wasseraufbereitung nutzen
- Fermentalg, die Biodiesel der dritten Generation herstellen
- Deinove, die Biochemikalien mit Hilfe von Bakterien produzieren und
- Global Bioenergies, die biobasiertes Isobuten herstellen und eine industrielle Pilotanlage in Leuna errichtet haben, die das BMBF im Rahmen der Förderung des BioEconomy Spitzenclusters mit 5,7 Millionen Euro unterstützt.
Insgesamt hat sich der Börsenstandort Paris mit der Euronext im europäischen Vergleich neben London zum wichtigsten Kapitalmarktplatz für Biotech-Firmen etabliert. Dies geht aus den jüngsten Analysen der BIOCOM AG zum europäischen Kapitalmarkt hervor (www.biocom.de/analysis2015). Vor allem für innovative KMUs bietet die Euronext mit ihrer weniger regulierten Alternext ein gutes Umfeld auch für kleinere Börsengänge.
Biogas-Branche ist ausbaufähig
Vor dem Hintergrund des starken Agrarsektors mit rund einer halben Million landwirtschaftlicher Betriebe gibt es im Biogas-Bereich im Flächenstaat Frankreich erhebliche Ausbaupotenziale. Ende 2013 waren landesweit knapp 400 Biogasanlagen im Einsatz. Bis 2020 sollen es 1.000 werden, so die Pläne der Regierung. Das Potenzial des ganzen Spektrums an Quellen von Biomasse aus der Landwirtschaft zeigt eine Studie der dem französischen Landwirtschaftsministerium zugeordneten Agentur France AgriMer auf. Demnach soll Biomasse etwa die Hälfte des für 2020 anvisierten Anteils von 23% für die erneuerbaren Energien an der gesamten Energieversorgung Frankreichs ausmachen. Förderprogramme in diesem Sektor verwaltet die Umweltagentur ADEME.
Cluster als Bausteine der Bioökonomie
Die wirtschaftsstärksten Regionen Frankreichs sind der Großraum Paris und die Region Rhônes-Alpes um Lyon. Wettbewerbspole und übergeordnete Cluster, die durch die Regierung finanziell unterstützt und aufgebaut wurden, sind in diesen Regionen sowie verteilt im Land. Sie treiben die Entwicklung über öffentlich-private Kooperationen voran. Zentrale Bioökoniomie-relevante Themen dieser knapp 20 Zusammenschlüsse: Bioressourcen, Materialien, Energie, Fabrik der Zukunft im Bereich ökologischer Verfahren, pflanzenbasierte Chemie, Landwirtschaft, Produktion und Verwertung von Algenbiomasse, biologische Meeresressourcen, Nutzung von pflanzlichen Rohstoffen für die Kunststoffindustrie. (Eine Übersicht: hier klicken)
So geht es im Elastopôle-Netzwerk bei Paris um pflanzenbasierte Kunststoffe. Ein thematisches Stärkefeld im Cluster um Lyon ist ebenfalls die „grüne“ Chemie. In Toulouse ist das Cluster Chimie Verte beheimatet, Frankreich-weit haben sich Firmen der „grünen“ Chemie bereits unter dem Dach des Fachverbands Association Chimie du Végétal zusammengeschlossen. Auch der deutsche Chemiekonzern BASF ist Mitglied. Der Energie-Cluster Tenerrdis setzt unter anderem auf Biomasse. Der Pol IAR (Industries & Agro-Ressources) mit Sitz in Laon gilt dagegen als Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Rohstoffe, biobasierte Moleküle und Materialien sowie Bioenergien. Ihm zugeordnet ist das Cluster France Green Plastics, das wiederum drei Unternetzwerke vereint. Um die Methanisierung verschiedener Substrate kümmern sich die Akteure im Netzwerk BiogazVallée mit Sitz in Troyes. In der Region Champagne-Ardenne, Picardie, nutzt der Europol’Agro landwirtschaftliche Produkte für nichtlandwirtschaftliche Prozesse und bei dem in der Region Pays de la Loire angesiedelten Vegepolis-Netzwerk dreht sich alles um Pflanzen. Aber auch die industrielle Mikrobiologie wird gefördert, etwa im Rahmen von Toulouse White Biotech (TWB) einer mit 20 Mio. Euro geförderten Public Private Partnership im Raum Toulouse inklusive Demonstrationsanlage.
Demonstrationsanlagen als weiterer Bioökonomie-Baustein
Das Agrarkonsortium ARD (Agro-Industrie Recherches et Développements) aus der Region Champagne-Ardenne erschließt sich neue Absatzmärkte für landwirtschaftliche Nutzpflanzen und entwickelt und produziert biobasierte Moleküle. Hierfür stehen dem Unternehmen seine Bioraffinerie und Pilotanlagen in Bazancourt-Pomacle zur Verfügung, die auch von Dritten genutzt werden können. Der Reifenhersteller Michelin will dagegen in seiner Anlage biobasiertes Butadien produzieren, das als Grundstoff für die Reifenerstellung dient. Die Firmen Global Bioenergies und Arkema erproben die Umwandlung von erneuerbaren Rohstoffen in Methacrylsäure, einem wichtigen Ausgangsstoff für Acrylfarben.
Vielfältige Förderinstrumente
Die Forschung kleiner und mittelständischer Unternehmen wird vor allem über Finanzierungshilfen durch die französische Investitionsbank Bpifrance unterstützt, in der das vormals hierfür zuständige Staatsunternehmen OSEO aufgegangen ist. Beispielsweise wurden im vom Stärkehersteller Roquette angeführten Projekt BioHub (98 Mio. Euro Fördermittel für fünf Jahre) Pflanzen-basierte chemische Moleküle entwickelt und hergestellt. Das Pflanzenzuchtunternehmen Etablissements Soufflet erhielt 31 Millionen Euro für die Entwicklung von biobasierten Pflanzenschutzmitteln und Nahrungs- und Futtermittelergänzungen. Zudem nutzt die französische Regierung Steuergutschriften auf Forschungsausgaben (Crédit d’impôt recherche ) als ein Förderinstrument für die industrielle Forschung. Die Neugründung forschungsintensiver Start-ups wird durch die Anerkennung als "junges innovatives Unternehmen" (JEI) gefördert. Neben den nationalen Stellen besitzen auch viele Städte und Regionen eigene Investitionsförderstellen, die Unternehmen beraten und unterstützen - wie etwa die Agentur Paris Region Entreprises.
Breites Spektrum ausländischer Akteure
Auch deutsche Konzerne sind in Frankreich mit Standorten vertreten. Die Monheimer Bayer CropScience AG, einer der weltweit größten Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln, steuert von Lyon aus seine Aktivitäten im Land. Der Chemiekonzern BASF aus Ludwigshafen war Teilnehmer im BioHub-Programm und ist ein Teil des Clusters um Toulouse. Weltec Biopower, ein deutscher Anlagenbauer aus Vechta, baut hingegen Biogasanlagen beim Nachbarn auf, deren Biomethan direkt in das Gasnetz eingespeist werden kann. Das kanadische Biotechnologie-Unternehmen BioAmber stellte unterdessen bis Ende 2014 in der Anlage von ARD Bernsteinsäure aus nachwachsenden Rohstoffen her. Aus Schweden kommt Tauros Energy. Zusammen mit der französischen CIMV wird eine Demo-Anlage für die Herstellung von Bioethanol der 2. Generation errichtet.
In Frankreich existieren hinsichtlich der Aufgaben, der Personalstärke und des jeweiligen Budgets sehr unterschiedliche(zentralstaatliche) außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Die wichtigste Einrichtung im Bereich Grundlagenforschung und mit einem Budget von 3,4 Milliarden Euro sowie 33.000 Angestellten eine der größten weltweit ist das Nationale Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS). Es forscht in allen Wissenschaftsbereichen. Ein Großteil der Grundlagenforschung im Bereich der Bioökonomie wird über das Nationale Institut für Agronomieforschung (INRA) betrieben – unter anderem in Toulouse. Es forscht mit seinen 8.300 Beschäftigten und einem jährlichen Budget von 880 Mio. Euro im Bereich Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt. Zu den weiteren relevanten Einrichtungen zählen das Internationale Zentrum für Agronomieforschung in der Entwicklungszusammenarbeit (CIRAD) und das Nationale Forschungsinstitut für Umwelt- und Agrarwissenschaften und -technologien (IRSTEA). Auf Meeresforschung inklusive mariner Biotechnologie, Fischerei und Aquakultur konzentriert sich das Französische Institut für die Erforschung des Meeres (IFREMER).
ANR wichtigster Fördermittelgeber
Im Bereich der institutionellen Förderung von Forschung und Entwicklung ist das Bildungsministeriums (MENESR) federführend. Dagegen erfolgt die Förderung von Grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung in öffentlichen Forschungseinrichtungen und in Unternehmen im Wesentlichen über die Nationale Agentur für Forschungsförderung (ANR) über offene und themenspezifische Ausschreibungen. Die ANR wurde erst 2004 gegründet, sie übernimmt eine ähnliche Funktion wie die Projektträger in Deutschland und koordiniert die Projektförderung des französischen Forschungsministeriums. Hinter der Neugründung verbirgt sich eine Neuausrichtung der französchen Forschungsförderungspolitik. Vorher erhielten Forschungsgruppen an öffentlichen Einrichtungen in einem quasi-automatischen Verfahren jedes Jahr ihr Geld. Dieses System wurde mit der Etablierung der ANR durch ein wettbewerbsähnliches Bewerbungsverfahren ergänzt, bei dem sich die einzelnen Projekte – ähnlich wie in Deutschland – um Mittel bewerben müssen und eine Jury über die Vergabe entscheidet. Das Budget der ANR ist über die Jahre erheblich gewachsen. Darüber hinaus koordiniert sie das milliardenschwere Zukunftsinvestitionsprogramm, das sich unter anderem auch an innovative KMUs richtet. Die öffentliche Agentur für Umwelt und Energie (ADEME) unterstützt unter anderem Forschungsprojekte zur Energiewende.
Die Förderpolitik der vergangenen Jahre konzentrierte sich wie in Deutschland auch immer mehr darauf Exzellenzcluster zu etablieren, in denen Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft stärker zusammenarbeiten. Dies geschieht zum Beispiel im Rahmen der Kompetenzkern-Initiative Poles de compétitivité. Darüber hinaus wurde das Label Instituts Carnot etabliert, mit dem Forschungseinrichtungen ausgezeichnet werden, die besonders gut mit der Wirtschaft zusammenarbeiten.
Des weiteren gibt es die Agentur OSEO, die inzwischen in der Staatsbank Bpifrance aufgegangen ist. Hierüber erhalten innovative KMU Beratung und finanzielle Unterstützung ihrer Projekte in allen Entwicklungsphasen (Gründung, Übertragung-Verkauf, Wachstum, Entwicklung auf internationaler Ebene, Projekte in F&E und Innovation), mit dem Ziel, die Kontinuität der Finanzierungskette zu garantieren. Es wird auch der Zugang zu Bankkrediten in Form von Bürgschaften erleichtert sowie Investitionen in das Wachstum bzw. in Innovationen der KMU, technologische Partnerschaften bereitgestellt.
Neben Großraum Paris auch andere starke Regionen
Die wissenschaftliche Forschungslandschaft zur Bioökonomie ist in Frankreich über das ganze Land verteilt. Zahlreiche Wissenschaftseinrichtungen konzentrieren sichaus historischen Gründen im Großraum Paris. Auf dem Campus Paris Saclay finden sich unter anderem die Universität Paris-Süd, drei Ingenieursschulen und zentrale Forschungszentren wie das auf Land- und Agrarwirtschaft fokussierte INRA. Zur Gruppe der Grandes Ecoles, den Ausbildungsstätten der Führungselite des Landes, gehört AgroParisTech mit Schwerpunkten in Agronomie, Forstwirtschaft und Lebensmittelwissenschaft. Am Institut Jean-Pierre Bourgin nutzen Wissenschaftler Abfälle aus der Landwirtschaft zur Herstellung von Bausteinen für Biokraftstoffe oder chemische Moleküle. Nordöstlich von Paris an der Technischen Universität Compiègne liegt ein Fokus auf der industriellen Biotechnologie, daneben auf der grünen Chemie (Pivert-Programm).
Doch konnten wirtschaftsstarke Regionen etwa Rhônes-Alpes deutlich aufholen. Inzwischen weist die Region nach dem Großraum Paris die höchste Konzentration an höheren Bildungseinrichtungen und Forschungszentren auf. Toulouse gilt nach Paris und neben Lyon als wichtigster Bildungsstandort Frankreichs. Die Universität Toulouse Paul Sabatier und mehrere Grand Ecoles decken die Agrarwissenschaften ab. Schwerpunkte sind insbesondere landwirtschaftliche Anbausysteme, Forstwirtschaft, Pflanzenzüchtung und Biotechnologie.
Inzwischen gibt es zahlreiche Clusteraktivitäten, die durch die Regierung angestoßen wurden und die im Rahmen von sogenannten Poles Akteure aus Industrie und Wissenschaft zusammenbringen. Sie ist den Exzellenz- und Spitzenclustern der deutschen Regierung sehr ähnlich. Für die Bioökonomie gibt es daher zahlreiche solcher Cluster, allein im Bereich Landwirtschaft sind 11 aktiv. (zur Übersicht: hier klicken) Im Südwesten gibt es hier unter anderem den Exzellenzcluster Agrimip Innovation, das um die 200 Akteure aus Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie unter seinem Dach verbindet. Eng zusammengearbeitet wird mit dem Pôle „Aliment: Sécurité sanitaire et Santé“ (PA3S), der einen Schwerpunkt auf Lebensmittel mit Zusatznutzen („functional food“) setzt. Die F2C-Initiative wiederum verknüpft die landesweit wichtigsten Wettbewerbscluster für die Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie, um die Lebenswirtschaft zu vernetzen. Neben dem Pôle aus Toulouse kamen Vitagora (Dijon) und Valorial (Rennes) hinzu. Zum Thema Bioraffinerien gibt es den Cluster IAR, mit neuen nachhaltigen Materialien beschäftigten sich der Cluster FIBRES und der Cluster Xylofutur. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere zu den Themen Wassernutzung und Umwelttechnologien.
Zusammenarbeit mit Deutschland
Die Verknüpfung der deutschen und französischen Forschungsnetzwerke ist bereits weit vorangeschritten – auch in Bioökonomie-relevanten Bereichen. Bereits Ende der 1990er Jahre starteten im Rahmen der deutsch-französischen Beziehungen gemeinsame Initiativen zwischen den nationalen Förderprogrammen Génoplante in Frankreich und der Genomanalyse im biologischen System Pflanze (GABI) auf deutscher Seite. 2007 folgte das Programm PLANT-KBBE. Im April 2014 unterzeichneten der BMBF-geförderte BioEconomy-Cluster und der nordfranzösische Bioraffinerie-Cluster IAR ein Memorandum of Understanding. Auf europäischer Ebene kamen gemeinsame Projekte über das ERA-NET PlantGenomics hinzu. Die Leibniz Gemeinschaft kooperiert gezielt mit dem INRA, unter anderem um die Agrarforschung im europäischen Rahmen zu stärken.
Weiterführende Informationen
Bioökonomie-relevante Initiativen:
Stratégie nationale de recherche (SNR, 2015)
Les usages non alimentaires de la biomasse (2012)
Programme d‘investissements d’avenir (PIA, 2010)
Öffentliche Forschungsförderung:
Gesetzeslage:
Steuerliche Förderung für F&E-Ausgaben
GV-Anbau verboten