Australien

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Australien besitzt eine technisch fortschrittliche Agrarindustrie und ist auch in der industriellen Biotechnologie stark aufgestellt. Während es bisher keine nationale Bioökonomie-Strategie gibt, verfolgen einzelne Bundesstaaten verstärkt bioökonomische Initiativen. So etwa der Bundesstaat Queensland, mit dem die deutsche Bundesregierung eine Kooperationsvereinbarung in der Bioökonomie-Forschung geschlossen hat

Rechtliche und politische Grundlagen

Australien verfügt zwar noch nicht über eine eigene Bioökonomie-Strategie, aber viele Themenfelder der Bioökonomie wie Biotechnologie, Bioenergie, Kreislaufwirtschaft und Blue Economy sind auf nationaler Ebene von großer Bedeutung.

So haben viele Aktivitäten mit Relevanz für die Bioökonomie ihren Ursprung in der Förderung der Biotechnologie. Eine erste nationale Biotechnologie-Strategie stammt aus dem Jahr 2000. Nachfolgend erschien die „Industrial Biotechnology Strategy“ im Jahr 2008. Der nationale Biotech-Verband AusBiotech veröffentlichte im selben Jahr gemeinsam mit dem australischen Landwirtschaftsministerium die Strategie „Biotechnology and Australian Agriculture: Toward the Development of a Vision and Strategy for the Application of Biotechnology to Australian Agriculture“. Die 2018 veröffentlichte Strategie „Biotechnology and Australian Agriculture“ zeigt Möglichkeiten für biotechnologische Anwendungen im Agrar- und Ernährungssystem auf.

Australiens nationale Wissenschaftsbehörde CSIRO (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation) veröffentlichte im Jahr 2021 die National Synthetic Biology Roadmap. Das Strategiepapier gibt einen Überblick über das Potenzial der Synthetischen Biologie, also der gezielten Erzeugung biologischer Systeme mit neuen Eigenschaften für die industrielle Produktion. Bis 2040 könnte dieses Technologiefeld demnach einen Jahresumsatz von bis zu 30 Mrd. AUD (20,1 Mrd. Euro) erzielen. Die Roadmap hat zum Ziel, ein nationales Ökosystem für die Synthetische Biologie in Australien aufzubauen und kosteneffiziente inländische Produktionskapazitäten in den Bereichen Lebensmittel, Landwirtschaft, Gesundheit und Medizin zu schaffen. Die Regierung hat mittlerweile bereits zweistellige Millionenbeträge investiert.

Im Jahr 2022 veröffentlichte das australische Gesundheitsministerium das Strategiedokument Biotechnology in Australia – a strategic plan for health and medicine. Der Plan zeigt diverse Maßnahmen auf, mit denen die australische Regierung weiterhin alle Bereiche der Forschungs- und Entwicklungspipeline unterstützen will – zum Beispiel durch Anreize für den Ausbau von Forschungs-, Entwicklungskapazitäten und -fähigkeiten. Einer der Hauptvorteile für Biotech-Unternehmen in Australien sind Steuervergünstigungen für F&E-Aktivitäten. Außerdem gibt es Kapitalquellen für Unternehmen wie den Medical Research Future Fund und den Biomedical Translation Fund. Im Rahmen des Pakets zur Kommerzialisierung der Hochschulforschung
werden über einen Zeitraum von 11 Jahren mehr als 2,2 Mrd. AUD (1,4 Mrd. Euro) von der Regierung für verschiedene Initiativen bereitgestellt, darunter Anreize für Forschung für die Kommerzialisierung von relevanten Ergebnissen und Partnerschaften zwischen Hochschulen und Unternehmen.

Im Jahr 2011 veröffentlichte die staatliche Rural Industries Research and Development Corporation eine nationale Innovationsstrategie zur Förderung der Entwicklung des Bioenergie-Sektors (Opportunities for Primary Industries in the Bioenergy Sector: National RD&E Strategy 2011). Die Strategie konzentriert sich weitgehend auf den Aufbau von Wertschöpfungsketten – von der Bereitstellung nachhaltiger Biomasse-Rohstoffe bis hin zu geeigneten (Nah-)Konversionspfaden für Bioenergie. Zur weiteren Ausrichtung und Umsetzung dieser Innovationsstrategie wurde 2014 ein gleichnamiger Arbeitsplan erstellt. Im Jahr 2021 veröffentlichten ENEA Australia und Deloitte Financial Advisory im Auftrag der australischen Behörde für erneuerbare Energien (ARENA) eine Bioenergy Roadmap. Darin wird eine Vision für eine nachhaltige Bioenergiebranche dargelegt. Bis zum Beginn des nächsten Jahrzehnts soll der australische Bioenergiesektor zu einem zusätzlichen Bruttoinlandsprodukt von rund 10 Mrd. AUD (6,7 Mrd. Euro) pro Jahr und 26.200 neuen Arbeitsplätzen beitragen, die Treibhausgasemissionen um rund 9 % senken, weitere 6 % der Abfälle von Deponien fernhalten und die Brennstoffsicherheit erhöhen.

Weitere Bioökonomie-relevante politische Maßnahmen auf Bundesebene sind die National Waste Policy (NWP) und der dazugehörige Aktionsplan 2019 (NWPAP). Sie waren die ersten Dokumente, die das Ziel einer Kreislaufwirtschaft auf nationaler Ebene festlegten. Während NWP und NWPAP Strategien für organische Siedlungsabfälle (zum Beispiel Lebensmittel- und Grünabfälle) enthalten, werden landwirtschaftliche Abfälle nicht erwähnt. Ende 2022 haben die Umweltminister des Bundes und der Bundesstaaten die Entscheidung getroffen, dass Australien bis 2030 in eine Kreislaufwirtschaft übergehen soll. Dazu sollen vor allem regulatorische sowie kommerzielle Hindernisse aus dem Weg geräumt und Best-Practice-Initiativen sowie Forschung, Entwicklung und Innovationen im Bereich der Kreislaufwirtschaft gefördert werden. Die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor wird dabei besonders forciert. Gleichzeitig haben die Regierungen aller australischen Bundesstaaten und Territorien eine Kreislaufwirtschaftsstrategie entwickelt, die einen Fahrplan zur Unterstützung des Übergangs enthalten.

Im September 2020 stellte die australische Regierung eine nationale Agenda für landwirtschaftliche Innovation vor, die fünf Säulen für die Reform des australischen landwirtschaftlichen Innovationssystems festlegte: die Stärkung des Innovationsökosystems, verbesserte Finanzierung und Investitionen für Innovationen, Verankerung von Innovationspraktiken durch mehr Transparenz und Unternehmertum, die
Stärkung der Regionen und die Schaffung einer Next-Generation-Innovationsplattform. Mit der Agenda verfolgt die Regierung das Ziel, Australien als einen zuverlässigen Exporteur von hochwertigen Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Produkten zu etablieren und die Klimaresilienz des Landwirtschaftssektors zu stärken.

Im Jahr 2015 wurde der National Marine Science Plan 2015–2025 vom National Marine Science Committee veröffentlicht. Hierin werden Maßnahmen definiert, wie Australien die Entwicklung einer Blue Economy vorantreiben kann. Aspekte wie den Schutz von Biodiversität, Nahrung- und Energiesicherung, nachhaltige Küstenentwicklung sowie marine Sicherheit werden hier unter anderem thematisiert.

Regionale Aktivitäten zur Bioökonomie

Abgesehen von nationalen Bemühungen ist die Entwicklung der Bioökonomie in Australien sehr stark von regionalen Ansätzen geprägt. Einige Bundesstaaten und Territorien wie haben bereits Bioökonomiepolitiken oder -strategien, die sich entweder auf das Klima oder auf die Förderung biobasierter Produkte und biotechnologischer Anwendungen konzentrieren.

Süd-Australien verabschiedete bereits 2011 eine Bioökonomie-Strategie mit dem Titel „Building a Bioeconomy in South Australia 2011 – 2015“. Diese zielte darauf ab, die lokale Expertise in den Biowissenschaften zu nutzen, um neue Märkte zu erschließen und den Export innovativer biowissenschaftlicher Produkte und Dienstleistungen aus der Region zu steigern. Der Biowissenschaftssektor wurde als Schlüssel zur Förderung von Innovationen in verschiedenen Schlüsselsektoren der Region, wie medizinische Diagnostik, Weinbau, Landwirtschaft und erneuerbare Energien, angesehen.

Die Regierung in Westaustralien nennt als eine der Maßnahmen ihrer Klimastrategie von 2020 die Entwicklung einer dezidierten Bioökonomie-Strategie, um das Wachstum der Bioenergie- und Biotechnologieindustrie im Bundesstaat zu fördern.

Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern verabschiedete die Regierung des Staates Victoria 2011 den „Victoria's Technology Plan for the Future – Biotechnology“. Ausgestattet mit mehr als 55 Mio. AUD, unterstützt er Initiativen unter anderem in Industrieller und Agro-Biotechnologie.

Im Jahr 2016 wurde vom Bundesstaat Queensland die mit 1 Mrd. AUD (670 Mio. Euro) dotierte Queensland Biofutures 10-Year-Roadmap and Action Plan auf den Weg gebracht. Sie ist Teil der regionalen Initiative „Advance Queensland“, die das Department of State Development, Manufacturing, Infrastructure and Planning mit der Entwicklung von Roadmaps für aufstrebende und vielversprechende Branchen wie Advanced Manufacturing, Biomedizin/Life Science und die Bioindustrie beauftragte. Die Roadmap und der beigelegte Aktionsplan formulieren eine übergeordnete Vision für die „Biofutures“-Industrie des Landes im Jahr 2026.

Sie beschreiben, wie Wettbewerbsvorteile genutzt und Wachstumschancen realisiert werden sollen, aber auch wie Herausforderungen bei der Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Sektors für industrielle Biotechnologie und Bioprodukte in Queensland bewältigt werden können. Dazu zielt das Dokument insbesondere darauf ab, den Wissens- und Technologietransfer durch die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmern und Forschenden aus Universitäten und öffentlichen Einrichtungen zu unterstützen. Queensland ist ein großer australischer Bundesstaat mit einer technisch fortschrittlichen Agrarindustrie und einer starken Biotechnologie. Der Begriff „Biofutures“ bezieht sich auf den industriellen Biotechnologie-Sektor, der Biochemikalien, Biokraftstoffe und Biokunststoffe erzeugt (mehr dazu in diesem Interview).

Im Juni 2022 wurde eine Neuauflage der Roadmap veröffentlicht. Sie ist Teil des 3,34 Mrd. AUD (2,24 Mrd. Euro) schweren Queensland Jobs Fund und bekräftigt das weitere Engagement der Regierung von Queensland für das Wachstum der Biofutures-Industrie. Besonders der lokale Biokraftstoffmarkt soll durch die Zusammenarbeit mit Schlüsselsektoren wie Luftfahrt, Bauwesen, Schifffahrt und Transport gefördert werden. Mit der Roadmap reagiert die Regierung Queenslands auch auf die Lieferkettenengpässe, während der weltweiten COVID-19-Pandemie und fokussiert dazu die Schaffung eines attraktiven Umfelds für die heimische Industrie, die Unterstützung spezifischer Initiativen zur Entwicklung dieser Industrie sowie die Förderung von Investitionsmöglichkeiten in Queensland.

Queensland sucht auch aktiv nach internationalen Kooperationsmöglichkeiten. So wollen Deutschland und der australische Bundesstaat gemeinsame Forschung für eine nachhaltige Bioökonomie betreiben. Das vereinbarten Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Cameron Dick, Minister für Handel und Investitionen des australischen Bundesstaates Queensland, 2022 in einer gemeinsamen Absichtserklärung. Ziel ist es nun, Bioökonomie-Projekte im Rahmen der Förderaktivität „Bioeconomy International“ weiterzuentwickeln. Erste Projekte sind bereits gestartet.

Mehr Informationen zu internationalen Kooperationen mit Queensland

Interview mit Ian O’Hara: „Queensland setzt auf die Biofutures-Industrie“
News: Bioökonomie International: Allianzen mit australischen Partnern schmieden
News: Bioökonomie-Forschungsallianz mit Australien

BMBF-Broschüre: Bioökonomie International

 

Unternehmenslandschaft

Lösungen für eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft

Rund 55 % der Landesfläche Australiens werden aktiv landwirtschaftlich genutzt. Der Pflanzenbau – etwa Getreide oder Dauerkulturen wie Wein – konzentriert sich entlang der Küstenzonen. Der Großteil der Wertschöpfung (ca. 44 %) stammt aus der Viehhaltung, wobei insbesondere die Rinderhaltung für die Fleisch- und Milchproduktion von Bedeutung ist. Im Getreideanbau (ca. 31 % der Wertschöpfung) ist Weizen das Hauptprodukt. Rund 72 % der australischen land-, fischerei- und forstwirtschaftlichen Produkte werden exportiert.

Nach Angaben der Regierungsbehörde ABARES ist der Bruttowert der land-, fischerei- und forstwirtschaftlichen Produktion ist in den letzten 20 Jahren real um 51 % gestiegen, von rund 62,2 Mrd. USD (44,2 Mrd. Euro) im Wirtschaftsjahr 2003/04 auf 94,3 Mrd. USD (67,2 Mrd. Euro) im Wirtschaftsjahr 2022/23. Die Gründe für das Wachstum sind je nach Sektor unterschiedlich. Im Ackerbau steigerten die Produzenten ihre Produktivität durch die Einführung neuer Technologien und Bewirtschaftungsmethoden. In der Viehzucht zählten höhere Preise zu den Haupttreibern für das Wachstum. Diese sind auf die steigende Nachfrage nach Eiweiß in den Schwellenländern und andere Faktoren wie die Dürre in den Vereinigten Staaten und dem Ausbruch von Krankheiten wie der Afrikanischen Schweinepest in Fleisch importierenden Ländern zurückzuführen.

In der von der australischen Handels- und Investitionsbehörde (Austrade) geförderten Initiative Agriculture 4.0 entwickeln Forschende innovative Lösungen für die Agrarwirtschaft in den Bereichen Robotik, Fernerkundung und maschinelles Lernen. Zudem entwickeln werden disruptive Ansätze für globale Lebensmittelversorgungsketten, neue Anbaumethoden und Innovationen in der Lebensmittelverarbeitung erforscht. Smart-Farming-Lösungen spielen in der australischen Landwirtschaft insgesamt eine große Rolle – nicht nur, um die landwirtschaftliche Produktion zu steigern, sondern auch, um wichtige Beiträge zur Abmilderung von Klimafolgen zu leisten. Dazu gehört neben Frühwarnsystemen für Wetterereignisse beispielsweise auch die Echtzeitüberwachung von Viehherden auf den oft mehrere hunderttausend Hektar großen Rinderfarmen. Dies kann wichtige Informationen liefern, um beispielsweise den Viehbesatz an die lokale Weidequalität anzupassen.

Zu den Schwerpunkten im Bereich der landwirtschaftlichen Biotechnologie gehören die Pflanzen- und Tierzucht, einschließlich Genetik, Bodenmikrobiom, Zucht und Tiergesundheit, die es den Landwirten ermöglichen, ihre Produktivität und Nachhaltigkeit zu maximieren.

Die australischen Verbraucherinnen und Verbraucher sind zunehmend gesundheitsbewusst und besorgt über die Umweltauswirkungen von industriell hergestellten Produkten und Fleisch. Es besteht ein Interesse daran, den Kohlenstoff-Fußabdruck der Viehwirtschaft zu reduzieren. Australische Konsumentinnen und Konsumenten konzentrieren sich daher zunehmend auf eine gesündere Ernährung, die auch Alternativen zu Fleischeiweiß umfasst. Daten von Food Frontier zeigen, dass Australien im Jahr 2020 der drittgrößte Wachstumsmarkt für pflanzliche Lebensmittel mit einem Umsatz von 185 Mio. AUD (132 Mio. Euro) war.

Im Jahr 2023 organisierte das Australian Industrial Ecology Network (AIEN) die erste Australian Bioeconomy Conference. Die zweitägige Konferenz, die 2024 erneut stattfindet, bietet politischen Entscheidungsträgern, führenden Vertretern aus Industrie und Wirtschaft die Möglichkeit, sich zu Themen der australischen Bioökonomie zu vernetzen.

Bioenergie mit schwerem Stand, neue Rohstoffquellen im Fokus

Im australischen Energiemix dominieren nach wie vor Öl, Kohle und Gas. Nach Regierungsangaben lag der Anteil der erneuerbaren Energien am australischen Energieverbrauch 2021–22 bei 9 %. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Im Jahr 2022 stammten 32 % der gesamten Stromerzeugung Australiens aus erneuerbaren Energiequellen, darunter Solarenergie (14 %), Windkraft (11 %) und Wasserkraft (6 %). Jedoch macht die Verbrennung von Biomasse wie Brennholz und Bagasse immer noch etwa ein Drittel des gesamten Verbrauchs an erneuerbaren Energien in Australien aus.

Biodiesel wird in Australien mehrheitlich aus Schlachtabfällen, Altspeiseölen und Ölsaaten gewonnen. Die Hersteller Australian Renewable Fuels, Biodiesel Industries Australia und EcoFuels Australia betreiben mehrere Anlagen im Land. Neue Rohstoffquellen wie Algen und tropische Pflanzen wie etwa der Meerrettichbaum könnten der Industrie ebenfalls neuen Schwung verleihen. Zu den großen Ethanolherstellern gehören Manildra, CSR Ethanol und Wilmar Bioethanol, die in ihren Bioraffinerien den Alkohol herstellen. Getreidestärke und Rückstände aus der Zuckerohrindustrie dienen als Rohstoffe.

Alternative Flugbenzine haben die nationale Fluggesellschaft Qantas und der britische Anbieter Virgin Airlines im Visier. Queensland hat zudem Oceania Biofuels nach Gladstone geholt, um dort Australiens erste kommerzielle Bioraffinerie für nachhaltigen Flugkraftstoff zu errichten. Die Investition von 500 Mio. AUD (ca. 360 Mio. Euro) gilt als wichtiger Schritt für das Wachstum der aufstrebenden Biokraftstoffindustrie und stärkt die politischen Bemühungen um den Aufbau eines nachhaltigen Biokraftstoff- und Bioenergiesektors in Queensland.

Die Regierung von Queensland hat sich zudem mit dem internationalen Schifffahrts- und Logistikunternehmen ANL zusammengeschlossen, um Australiens ersten Versuch mit Biokraftstoffen in Containern durchzuführen, um Emissionen im Seeverkehrssektor erheblich zu reduzieren. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit der gesamten Lieferkette durchgeführt, wobei ANL mit der Woolworths Group, dem Hafen von Brisbane, BP Marine und dem lokalen Lieferanten EcoTech Biodiesel zusammenarbeitete.

Wachstumsmarkt Biotechnologie

Geringe Wagniskapital-Investitionen, geografische Isolation von Investoren und Lücken entlang des Translations- und Innovationspfads bereiten dem australischen Life-Sciences-Ökosystem schon seit längerem Schwierigkeiten beim Transfer von Forschungsergebnissen in die Anwendung. Das ist insbesondere im Pharmasektor zu spüren: Mehrere große Pharmaunternehmen haben in den vergangenen Jahren ihre Produktionskapazitäten zuletzt abgebaut oder zurückgefahren – darunter Pfizer, Johnson & Johnson, Roche sowie GSK.

Die Biotechnologie-Branche entwickelt sich gegen diesen Trend sehr dynamisch und wird von der Regierung im Rahmen der oben genannten langfristigen nationalen Biotechnologie-Strategie massiv unterstützt. Große Investitionen fließen beispielsweise in die Erforschung und Herstellung von Impfstoffen. Moderna errichtet bis Ende 2024 eine Produktionsstätte in Melbourne für RNA-Impfstoffe und auch BioNTech gab den Aufbau eines mRNA-Forschungs- und Innovationszentrums in Melbourne bekannt.

Das australische Biotech-Ökosystem erwirtschaftete 2021 einen Jahresumsatz von mehr als 8 Mrd. USD (7,3 Mrd. Euro), wobei für den Zeitraum 2021–2026 ein jährliches Wachstum von 3 % prognostiziert wird. Es gibt 540 biotechnologisch aktive Firmen in Australien, die 16.310 Mitarbeiter beschäftigen, wobei die medizinische Biotechnologie mehr als 53 % des Produkt- und Dienstleistungssegments ausmacht. Es wird erwartet, dass Lebensmittel und Landwirtschaft mittelfristig die am schnellsten wachsenden Anwendungen der Biotechnologie sein werden und den größten Teil des Sektors in Bezug auf Produktion und Beschäftigung ausmachen werden.

Es besteht ein wachsendes nationales Interesse an Investitionen in australische Start-ups im Bereich der Synthetischen Biologie, wobei Main Sequence Ventures einer der wichtigsten Geldgeber ist. Main Sequence wurde 2017 von CSIRO gegründet, um das sogenannte Valley of Death zwischen Forschung und Kommerzialisierung zu überwinden.

Das australische Start-up Samsara Eco hat sich auf das biologische Plastikrecycling spezialisiert. Das Unternehmen setzt auf eine enzymbasierte Technologie, um Kunststoff in seine Komponenten zu zerlegen. Nach einer Serie A-Finanzierungsrunde in Höhe von 54 Mio. AUD (49 Mio. Euro) kündigte das Start-up den Bau seine erste kommerzielle Kunststoffrecyclinganlage in Melbourne an. Hier sollen nach eigenen Angaben 20.000 Tonnen Kunststoff recycelt werden. In Zusammenarbeit mit der Activewear-Marke Lululemon hat Samsara Eco im Februar 2024 das weltweit erste enzymatisch recycelte Nylon 6,6-Produkt auf den Markt gebracht.

Das australische Start-up Number 8 Bio, hat einen neuartigen Ansatz zur Verringerung der Methanemissionen aus der Tierhaltung entwickelt. Inspiriert von der Natur nutzt das Unternehmen das natürliche Potenzial von Meeresalgen und kombiniert dieses mit den Vorteilen industriell skalierbarer Hefen.

Unternehmen wie All G Foods, Nourish Ingredients, Loam Bio und Vow sind weitere interessante neue Akteure auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie.

Forschungslandschaft

Relevante Forschungseinrichtungen konzentrieren sich in Australien insbesondere entlang der Ballungszentren an der Ost- und Südwestküste. Als größte und älteste Forschungsorganisation im Land hat die Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) für die anwendungsbezogene Forschung eine herausragende Bedeutung. Am ehesten ist sie mit der Fraunhofer-Gesellschaft vergleichbar. Sie wird von der australischen Regierung jährlich mit rund 1 Mrd. AUD (ca. 630 Mio. Euro) finanziert und beschäftigt mehr als 6.000 Mitarbeitende in 51 Forschungsinstituten. Thematisch ist die CSIRO breit aufgestellt: Landwirtschaft und Ernährung, Meeresforschung, Daten, Energie, Umwelt, Gesundheit und Biosicherheit, industrielle Produktion, Bodenschätze, Raumfahrt und Astronomie.

2023 kündigte CSIRO eine 25 Mio. AUD (16 Mio. Euro) Investition für ein neues Programm an, das bis 2027 eine Advanced Engineering Biology Future Science Platform (AEB FSP) aufbauen soll, um die Entwicklung der Biotechnologie in Australien entscheidend voranzubringen. Das interdisziplinäre Forschungsprogramm bringt Wissenschaft und Industrie zusammen, um Innovationen im Bereich der Ingenieursbiologie zu fördern und Kompetenzen aufzubauen. Die AEB FSP hat sich auf drei Forschungsthemen spezialisiert: datengestütztes Moleküldesign, innovative Bioproduktionsplattformen und interdisziplinäre Entscheidungsfindung.

Sogenannte Biofoundries sind Laborzentren, in denen die automatisierte Synthese und Charakterisierung biologischer Systeme in Hochdurchsatzexperimenten erfolgt. Die CSIRO-BioFoundry im Ecosciences Precinct im Dutton Park ist eine solche hochmoderne Einrichtung. CSIRO und das Australian Institute for Bioengineering and Nanotechnology an der University of Queensland haben zudem die National Biologics Facility (NBF) gegründet, um die Herstellung wertvoller Proteine für Biopharmazeutika in großem Maßstab voranzutreiben. Die anfängliche Finanzierung der Einrichtung erfolgte ab 2006 durch NCRIS und später durch den Education Investment Fund und die Super-Science-Initiative. Später steuerte die Regierung von Victoria 1 Mio. AUD (630.000 Euro) bei, um die von der CSIRO betriebene Proteinproduktionsanlage im Pilotmaßstab einzurichten, die den viktorianischen Knotenpunkt der National Biologics Facility bildet.

Victoria, New South Wales, Queensland und Südaustralien mit starken Forschungszentren

Einer der wichtigsten Forschungsstandorte und Heimat eines großen australischen Clusters ist der wirtschaftlich bedeutende Bundesstaat Victoria. Hier sind viele Universitäten, nationale Einrichtungen und Unternehmen in geografischer Nähe zueinander angesiedelt. Die forschungsstarke Universität von Melbourne ist Heimat des Bio21-Molecular Science and Biotechnology Institute mit Fokus auf medizinische, landwirtschaftliche und ökologische Biotechnologie. Am Melbourne Energy Institute geht es fächerübergreifend unter anderem um Bioenergie.

An Australiens ältester Universität  New South Wales kommt der landwirtschaftlichen Fakultät eine wichtige Rolle für die Bioökonomie zu. Hier geht es um neue Pflanzensorten und eine standortspezifische, nachhaltige Agrarwirtschaft. Am Australian Centre for Field Robotics (ACFR) der Universität werden vollautomatisierte Systeme für Anwendungen in der Landwirtschaft entworfen.

Die University of Technology Sydney (UTS) beheimatet den Deep Green Biotech Hub (DGBH), welcher in New South Wales ansässigen Unternehmen eine Vielzahl von Unterstützungsprogrammen für die Entwicklung algenbasierter Biotechnologielösungen bietet, um nachhaltige Innovationen in den Bereichen Lebens- und Futtermittel, Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetik und Industriechemikalien zu fördern.

Vielfältig ist auch die Forschung in Queensland:

In Brisbane ist die University of Queensland ein wichtiger Standort der Bioökonomie-Forschung. An der Universität ist unter anderem das Institut mit dem Titel „Queensland Alliance for Agriculture and Food Innovation (QAAFI)“ angesiedelt. Stark in der Bioökonomie-Forschung ist zudem das Australian Institute for Bioengineering and Nanotechnology (AIBN).

Das Centre for Agriculture and the Bioeconomy der Queensland University of Technology (QUT) bringt Agrar- und Bioökonomieforschung zusammen, um nachhaltige biobasierte Produkte aus Agrarreststoffen zu entwickeln. Das Zentrum bietet globale Forschungs- und Beratungslösungen in den Bereichen Biotechnologie und Biomasseverarbeitung an und hat sich auf die tropische Landwirtschaft und den Sektor der hochwertigen Bioprodukte spezialisiert. Zu den Forschungsbereichen des Instituts gehören: Agrar- und Lebensmittelsysteme, Bioverfahrenstechnik, Genetik und Molekularbiologie, Lebensmittelinnovationen, nachhaltige Agrarökosysteme und Synthetische Biologie.

Die QUT betreibt auch die Mackay Renewable Biocommodities Pilot Plant. Sie dient der Erforschung und Demonstration der Umwandlung von lignocellulosehaltiger Biomasse wie Zuckerrohrbagasse in Biokraftstoffe. Die Pilotanlage verfügt über eine hochmoderne Ausrüstung zur Verarbeitung einer breiten Palette von Rohstoffen und ist strategisch günstig auf dem Gelände der Mackay Sugar Ltd Racecourse Mill gelegen. Ziel ist es, die Verbreitung von Technologien für erneuerbare Bioprodukte in Australien durch die Entwicklung innovativer, kommerziell nutzbarer Produkte zu fördern.

Teil der QUT-Pilotanlage ist auch die von Mercurius Australia betriebene Bioraffinerie-Anlage. Sie nutzt Abfälle aus der Zuckerrohrernte und wandelt diese Bagasse in erneuerbaren Diesel und nachhaltigen Flugkraftstoff um. Die Anlage befindet sich in der Pilotanlage für erneuerbare Biotreibstoffe der Technischen Universität von Queensland. Mercurius arbeitet mit der QUT zusammen, um die Funktionsfähigkeit neuer Technologien im Pilotmaßstab zu demonstrieren und kommerzielle Möglichkeiten zu ermitteln.

Das 1972 gegründete Australian Institute of Marine Science (AIMS) ist in Cape Ferguson, ca. 50 km östlich von Townsville im Bundesstaat Queensland angesiedelt und hat die nachhaltige Nutzung und den Schutz des Meeres mit dem Schwerpunkt tropische Meeresforschung zu ihrem Aufgabenschwerpunkt gemacht.

Seit seiner Gründung im Jahr 2007 erforscht das Centre for Marine Bioproducts Development (CMBD) der Flinders University in Adelaide nachhaltige Verarbeitungs- und Vermarktungsmethoden für südaustralische Mikroalgen, Meeresschwämme, Fische, Langusten, Seegurken und Seetang. Ziel ist es, diese marinen Bioressourcen in hochwertige Produkte für die menschliche Ernährung, Pharmazeutika und medizinische Materialien umzuwandeln. Das CMBD entwickelt nachhaltige Technologien für bestehende Industrien und erforscht gleichzeitig fortschrittliche Prozesstechnologien und Produkte für neue Industrien. Auch die University of Adelaide ist Standort der Bioökonomie-Forschung.

Daneben betreiben einige Ministerien Forschungseinrichtungen, die der deutschen Ressortforschung entsprechen. Das Australian Bureau of Agriculture and Resource Economics and Sciences (ABARES) ist beispielsweise die wissenschaftliche und wirtschaftliche Forschungsabteilung des Ministeriums für Landwirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft (DAFF). Dem DAFF zugehörig ist das Plant Innovation Centre, ein anerkanntes F&E-Zentrum, das sich auf die Erforschung innovativer Lösungen im Bereich Biosicherheit spezialisiert hat.

Das Australian Institute of Marine Science (AIMS) ist der verlängerte Wissenschaftsarm des Ministeriums für Klimawandel, Energie, Umwelt und Wasser (DCCEEW) und spezialisiert auf die Erforschung der nachhaltigen Nutzung der Ozeane.

ARC bedeutendster Förderer

Fördermittel stehen Wissenschaftlern aus Forschung und Industrie aus unterschiedlichen Quellen sowohl auf nationaler als auch bundesstaatlicher und kommunaler Ebene zur Verfügung. Die Mittelvergabe erfolgt in der Regel seitens der zuständigen Ministerien direkt an die individuellen Forschungseinrichtungen oder Forschergruppen. Wichtigster Förderer von Forschung und Entwicklung an den Hochschulen ist der Australian Research Council (ARC). Er vergibt jährlich über alle Disziplinen hinweg, mit Ausnahme der medizinischen, um die 900 Mio. AUD (570 Mio. Euro) im Bereich der Grundlagen- und angewandten Forschung.

Die ARC Centres of Excellence forschen in vielen Bereichen der Bioökonomie, beispielsweise in der Pflanzenforschung oder der klimaneutralen grünen Chemie. An den Centres of Excellence sind auch internationale Partner beteiligt, aus Deutschland etwa das Forschungszentrum Jülich oder das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Das ARC Centre of Excellence in Synthetic Biology bringt neun australische Universitäten mit Start-ups, Regierungsbehörden, Industrieverbänden und internationalen Forschungseinrichtungen zusammen, um nachhaltige Lösungen für Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion sowie für die Chemieindustrie und die Gesundheitsversorgung zu finden.

Gleichzeitig fördert die australische Regierung insgesamt sechs Industry Growth Centers – eines im Bereich Lebensmittel und Agrarwirtschaft. Bisher hat das Centre 77 industrie-geleitete Kooperationsprojekte kofinanziert. Die Regierungsagentur Australian Renewable Energy Agency (ARENA) stellt Mittel für Projekte im Bereich erneuerbarer Energien etwa für die Kommerzialisierung von Bioenergieprojekten zur Verfügung.

Recherche und Text: Christin Boldt; Redaktion: Philipp Graf