Strategien, Akteure, Förderung
Frankreich zählt international zu den führenden Ländern in den Bereichen Klima-, Umwelt- und Biodiversitätsschutz sowie Kreislaufwirtschaft. Die Förderung der Bioökonomie ist dabei ein zentrales Element, das spätestens mit der Veröffentlichung der Stratégie Nationale Bioéconomie im Jahr 2017 systematisch verfolgt wird. Die überarbeitete Fassung von 2022 stärkt den Fokus auf Kreislaufwirtschaft, Dekarbonisierung industrieller Prozesse und Ernährungssicherheit und etabliert die Bioökonomie als strategischen Baustein des ökologischen und industriellen Wandels. Die Steuerung erfolgt durch das Landwirtschaftsministerium (MASA), das Umweltministerium (MTECT) sowie das Ministerium für Forschung und Innovation (MESR), begleitet durch das Observatoire National de la Bioéconomie, das wissenschaftliche Analysen und Politikempfehlungen bereitstellt.
Ein zentrales Umsetzungsinstrument war der Plan d’action 2018–2020, der erste konkrete Maßnahmen etablierte. Teil dessen waren gezielte Fördermaßnahmen für biobasierte Innovationen, Mechanismen zur sektorübergreifenden Koordination und die Einbindung regionaler Akteure. Besonders im Fokus standen die stoffliche Nutzung von Non-Food-Biomasse, die Entwicklung biobasierter Materialien, Chemikalien und Biokraftstoffe sowie der Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten. Darauf aufbauend wurde 2021 im Rahmen von France Relance die Strategie Produits biosourcés et biotechnologies industrielles – carburants durables vorgestellt. Sie unterstützt mit rund 420 Mio. Euro gezielt die industrielle Entwicklung nachhaltiger Biokraftstoffe, biobasierter Materialien und industrieller Biotechnologien. Zuständig sind die Ministerien für Umwelt und Wirtschaft. Ergänzend wurde 2018 die Stratégie nationale de mobilisation de la biomasse (SNMB) veröffentlicht, die auf Grundlage der Energiegesetzgebung nationale Prioritäten und Mengenziele für die stoffliche und energetische Biomassenutzung formuliert.
Förderpolitisch wird die Umsetzung von der Agentur für ökologische Transformation ADEME getragen, die Programme zur Unterstützung biobasierter Innovationen verantwortet, sowie von der Investitionsbank Bpifrance, die Start-ups und KMU im Bereich Bioökonomie fokussiert. Hinzu kommen Initiativen wie France 2030, die ebenfalls verschiedene Forschungs- und Pilotprojekte und ihre industrielle Skalierung fördern.
Bioökonomie in den Regionen
Diese Ausrichtung ist auch auf der lokalen Ebene zu beobachten. Besonders aktiv ist die Region Hauts-de-France, die 2020 den Master Plan Bioéconomie en Hauts‑de‑France veröffentlichte. Im Fokus stehen pflanzliche Proteine, Biokraftstoffe, biobasierte Materialien sowie die industrielle Nutzung von Biomasse in Kreislaufsystemen. Die Region Grand Est verabschiedete 2021 das Schéma régional biomasse (SRB), welches konkrete Maßnahmen und Mengenziele zur nachhaltigen Nutzung regionaler Biomasse bis 2030 und 2050 definiert. Regionen wie Normandie, Bourgogne-Franche-Comté und Nouvelle-Aquitaine verfolgen ebenfalls eigene Bioökonomieansätze im Rahmen ihrer regionalen Entwicklungs- und Klimapläne.
Frankreich verfügt über eine spezialisierte Wissenschaftslandschaft zur Bioökonomie, die Forschung, Ausbildung und Innovationsförderung eng miteinander verknüpft. Zentrale Akteure sind INRAE (National Research Institute for Agriculture, Food and Environment, das Centre national de la recherche scientifique (CNRS) sowie die technologischen Plattformen des Institut national des sciences et industries du vivant et de l'environnement (AgroParisTech). INRAE etwa zählt zu den führenden Forschungsorganisationen Europas im Bereich der nachhaltigen Nutzung biologischer Ressourcen und betreibt dutzende Forschungseinheiten mit Schwerpunkten von Bioressourcenverwertung über Mikrobiologie bis zur Kreislaufwirtschaft.
Wissenschaftliche Bioökonomiezentren befinden sich in Regionen wie Île-de-France, Grand Est, Hauts-de-France und Nouvelle-Aquitaine. Wichtige akademische Institutionen sind unter anderem die Université de Lorraine (Nancy), die Université de Lille und das Toulouse Biotechnology Institute (INSA Toulouse). Diese bieten spezialisierte Studiengänge und Forschungsprogramme etwa in industrieller Biotechnologie (z. B. Master BioTechEco), Bioverfahrenstechnik, Agrarökonomie oder nachhaltiger Bioressourcennutzung an. Auch die VetAgro Sup in Clermont-Ferrand und die Université de Reims Champagne-Ardenne sind mit Programmen zu grüner Chemie und Bioenergie aktiv.
Darüber hinaus ist Frankreich intensiv in europäische Forschungsnetzwerke eingebunden (z. B. Horizon Europe, BBI JU) und nimmt eine führende Rolle bei der akademisch-technologischen Weiterentwicklung der Bioökonomie ein.
Die Bioökonomie ist ein bedeutender Wirtschaftssektor in Frankreich. Laut dem Landwirtschaftsministerium erwirtschaftete sie bereits 2015 rund 7,5 % des BIP, Tendenz steigend. Zentrale Säulen sind die Land- und Forstwirtschaft, die Lebensmittelverarbeitung, die papier- und holzbasierte Industrie sowie zunehmend die chemische und pharmazeutische Industrie mit biobasierten Materialien, Bioplastik, Biokraftstoffen und industrieller Biotechnologie.
Stark wachsend ist der Bereich industrieller Anwendungen auf Basis von Non-Food-Biomasse. Unternehmen wie Avril (Biokraftstoffe, Pflanzenöle), Roquette (Stärke, Biopolymerlösungen), Tereos (Zucker, Alkohol, Biochemikalien) oder Deinove (mikrobielle Biotechnologien) zählen zu den führenden Akteuren. Die Verbände/Cluster Bioeconomy For Change (B4C), Axelera (grüne Chemie) oder France Biotech bündeln wirtschaftliche Interessen, fördern Innovationsnetzwerke und unterstützen Start-ups sowie den Technologietransfer.
Im Land befinden sich außerdem mehrere Innovationscluster und Demonstrationsanlagen in Regionen wie Grand Est oder Hauts-de-France. Frankreich verfolgt insgesamt eine technologieoffene Innovationspolitik, die auf industrielle Skalierung, Ökodesign, Nachhaltigkeit und regionale Wertschöpfung abzielt.
Autorin: Kristin Kambach