Bioökonomie und die UN-Nachhaltigkeitsziele

11 SDGs und Bioökonomie

Text: Björn Lohmann, Philipp Graf

Wirtschaften auf der Basis biologischer Ressourcen ist ein wichtiges Instrument, um die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN) – die Sustainable Development Goals (SDGs) – zu erreichen. Entsprechend der Nationalen Bioökonomiestrategie der Bundesregierung kann biobasiertes Wirtschaften insbesondere zur Erreichung von elf der 17 SDGs beitragen. Sie werden in diesem Dossier näher vorgestellt.

1) Was bedeutet Nachhaltigkeit?

Das Prinzip der Nachhaltigkeit, nach dem nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann, wird in der Forstwirtschaft bereits seit langer Zeit angewandt. Mit dieser Forderung legte Hans Carl von Carlowitz schon 1713 den Grundstein für eine nachhaltige Forstwirtschaft.

Die Grundlage für den heute verwendeten, deutlich umfassenderen Begriff der nachhaltigen Entwicklung als politisches Leitprinzip wurde im Rahmen des Berichts der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED) aus dem Jahr 1987 unter Vorsitz der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland geschaffen. Daher ist die WCED auch unter dem Namen Brundtland-Kommission bekannt. Zwei Formulierungen der Kommission sind zentral:

„Übergreifendes Ziel und Maßstab allen Handelns ist es, die natürlichen Lebensgrundlagen der Erde dauerhaft zu sichern und allen Menschen jetzt und in Zukunft ein Leben in Würde zu ermöglichen.“

„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“
Brundtland-Kommission, 1987

Unter Nachhaltigkeit versteht man daher eine dauerhaft zukunftsfähige Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension der menschlichen Existenz. Das Zieldreieck der Nachhaltigkeit besteht dabei aus den Größen Umwelt, Wirtschaft und Soziales, wobei die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen in globaler Perspektive wie auch ein Leben in Würde für alle eine Maxime darstellt. Damit ist Nachhaltigkeit zugleich ein Gerechtigkeitsprinzip – innerhalb von Gesellschaften, zwischen Generationen und im Verhältnis von Nationen.

Nachhaltigkeitsdreieck - DNS
Das Zieldreieck der Nachhaltigkeit bewegt sich in den absoluten Grenzen.

Im Jahr 1992 verständigte sich die internationale Staatengemeinschaft in Rio de Janeiro auf der UN-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung auf das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung. In der Rio-Deklaration wird die gemeinsame Verantwortung formuliert, die Ressourcen der Erde künftig so zu nutzen, dass alle Länder der Erde gerechte Entwicklungschancen erhalten, ohne dass dadurch die Entfaltungschancen zukünftiger Generationen geschmälert werden.

Die Ernährung einer stark wachsenden Weltbevölkerung, der Klimawandel, der Rückgang der Biodiversität, eine noch häufig zu ressourcenintensive Wirtschaftsweise: Als Antwort auf die zunehmend komplexer werdenden globalen Herausforderungen unserer Zeit haben die UN im Jahr 2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Mit der Agenda 2030 hat die internationale Staatengemeinschaft 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) mit 169 Unterzielen festgelegt. Alle Staaten sind aufgerufen, die universellen Maßgaben der Agenda 2030 in den nächsten zehn Jahren umzusetzen; rechtlich verbindlich ist dies jedoch nicht.

Die UN-Nachhaltigkeitsziele streben eine wirtschaftlich leistungsfähige, sozial gerechte und ökologisch verträgliche Entwicklung an. Die absoluten äußeren Grenzen (siehe Abbildung) sind die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Orientierung an einem Leben in Würde für alle. Wichtiges Prinzip für die Betrachtung der Nachhaltigkeit sind die 2009 als Konzept erstmals etablierten planetaren Grenzen. Diese definieren einen „sicheren Handlungsspielraum“, durch den die Stabilität der Ökosysteme und die Lebensgrundlagen der Menschheit nicht gefährdet werde.

Video: UN-Nachhaltigkeitsziele und Bioökonomie

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2) Nachhaltige Bioökonomie auf der Politik-Agenda

Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung hat sich auch in der europäischen und der deutschen Politik etabliert. Im Jahr 2002 beschloss Deutschland seine erste Nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Damit machte die Bundesregierung Nachhaltigkeit zum Leitprinzip ihres Regierungshandelns. Die 2017 verabschiedete Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) baut auf ihren Vorgängerstrategien auf und dient der nationalen Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer 17 Nachhaltigkeitsziele. Im März 2021 hat die Bundesregierung eine umfassende Weiterentwicklung der DNS verabschiedet und setzt damit den zentralen Rahmen zur Umsetzung der Agenda 2030 in, durch und mit Deutschland.

In der DNS verpflichtet sich die Bundesregierung, zu einer raschen und ambitionierten Umsetzung der SDGs beizutragen, die planetaren Grenzen anzuerkennen und dazu den eigenen Wohlstand nicht auf Kosten der ärmsten Länder zu erzielen. Den Weg bereiten soll nicht allein technischer Fortschritt, sondern eine weitreichende Transformation der Art, wie wir leben, verbunden mit einem kulturellen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit. Gemessen wird der Erfolg mithilfe von inzwischen 66 Indikatoren.

Gremien und Rahmenprogramme zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS)

Weiterhin kommt dem bereits 2001 etablierten Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE) eine wichtige Funktion zu. Zu seinen Kernaufgaben zählt es, Beiträge für die Umsetzung der DNS zu entwickeln, konkrete Handlungsfelder und Projekte zu benennen sowie Nachhaltigkeit zu einem wichtigen öffentlichen Anliegen zu machen. Ein weiteres Gremium ist der 2004 gegründete Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung des Deutschen Bundestages.

Als übergreifende nationale Innovationsstrategie definiert die Hightech-Strategie (HTS) 2025 der Bundesregierung ein eigenes Handlungsfeld und verschiedene Missionen zum Thema Nachhaltigkeit. Die im Jahr 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) veröffentlichte Forschung für Nachhaltigkeit (FONA) neue Strategie ist ebenfalls stark an den 17 SDGs ausgerichtet.

 

Nachhaltigkeitspolitik und Bioökonomie Zeitstrahl
Nachhaltigkeitspolitik und Bioökonomie: Wichtige Meilensteine seit 2015

Im Jahr 2018 stellte die EU ihre neue Bioökonomiestrategie vor. Ein Jahr darauf brachte die EU-Kommission mit dem European Green Deal ein transformatives Politikvorhaben auf den Weg, durch das Europa bis 2050 der erste treibhausgasneutrale und nachhaltige Kontinent werden soll. Wichtige Ziele des Green Deals sind eine nachhaltig ausgerichtete Landwirtschaft und nachhaltige Ernährungssysteme, Klimaschutz, saubere Energie, Industrie und Kreislaufwirtschaft.

Der Nachhaltigkeitsgedanke ist in der deutschen Bioökonomie-Politik fest verankert. Die Bioökonomie und mit ihr der Wandel von einer von fossilen Rohstoffen geprägten zu einer biobasierten, nachhaltigen Form des Wirtschaftens, ist eine wichtige Zukunftsstrategie zur Bewältigung globaler Herausforderungen. Bereits in der 2010 veröffentlichten Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 und der Nationalen Politikstrategie Bioökonomie wird die Bedeutung einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsform betont. Die Nationale Bioökonomiestrategie wurde im Januar 2020 veröffentlicht. Sie ist darauf ausgerichtet, konkrete Beiträge zur Umsetzung der SDGs zu leisten.

Video: Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Bioökonomie - von der Politik zur Praxis

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3) Nationale Bioökonomiestrategie und die UN-Nachhaltigkeitsziele

Die Nationale Bioökonomiestrategie formuliert als erstes ihrer sechs Ziele, bioökonomische Lösungen für die Agenda 2030 zu entwickeln. Unter den UN-Nachhaltigkeitszielen hat die Bundesregierung elf Sustainable Development Goals (SDGs) identifiziert, zu deren Erreichung die Bioökonomie unmittelbar beitragen kann. An diesen SDGs soll die Ausgestaltung der Bioökonomie ausgerichtet werden.

UN-Nachhaltigkeitsziele mit Relevanz für die Bioökonomie
Die Nationale Bioökonomiestrategie hebt elf SDGs mit Relevanz für die Bioökonomie hervor.

Im Folgenden werden in der Nationalen Bioökonomiestrategie zu Ziel eins drei große Unterziele näher beleuchtet:

  •     Ernährung für eine wachsende Weltbevölkerung sichern;
  •     durch klimaneutrale Produktion die globale Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen;
  •     Biodiversität schützen, erhalten und nutzen.

In den folgenden Kapiteln dieses Dossiers werden die Beiträge der Bioökonomie zu den SDGs anhand wichtiger Herausforderungen und Kernziele vorgestellt. Vielfach überlappen sich die verschiedenen SDGs. Besonders beleuchtet werden im Folgenden die Chancen und Potenziale durch Forschung und Innovation in der Bioökonomie.

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4) Ernährung für eine wachsende Weltbevölkerung sichern

Die Herausforderung:

Durch Klimawandel, knapper werdende Anbauflächen und die stetig steigende Weltbevölkerung wird die weltweite Nahrungsmittelversorgung in ausreichender Qualität und Quantität zu einer immer größeren Herausforderung. Urbanisierung, geopolitische Instabilitäten und der Rückgang der Biodiversität verschärfen die Situation zusätzlich.

SDG 2 Kein Hunger Icon

SDG 2

Im Mittelpunkt von SDG 2 stehen die Ziele: Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern. Eine nachhaltige, resiliente und zugleich innovative und produktive Landwirtschaft ist einer der Schlüssel für die globale Ernährungssicherung.

Beispielhafte Beiträge aus der Bioökonomie:

Die Produktion von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen ist eine tragende Säule der Bioökonomie. Im Kontext der globalen Herausforderungen bedarf es eines ganzheitlichen Blicks auf die komplexen Zusammenhänge zwischen der Art und Weise wie wir Agrarrohstoffe produzieren, zu Lebensmitteln verarbeiten, diese dann transportieren und konsumieren beziehungsweise weiternutzen oder entsorgen. Deshalb spricht man von Agrar- und Ernährungssystemen.

Mithilfe von bioökonomischen Innovationen wird eine nachhaltige Landwirtschaft angestrebt, die auf moderner Pflanzenzüchtung und neuen Anbauverfahren und -technologien basiert und dabei alle relevanten abiotischen und biotischen Faktoren berücksichtigt. Hinzu kommt eine Ernährung, die nicht nur aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Sicht nachhaltig, sondern darüber hinaus gesund und ausgewogen ist.

Die globale Ernährungssicherung hat in der Bioökonomie Priorität. Biologisches Wissen und innovative Technologien können auf dem Weg zu einer nachhaltigen und ressourceneffizienten Landwirtschaft einen entscheidenden Beitrag leisten. Die von Pflanzen erzeugte Biomasse ist die bedeutendste Ressource für die Nahrungsmittelproduktion. Dank moderner Pflanzenzüchtung konnte bereits in der Vergangenheit der Flächenertrag vieler Kulturpflanzen enorm gesteigert werden. Mit den neuen molekularbiologischen Züchtungstechniken sind erst vor wenigen Jahren neue Werkzeuge entstanden, die den Prozess der Pflanzenzüchtung deutlich beschleunigen. Wichtige gewünschte Eigenschaften für Nutzpflanzen der Zukunft sind dabei Resistenzen gegen Schädlinge und Krankheiten sowie Widerstandsfähigkeit gegen Wetterextreme, aber auch die Anpassung an verschobene Jahreszeiten oder die effiziente Verwertung von Nährstoffen.

Auch der Boden als Produktionsgrundlage der Landwirtschaft rückt immer mehr in den Fokus der anwendungsorientierten Forschung. Es geht darum, die komplexe Lebenswelt Boden besser zu verstehen und Wege zu finden, wie man die Fruchtbarkeit und die Humusbildung in den Böden stärken kann, etwa durch ausgewogenen und vielfältigen Fruchtwechsel und den Anbau von Zwischenfrüchten. Hierzu gehört auch die Beeinflussung der mikrobiellen Lebensgemeinschaft im Boden und in der Pflanze (Mikrobiome) und der mikrobiellen Abbauprozesse im Boden und neuartige Düngekonzepte. Solche Erkenntnisse helfen, sowohl die konventionelle Landwirtschaft als auch den Ökolandbau zu optimieren.

Video: Neues vom Feld - Forschung für den Ackerbau der Zukunft

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Digitalisierung, Automatisierung sowie weitere Querschnittstechnologien haben einer effizienten und ressourcenschonenderen Präzisionslandwirtschaft den Weg geebnet. Teilautonom fahrende Landmaschinen oder Robotersysteme mit Satellitennavigation und Sensortechnik können Agrarflächen bedarfsgerecht, umweltschonend und energiesparend bewirtschaften (Smart Farming). Zudem werden bessere Pflanzenschutzmittel entwickelt. Auch die Kombination von Anbausystemen, wie etwa bei Agroforstsystemen, können einen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten. Geschlossene, in Kreisläufen geführte Systeme wie die Aquaponik eignen sich für eine landwirtschaftliche Produktion in Städten. Urbane Landwirtschaft, unter anderem mit vertikalen Farmen, verbessert bei geringem Flächenverbrauch die Versorgung der wachsenden Metropolen ohne weite Transporte und Belastungen von Wasser und Boden.

Auch die Produktion von Nahrungsmitteln tierischer Herkunft kann durch innovative Entwicklungen in der Bioökonomie nachhaltiger gestaltet werden. Mithilfe von enzymatischen Futterzusätzen etwa können Nutztiere Biomasse besser verwerten, und Phosphat aus den Pflanzen wird besser verfügbar. Biotechnisch hergestellte Aminosäuren als Futtermittelzusätze erlauben es, Nahrungsmittel wie Fleisch mit geringerem Einsatz von Getreideprodukten herzustellen. Zunehmend wird das Potenzial von Insekten genutzt. Damit kann auf effiziente Weise hochwertiges Protein für die Tierernährung oder auch für den menschlichen Verzehr erzeugt werden.

Zudem eröffnet die blaue Bioökonomie – die aquatische Biomasse nutzt – neue Möglichkeiten: Neben der Aquakultur von Fischen, Muscheln und Krebstieren gehört die Kultivierung von Makro- und Mikroalgen dazu. Algen liefern wertvolle Nahrungsergänzungsmittel wie Beta-Carotin oder Omega-Fettsäuren und Proteine. Die industrielle Biotechnologie liefert bereits heute wichtige Beiträge in Sachen Ernährung: So werden mithilfe mikrobieller Produktionssysteme bioaktive Inhaltsstoffe erzeugt, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken (funktionelle Lebensmittel). Zu neuartigen Ansätzen zählen mikrobiell produzierte Proteine für vegane Milchprodukte. Auch innovative Fleischersatzprodukte können im Bioreaktor auf der Basis von Zellkulturen hergestellt werden.

Für unsere Ernährung und die landwirtschaftliche Produktion stellt die globale Biodiversität eine existenzielle Grundlage dar. So ist biologische Vielfalt für die Bodenfruchtbarkeit, die Bestäubung von Pflanzen oder für die Schädlingsregulation unverzichtbar. Die Vielfalt an Kulturpflanzen bildet die Basis für die Landwirtschaft. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Anbauspektrum bei den Kulturpflanzen immer weiter eingeengt. Das fördert das Aufkommen von Schädlingen und die Ausbildung von Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel. Sowohl das Sorten- und Artenspektrum bei Kulturpflanzen zu erhöhen als auch den Biodiversitätsrückgang in Agrarlandschaften zu verhindern, sind zentrale Ziele der Nationalen Bioökonomiestrategie und der DNS.

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5) Gesundheit und Wohlbefinden und deren Grundlagen im Blick

Die Herausforderung:

Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wie schnell in einer vernetzten Welt Infektionskrankheiten massive Auswirkungen auf die weltweite Gesundheit haben können. Globale Gesundheitsgefahren und ihre Bewältigung sind eng mit den UN-Nachhaltigkeitszielen verknüpft. Die Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltverschmutzung bergen Risiken für die Gesundheit der Weltbevölkerung. Auch die Ressource Wasser ist entscheidend für das menschliche Wohl. Die Wasserversorgung für alle Menschen sicherzustellen, zählt zu den großen globalen Herausforderungen.

SDG 3 und 6 icon

Relevante SDGs

Mit dem SDG 3 streben die Mitgliedsstaaten an, Gesundheit und Wohlergehen aller Menschen sicherzustellen. Dazu beitragen sollen eine verbesserte Gesundheitsversorgung, einschließlich der Senkung der Sterblichkeitsrate von Müttern und Kindern, das Zurückdrängen von Infektionskrankheiten und der Zugang zu Impfungen und Medikamenten. SDG 6 will die Ressource Wasser für alle Menschen zugänglich machen – sei es in Form sauberen Trinkwassers, als Basis einer angemessenen Sanitärversorgung oder zum Einsatz in der Landwirtschaft.

Beispielhafte Beiträge aus der Bioökonomie:

Biotechnologie als Innovationstreiber für die Medizin
In der Medizin ist die Biotechnologie zu einem wesentlichen Innovationstreiber in der Diagnostik und Therapie von Volkskrankheiten wie Krebs, Rheuma und Diabetes geworden. Und auch in der Bekämpfung der Corona-Pandemie sind molekulare Diagnostikverfahren, Impfstoffe und Wirkstoffe nicht wegzudenken. In der Biotechnologie werden Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze, aber auch Pflanzen- oder Tierzellen eingesetzt, um als lebende Biofabriken zu fungieren, die nützliche Moleküle in großen Mengen herstellen oder Stoffe umwandeln.

Was 1982 mit dem von gentechnisch veränderten Bakterien erzeugten Humaninsulin seinen Anfang genommen hat, ist mittlerweile eine wichtige Säule für innovative Therapien geworden. Zu den Biopharmazeutika, also biotechnologisch hergestellten Medikamenten, zählen Impfstoffe, Antikörper, Enzyme und andere therapeutische Proteine, die als Arzneien eingesetzt werden. Auch gentherapeutische Ansätze und die molekulare Diagnostik sind undenkbar ohne Stammzellforschung und Biomoleküle.

Für die industrielle Produktion von Biopharmazeutika werden optimierte Mikroorganismen oder andere Zellen in geschlossenen Behältern, sogenannten Bioreaktoren, kultiviert. Aber auch die zellfreie Produktion, die Biosynthese von Proteinen oder Nukleinsäuren in Reaktionsgefäßen und damit außerhalb der Zelle, wird zunehmend wichtiger. Ein aktuelles Beispiel ist die Herstellung von mRNA-Impfstoffen gegen das Corona-Virus, die überwiegend zellfrei erfolgt. Meist biotechnologisch hergestellt werden zudem bioaktive Zusätze für funktionelle Lebensmittel, die gesundheitsförderliche Wirkungen zeigen.

Die globale Biodiversität und die Vielfalt der Ökosysteme auf der Erde stellen eine riesige Ressource für neue Wirkstoffe und Arzneien und damit für eine bioökonomische Nutzung dar: Die Pflanzenwelt sowie die Welt der Mikroorganismen sind schier unerschöpfliche Quellen für Naturstoffe, die medizinische Wirkung entfalten und als Heilmittel eingesetzt werden können. Gleichzeitig zielt die Bioökonomie darauf ab, zum Schutz und Erhalt dieser wichtigen Ressource beizutragen.

Video: Virenschutz durch Milchhefe

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Ressource Wasser schonen
Über den Biomasseanbau hat die biobasierte Wirtschaft einen wesentlichen Einfluss auf die Wasserversorgung und die Qualität der Grund- und Oberflächengewässer. Die Bioökonomie bietet eine ganze Reihe von Ansätzen, mit deren Hilfe Gewässer weniger belastet werden. Strategisches Ziel einer nachhaltigen Bioökonomie ist eine ressourcenschonendere Agrarproduktion mit verringertem Verbrauch von Wasser, Pflanzenschutz- und Düngemitteln. Größere Anbauvielfalt, mehrjährige Kulturpflanzen, moderne Bewässerungstechnologien und verbessertes Bodenmanagement können verhindern helfen, dass Nährstoffe und Sedimente ausgewaschen werden und damit Gewässer belasten. Auch durch die Entwicklung hitzeresistenter Pflanzensorten soll der Wasserbedarf bei Kultursorten verringert werden.

In der urbanen Landwirtschaft, d. h. in Ballungsräumen und ihrer unmittelbaren Umgebung, setzt man häufig auf die Kreislaufführung von Rohstoffen in geschlossenen Systemen. Dank präziser Steuerung kann der Einsatz von Düngung und Pflanzenschutzmitteln viel genauer dosiert und gleichzeitig das Wachstum effizient beeinflusst werden. Dadurch gelangen weniger Phosphat und Nitrat sowie Pflanzenschutzmittel in die Böden und darüber ins Grundwasser oder Flüsse, die ihrerseits vielen Menschen als Trinkwasserquelle dienen. Lokale mikrobielle Aufbereitungsanlagen sollen künftig Abwässer in einen Zustand versetzen, der für die Bewässerung lokaler urbaner Anbausysteme von Nahrungsmitteln unbedenklich ist.

In Klärwerken sind Mikroorganismen die zentralen Akteure der biologischen Reinigungsstufe. Sie bauen organische Substanzen – insbesondere organische Stickstoffverbindungen – ab. Derzeit erprobt wird der Einsatz von Biokatalysatoren in der sogenannten vierten Reinigungsstufe, in der Spurenstoffe und Chemikalien wie Xenobiotika abgebaut werden.

Auch ein gutes Management von Wäldern und Forsten ist essenziell: Wälder sind unverzichtbare Wasserspeicher und -filter. Sie sind zudem Sauerstofffabriken und CO2-Speicher, aber auch als Räume für Erholung und Naturerleben unverzichtbar für das Wohlbefinden der Menschen.

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6) Nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltiger Konsum für eine nachhaltige Zukunft

Die Herausforderung:

Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Wirtschaften gilt es, das Streben nach Wohlstand und wirtschaftlichem Fortschritt mit sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verträglichkeit in Einklang zu bringen. Zu den großen Herausforderungen zählen in diesem Kontext der Klimawandel, die Energie- und Rohstoffsicherung, aber auch Schonung und Schutz von Ressourcen. Hinzu kommt die Herausforderung, die Bedürfnisse und Anforderungen der Konsumenten zu berücksichtigen.

SDG 7 ,8,9,11,12,13

Relevante SDGs

Diese Reihe an globalen Herausforderungen wird mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung durch eine Reihe von SDGs adressiert: Ein dauerhaftes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum fördern (SDG 8), eine resiliente Infrastruktur, nachhaltige Industrialisierung und Innovationen fördern (SDG 9), Städte und Siedlungen widerstandsfähig und nachhaltig gestalten (SDG 11), nachhaltigen Konsum und Produktion sicherstellen (SDG 12). Elementar für eine nachhaltige Entwicklung ist der Klimaschutz (SDG 13) und das Ziel, eine klimaneutrale Produktion zum Erreichen des 1,5 °C-Ziels zu etablieren. Dazu gehört eine deutliche Verringerung der Treibhausgas-Emissionen, etwa durch den Einsatz und Zugang zu erneuerbaren Energien (SDG 7).

Beispielhafte Beiträge aus der Bioökonomie:

Nachhaltiges Wirtschaftswachstum
Bioökonomie ist ein Baustein für ein nachhaltiges, biobasiertes Wirtschaftswachstum. Mit einem Wechsel von erdöl- zu biobasierten Materialien, dem Einsatz regenerativer statt fossiler Energieträger und dem Einführen neuartiger Produktionsverfahren können endliche fossile Ressourcen und auch das Klima geschont werden. Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft sorgt zusätzlich dafür, dass Stoffe und Materialien möglichst lange genutzt und wiederverwertet sowie Energie- und Stoffströme geschlossen werden. Ressourcen effizient zu nutzen, ist ökonomisch profitabel und ökologisch wertvoll.

Die intelligente Nutzung und Vernetzung von biologischem Wissen bildet eine Basis für Innovationen in der Bioökonomie. Neuartige Produkte und Prozesse bieten Chancen für mehr Wettbewerbsfähigkeit. So hilft Bioökonomie dabei, die Technologien und Arbeitsplätze von morgen zu entwickeln. Materialien mit verbesserten Eigenschaften als Alternative zu Erdöl oder Beton können zum Beispiel ein ressourcenschonendes und gleichzeitig langlebigeres Bauen ermöglichen.

Wo die Bioökonomie Innovationen mit Mehrwert schafft, geht dies potenziell mit neuen Berufsbildern und mehr Beschäftigung und somit zusätzlichem Einkommen einher, was sich auf weitere Nachhaltigkeitsaspekte wie Gesundheit, Bildung und soziale Integration auswirken kann. Darüber hinaus kann das Wachstum der Bioökonomie die lokale Wertschöpfung und die Entwicklung des ländlichen Raumes fördern. Dies insbesondere dadurch, dass es häufig sinnvoll ist, dass die Produktion von biobasierten Stoffen und Materialen möglichst nahe an der Produktion der dafür notwendigen Ausgangsstoffe und -materialien stattfindet (dezentrale Wertschöpfungsketten).

Mit der Corona-Pandemie ist die Forderung nach Resilienz als ein Prinzip nachhaltiger Entwicklung in den Vordergrund gerückt. Damit ist die Fähigkeit eines definierten Systems gemeint, auf kurzfristige Schocks oder langfristigen Stress von außen robust und mit Anpassung zu reagieren. Nachhaltigkeit stärkt diese Krisenfestigkeit – und Bioökonomie ist in diesem Kontext ein wichtiger Faktor.

Nachhaltige Industrie
Die Substitution von Produkten und Dienstleistungen, die auf fossilen oder anderen endlichen Rohstoffen beruhen, durch welche, die auf biogenen Ressourcen basieren, ist mit Blick auf Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz bereits ein großer Schritt zu einer nachhaltigen Industrie. Insbesondere dadurch, dass Rest- und Abfallstoffe genutzt werden, um daraus zumeist biotechnologisch Grundchemikalien und hochwertige Folgeprodukte zu gewinnen, können die Erträge und damit die Krisensicherheit von Unternehmen verbessert werden.

Die industrielle Bioökonomie befasst sich mit der Entwicklung und Etablierung industrieller Verfahren, die biologische Ressourcen oder Prinzipien für die Produktion werthaltiger Substanzen oder die Entwicklung innovativer Dienstleistungen nutzen. Für die Produktion von Chemikalien, Biopharmazeutika oder Nahrungsmittelzusatzstoffen werden dabei verbreitet biotechnologische Verfahren, wie mikrobielle Fermentationen oder Biokatalysen, genutzt. Die industrielle Biotechnologie, auch Weiße Biotechnologie genannt, verwendet Organismen oder einzelne Biomoleküle wie Enzyme als Grundlagen für die industrielle Produktion. Die Leistungsträger sind hierbei Mikroorganismen und andere Zellen, die ein gewünschtes Produkt in großen Mengen in geschlossenen Bioreaktoren herstellen können.

Video: Grüne Produktion

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Durch einen Ausbau der Bioökonomie könnten sich zudem die Abhängigkeiten von internationalen Rohstoffmärkten verringern. Verbunden mit einer Kreislaufwirtschaft und entsprechenden Recyclingsystemen ermöglicht die Bioökonomie Volkswirtschaften eine höhere Autonomie in der Rohstoffbeschaffung.

Zugleich erschließt die industrielle Bioökonomie ein enormes Potenzial für neuartige Wertschöpfungsketten und Produkte mit innovativen Eigenschaften und Funktionalitäten. Deutlich wird dies beispielsweise bei Kunststoffen, die bei hoher Funktionalität zugleich biobasiert und biologisch abbaubar sein sollten – letzteres ein wichtiger Schritt, um dem globalen Plastikmüllproblem zu begegnen. Noch jung ist der Industriebereich, der das Treibhausgas Kohlendioxid mithilfe von Mikroorganismen als Rohstoff für chemische Synthesen einsetzt und damit verhindert, dass Emissionen aus anderen Industrieprozessen zusätzlich zum Klimawandel beitragen.

Nachhaltige Städte und Gemeinden
Auch Städte können gleich mehrfach von einer Bioökonomie profitieren, die idealerweise durch eine Kreislaufwirtschaft komplettiert wird. Viele Ansätze der urbanen Bioökonomie bedeuten wichtige Innovationen für Städte und Gemeinden. Dazu zählen die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung natürlicher Ressourcen, die Begrünung von Freiflächen und Gebäuden und eine intelligente Führung von Stoffströmen, etwa durch eine innovative Nachnutzung von Abfällen und Abwässern.

Eine urbane Landwirtschaft beeinflusst nicht nur das Mikroklima in den Städten positiv, sondern sorgt für mehr Unabhängigkeit bei der Versorgung mit Lebensmitteln, inklusive kurzer und damit klimafreundlicher Transportwege. Konzepte wie die vertikale Landwirtschaft – also Pflanzenanbau und Tierhaltung in mehrstöckigen Häusern, Hydrokulturen und Aquakulturen können dazu beitragen, regionale Stoffkreisläufe zu schließen und damit das Leben in Städten nachhaltiger zu gestalten. (mehr in den Themendossiers Urbane Bioökonomie; Biobasierte Stadt)

Eine wichtige Rolle spielt dabei die Infrastruktur. Neben dem Verkehrssektor liegt der Fokus auf dem nachhaltigen Bauen: Zement und Beton bedingen in ihren bisherigen Produktionsverfahren hohe CO2-Emissionen. Biobasierte Baustoffe wie Holz sind hingegen klimaneutral, gute CO2-Speicher und für die meisten Anwendungen ebenfalls geeignet, so auch für den Hochbau – und bieten oftmals sogar Vorteile für das Wohnklima. Zudem entwickelt die Forschung derzeit Betonmaterialien, die aus regionalen pflanzlichen Rohstoffen produziert werden können.

Nachhaltige Produktion und nachhaltiger Konsum
Die Bioökonomie bietet aufgrund ihrer biobasierten Ressourcen und Prozesse gute Grundlagen für eine nachhaltige Produktion. An die Stelle fossiler Rohstoffe, deren Gewinnung und Nutzung mit Umwelt- und Klimaproblemen einhergehen, treten Materialien, die im besten Fall klimaneutral und oft biologisch abbaubar sind. Ressourceneffizienz und die Verwertung von biologischen Abfallstoffen sind hierbei wichtige strategische Ziele. Enzymatische Herstellungsverfahren, die in der industriellen Biotechnologie eingesetzt werden, sparen im Vergleich zu klassischen chemischen Prozessen viel Energie und vermeiden problematische Abfallprodukte.

Ein Beispiel für Ressourceneffizienz in industriellen Produktionsprozessen sind Bioraffinerien, große technische Anlagen, in denen pflanzliche Biomasse in ihre Bestandteile zerlegt und möglichst vollständig genutzt beziehungsweise veredelt wird – analog zu einer Erdölraffinerie. Typisch ist die Herstellung mehrerer Produkte in einem Prozess. Zudem wird die stoffliche Nutzung mit der Energiegewinnung gekoppelt (mehr im Themendossier Bioraffinerien)

Video: Der Bioraffinerie-Bauernhof

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Ein zentrales Ziel der Kreislaufwirtschaft besteht darin, Ressourcen effizienter zu nutzen und deshalb die Haltbarkeit bzw. Lebensdauer von Produkten zu verlängern. Zudem betrachten Produktdesigner heutzutage immer stärker den gesamten Lebenszyklus der Produkte bis hin zur Entsorgung. In der Automobilindustrie und auch in der Verpackungsindustrie hat es hier bereits große Fortschritte gegeben.

Auch in anderen Branchen, in denen die Konsumenten zunehmend nach nachhaltigen und biobasierten Produkten fragen, hat ein Umdenken eingesetzt – etwa in der Textilindustrie. Hier wird zunehmend auf Materialien gesetzt, die bei ihrer Herstellung wenige CO2-Emissionen hervorrufen. Durch den Einsatz von Recycling-Materialien lassen sich zudem Ressourcen schonen. Im Trend liegen biobasierte innovative Werkstoffe, wie zum Beispiel Fasern aus biotechnisch erzeugten Spinnenseide-Proteinen.

Biotechnologische Verfahren können für das Recycling von Edelmetallen eingesetzt werden (Microbial Mining). So gibt es Ansätze, mithilfe bestimmter Mikroorganismen Gold aus vermahlenem Platinen-Schrott herauszulösen. Auch Biomoleküle und biologische Abbauprozesse können Microbial Mining vorantreiben: So können spezielle Enzyme eingesetzt werden, um chemische Rückstände aus dem Wasser zu filtern. Außerdem gibt es Mikroorganismen, denen es gelingt, erdölbasierte Kunststoffe zu zersetzen.

Bioenergie und Klimaschutz
Unter den erneuerbaren Energieträgern gilt Biomasse als Alleskönner. Sie lässt sich zur Erzeugung von Strom, Wärme und Kraftstoffen einsetzen. Das macht die Bioenergie zu einer wichtigen Säule im Energiemix der Zukunft. Der Vorteil von aus Biomasse gewonnenen Energieträgern ist, sie setzen nur so viel CO2 frei, wie sie in relativ kurzer Zeit zuvor aus der Atmosphäre gebunden haben. Und sie können direkt dort, wo sie produziert werden oder als Reststoffe anfallen, genutzt werden. Biomasse ist speicherbar und Bioenergieanlagen sind flexibel regelbar. Bioenergie gilt als wichtiger Baustein, um das schwankende Angebot von Wind- und Solarstrom auszugleichen. Energie aus Biomasse lässt sich dezentral erzeugen. Dadurch können Orte, die wegen nicht vorhandener Stromleitungen über Großkraftwerke nicht erreicht werden, mit Strom versorgt werden.

Ein Beispiel dafür sind Biogasanlagen: Hier wird Biomasse aus Pflanzen, Gülle oder Ernteresten zu Biogas und anderen Gärprodukten umgewandelt. Biogas – ein Gemisch aus Methan und Kohlendioxid – kann vor Ort in einem Blockheizkraftwerk zu Strom und Wärme umgewandelt werden. Aus Pflanzenresten oder Gärresten lässt sich auch Biokohle gewinnen. Biobasierte Flüssigtreibstoffe haben das Potenzial, den Transport- und Mobilitätssektor nachhaltiger zu gestalten.

Auf Basis nachwachsender Rohstoffe stellen Hefen im großen Maßstab Bioethanol her. Daraus wird unter anderem biobasierter Ottokraftstoff hergestellt, der Superbenzin zugemischt wird (E10). Bioethanol wird entweder aus zucker- oder stärkehaltigen Früchten wie Zuckerrüben oder Weizen, inzwischen auch zunehmend aus verholzten Pflanzenreststoffen wie Stroh und Holzresten (Cellulose-Ethanol) hergestellt. Solche Biotreibstoffe der zweiten Generation gibt es auch bei Biodiesel, der herkömmlich insbesondere aus Raps gewonnen wird. Derzeit wird zum Beispiel erprobt, Biodiesel aus altem Pommes-frites-Fett zu gewinnen.

Intensiv sucht man nach Methoden, die gesamte Pflanze und insbesondere organische Abfallstoffströme möglichst effektiv zu verwerten. Dafür infrage kommen thermochemische Nutzungskonzepte, mit denen sogenannte Biomass-to-Liquid-Treibstoffe erzeugt werden können. Hier werden die Moleküle in der Biomasse bei hoher Temperatur in ein Synthesegas und danach zu flüssigem Treibstoff umgewandelt.

Mikroorganismen rücken in der industriellen Bioökonomie als Zellfabriken für Treibstoffe ins Visier: Großes Potenzial für die Biotreibstoffgewinnung haben Mikroalgen. Sie stellen zum Beispiel fette Öle her, die sich für die Herstellung von Biokerosin eignen. Einige Mikroalgen sind zudem in der Lage, auf biologischem Wege Wasserstoff herzustellen. Hier wird derzeit noch an einer wirtschaftlichen und effizienten Produktion geforscht.

Die Bioökonomie hat weitere Lösungen im Kampf gegen den Klimawandel zu bieten. Der Schutz von Naturräumen – etwa Wälder, Wiesen und Moore – und die Entwicklung alternativer Formen der Land- und Viehwirtschaft können dafür sorgen, dass Kohlendioxid gespeichert wird.

Video: Wenn aus Abgas Rohstoff wird

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7) Biodiversität schützen

Die Herausforderung:

Neben dem Klimawandel ist der Verlust an Biodiversität eine der großen globalen Umweltbedrohungen und eine der größten Herausforderungen der Menschheit. Land- und Forstwirtschaft befinden sich hier in einem Spannungsfeld: Die Biodiversität ist eine wichtige Ressource, zugleich zählen intensive Formen der Land- und Forstbewirtschaftung mit immer größeren Nutzflächen zu den Hauptursachen für den globalen Artenrückgang.

SDG icons 14 und 15

Relevante SDGs

Der Erhalt der Artenvielfalt ist ein zentrales Ziel nachhaltiger Entwicklung. Der Schutz der Biodiversität ist daher auch in zwei SDGs – 14 und insbesondere 15 – zentrales Thema. SDG 14 formuliert das Ziel, Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu erhalten und nachhaltig zu nutzen; SDG 15 setzt sich dafür ein, Landökosysteme zu schützen, wiederherzustellen und ihre nachhaltige Nutzung zu fördern. Dazu gehört es auch, Wälder nachhaltig zu bewirtschaften und den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten.

Beispielhafte Beiträge aus der Bioökonomie:

Die Vielfalt der Arten, Gene und Lebensräume macht die Biodiversität auf unserem Planeten aus. Die biologische Vielfalt sichert nicht nur existenzielle Lebensgrundlagen, sie ist auch unerlässliche Ressource für die biobasierte Wirtschaft. Die globale Biodiversität und die Vielfalt der Ökosysteme auf der Erde stellen eine bedeutende Grundlage für die Landwirtschaft, für neue pharmazeutische Wirkstoffe, für die Biotechnologie und für die Materialwissenschaften dar (mehr dazu im Themendossier: Nützliche Vielfalt – Biodiversität als Ressource). Die Nationale Bioökonomiestrategie zielt dabei darauf ab, bioökonomische Lösungen für die Nachhaltigkeitsagenda zu entwickeln, die die Biodiversität nicht nur nutzen, sondern dazu beitragen diese zu schützen und zu erhalten.

Agrarökosysteme verstehen
Die aktuelle Bioökonomie-Forschung strebt zunehmend ganzheitliche Betrachtungsweisen an: Sie nimmt die Ökosysteme und ihr Zusammenwirken in der Agrarproduktion in den Blick. So ist die Agrarproduktion auf Ökosystemleistungen angewiesen (etwa Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit) und muss selbst zur Wahrung dieser Ökosystemleistungen beitragen. Deshalb ist es erforderlich, Land- und Forstwirtschaft in einem ganzheitlichen Sinn als agrarökologische Systeme zu betrachten. Das Ziel der Nationalen Bioökonomiestrategie ist es daher, das Verständnis der Zusammenhänge von Ökosystemen auszubauen – sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Entwicklung anwendungsorientierter Ansätze. Gefragt sind Sichtweisen, die Produktionssysteme nicht nur nach ihrem Ertrag, sondern auch nach ihren ökologischen Leistungen bewerten.

Video: Catchy - Das Geheimnis der Zwischenfrüchte

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Marine Bioökonomie
Ziel der Blauen Bioökonomie ist die nachhaltige Nutzung insbesondere der marinen Fauna und Flora (etwa Algen) unter anderem zum Zwecke der Entwicklung und Produktion von Lebensmitteln, Kosmetika und Biopharmazeutika (mehr dazu im Themendossier: Marine Bioökonomie). Die Forschung entwickelt nachhaltige Formen der Aquakultur, um weltweit Fischbestände zu schützen und das maritime Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.

Die Vermeidung von Umweltbelastungen der Gewässer hilft dabei, die Biodiversität von Organismen zu erhalten und zu schützen. Moderne Pflanzenzüchtung und eine Präzisionslandwirtschaft können dazu beitragen, weniger Schadstoffe in Wasserökosysteme einzutragen, indem sie den Bedarf an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln reduzieren. Gleiches gilt für geschlossene Hightech-Produktionssysteme, bei denen generell eine besser dosierte Versorgung mit Nährstoffen erfolgt und Überschüsse nicht in die Umwelt gelangen. Im Bereich der Chemieproduktion vermeiden biotechnologische Prozesse oftmals gewässertoxische Abfallstoffe, die bei chemisch-synthetischen Standardverfahren entstehen können.

Video: Neue Wirkstoffe aus dem Meer

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Die Vielfalt in Landökosystemen schützen und nutzen
Damit bei Landökosystemen ein nachhaltiger Umgang mit Böden und Wäldern gelingt, soll auf Anbauvielfalt und innovative Agrarsysteme gesetzt werden. Durch den Anbau wechselnder Pflanzenkulturen (Fruchtfolgen) wird nicht nur Nährstoffarmut von Böden reduziert, sondern es werden auch die Wasserbestände in den Böden geschont. Boden- und Pflanzenzüchtungsforschung, aber auch digitale Ansätze liefern hier neue Lösungen. Dazu gehören widerstandsfähige Nutzpflanzen, die weniger gedüngt und seltener mit Pestiziden behandelt werden müssen.

Neue Nahrungsquellen wie Insekten oder Fleischersatzprodukte als alternative Proteinquellen reduzieren den Druck, den die Agrarproduktion auf Landökosysteme ausübt. Bestimmte Energiepflanzen wie Dauergras tragen außerdem dazu bei, Ödland wieder fruchtbar zu machen und Erosionen aufzuhalten. Zudem können sowohl bestimmte Pflanzen als auch spezielle Mikroorganismen aus der Umweltbiotechnologie belastete Böden sanieren und Salze oder Schwermetalle herausziehen. Mit Blick auf die Forstwirtschaft können vom Klimawandel bedrohte Wälder umgebaut und resilienter gegen Dürren und andere Wetterphänomene gemacht werden, wo sonst Verluste der Waldökosysteme drohen. Auch die Aufforstung leistet einen Beitrag.