Die Kreuzung zweier Maislinien, die über Generationen hinweg durch Inzucht kleinwüchsig und ertragsarm wurden, bringt manchmal äußerst starke, ergiebige und gesunde Nachkommen hervor. „Wie dieser sogenannte Heterosis-Effekt funktioniert, kann bis heute niemand erklären“, erläutert Albrecht Melchinger vom Fachbereich Angewandte Genetik und Pflanzenzüchtung der Universität Hohenheim die rätselhafte Eigenschaft. Gleichwohl ist der Effekt bereits wichtiger Faktor für die Züchtung von Hochertragssorten geworden.
Verbundprojekt für die Mais-Züchtung
Bereits seit sechs Jahren versuchen die Forscher im Rahmen des Verbundprojekts GABI-ENERGY, den molekularen Ursachen des Heterosis-Effekts und seiner Rolle bei der Biomasseproduktion auf die Spur zu kommen. Bis Ende 2012 hat das BMBF dafür insgesamt rund 2,7 Millionen Euro investiert. Nun wird das Projekt und die Förderung fortgeführt, unter dem Namen OPTIMAL („Genetic and Biomarker-based Predictive Breeding of Maize Cultivars“). Pflanzenforscher des Leibniz-Instituts in Gatersleben und des MPI für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm sind ebenfalls daran beteiligt. Züchtungsfirmen aus Frankreich und Deutschland liefern die praktische Anwendung der Untersuchungsansätze und deren Auswertung. Das OPTIMAL-Projekt wird über drei Jahre vom BMBF mit weiteren 2,6 Millionen Euro unterstützt.
Für die Nahrungversorgung ist Hybridmais von enormer Wichtigkeit. Die Landwirtschaft hat dem Heterosis-Effekt dabei einiges zu verdanken – ohne ihn wäre die Züchtung neuer Hybride undenkbar. Nicht zuletzt, da es sich um eine zweigeschlechtliche Pflanze handelt, sind die Kombinationsmöglichkeiten bei der Kreuzung nahezu unbegrenzt. Mit statistischen Vorhersagen wollen die Genetiker diese Möglichkeiten auf ein sinnvolles Maß eingrenzen. Sie bedienen sich dabei auffälliger und eindeutig identifizierbarer Orte im Erbgut der Elternpflanzen. Da man diese sogenannten Marker nachverfolgen kann, lassen sich über die Vererbung bestimmter Gene immer genauere Vorhersagen treffen, wenn man die DNA der Elternpflanzen genau kennt. In der Genomforschung werden immer mehr dieser genetischen Marker identifiziert. Allerdings steuern so viele Gene den Heterosis-Effekt, dass es für Forscher sehr schwierig ist, hier Klarheit zu verschaffen.
Die Stoffwechselprodukte messen
Der Hohenheimer Forscher Melchinger konzentriert sich dabei auf die genetischen Informationen, die den Stoffwechsel der Maispflanze regulieren. Dieser wiederum lässt sich in hunderte einzelne Faktoren unterteilen, die Metabolite genannt werden: verschiedene Zucker, Aminosäuren und organische Säuren. Christian Riedelsheimer, Doktorand der Arbeitsgruppe, erwartet, dass sich beispielsweise die Zuckerkonzentration in den Blättern der Nachkommen nachweisbar erhöhen müsste, sofern sich der Heterosis-Effekt auch auf Ebene des Metabolismus der Pflanzen abspielt. Dieser Ansatz mache des Rätsels Lösung greifbarer, hoffen die Forscher, weil auf der Stoffwechselebene weitaus weniger Gene am Heterosis-Effekt beteiligt sind. „Wenn das so ist, lassen sich Rückschlüsse ziehen, die den Heterosis-Effekt der gesamten Maispflanze verständlicher machen“, erklärt Riedelsheimer.
Die Datenmengen, die durch genetische Analysen entstehen, können mit statistischen Verfahren ausgewertet und bestimmte Szenarien im Vorfeld modelliert werden. „Wir müssen heute nicht mehr alles auf Versuchsfeldern anpflanzen, um zu sehen, ob die Nachkommenschaft die gewünschten Eigenschaften besitzt. Wir können am Schreibtisch eine statistische Vorauswahl treffen“, so Melchinger. So könne die Züchtung einer neuen Maishybrid-Sorte künftig wohlmöglich von fünf Jahren auf nur drei verkürzt werden.