Bioökonomie als internationales Konzept
Die Ernährung einer stark wachsenden Weltbevölkerung, der Klimawandel, der Rückgang der Biodiversität, eine zu ressourcenintensive Wirtschaftsweise: Diese zunehmend komplexer werdenden Herausforderungen unserer Zeit werden durch globale Krisen wie die Corona-Pandemie und geopolitische Konflikte und Kriege noch weiter verschärft. Sie machen zudem deutlich, dass soziale, ökologische und wirtschaftliche Themen stärker miteinander verzahnt sind als je zuvor. Um die Welt nachhaltig mit Nahrungsmitteln, nachwachsenden Rohstoffen und umweltfreundlicher Energie zu versorgen, bedarf es einer biobasierten Wirtschaft – und weltweiter Forschungskooperationen.
Mit Bioökonomie zukunftsfähig wirtschaften
Die Bioökonomie, eine auf biologischen Ressourcen und Verfahren basierende Wirtschaftsform, hält hochrelevante Lösungsansätze für die globalen Herausforderungen bereit und kann einen wichtigen Beitrag für den Strukturwandel in Richtung Nachhaltigkeit leisten. Die Forschung ist ein wichtiger Schlüssel, um die Potenziale der Bioökonomie zu identifizieren, zu erschließen und zu nutzen. Forschung zur Bioökonomie erstreckt sich auf die Erzeugung, Erschließung und Nutzung biologischer Systeme, um die wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, biobasierte nachhaltige Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitstellen zu können.
Deutschland mit internationaler Vorreiterrolle
Auf dem Weg in eine biobasierte Wirtschaft und die Forschungsförderung hierzu nimmt Deutschland eine internationale Vorreiterrolle ein. Maßgeblich dafür ist die im Jahr 2020 veröffentlichte Nationale Bioökonomiestrategie, mit der die Bundesregierung ihre bisherige Bioökonomiepolitik noch stärker an dem übergeordneten Ziel der nachhaltigen und klimaneutralen Entwicklung ausgerichtet hat. Die Nationale Bioökonomiestrategie wird unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) umgesetzt. Die Bioökonomie kann aus Sicht der Bundesregierung zu elf der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) unmittelbar Beiträge leisten. Bioökonomie-Ansätze sind zudem enorm bedeutend für die Anfang 2023 veröffentlichte Zukunftsstrategie Forschung und Innovation der Bundesregierung, – mit der die Schwerpunkte und Meilensteine der Forschungs- und Innovationspolitik Deutschlands für die kommenden Jahre formuliert werden.
Die federführend vom BMBF entwickelte Zukunftsstrategie benennt sechs zentrale Zukunftsfelder (Missionen), in denen eine nachhaltige Entwicklung durch Forschung und Innovation beschleunigt werden soll. Die Bioökonomie trägt dazu bei, die in Mission eins und zwei definierten Ziele zu erreichen: Mission 1 zielt etwa darauf ab, eine „ressourceneffiziente und auf kreislauffähiges Wirtschaften ausgelegte wettbewerbsfähige Industrie und nachhaltige Mobilität [zu] ermöglichen“. Mission 2 hat zum Ziel, „Klimaschutz, Klimaanpassung, Ernährungssicherheit und Bewahrung der Biodiversität voranzubringen“. Flankierend zu den Missionen formuliert die Zukunftsstrategie zudem ausdrücklich die Bestrebung, europäische und internationale Zusammenarbeit zu intensivieren (siehe unten).
Globale Forschungskooperationen als Schlüssel
Angesichts globaler Herausforderungen, Märkte und Wertschöpfungsnetzwerke ist die internationale Zusammenarbeit für das Gelingen einer nachhaltigen Bioökonomie unverzichtbar. Das gilt besonders für die Forschung: Durch den Austausch von Know-how und dank komplementärer Expertise und Erfahrungen lässt sich enormer Mehrwert erzeugen. Zudem lassen sich durch globale Kooperation in der Forschung auch Zielkonflikte besser verstehen und auf Basis wissenschaftlicher Forschungsarbeiten und daraus gewonnener Erkenntnisse mindern.
Sowohl auf europäischer Ebene als auch weltweit wird die Bioökonomie in immer mehr Ländern als Baustein zur Gestaltung eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems betrachtet und gewinnt deshalb mehr und mehr an Bedeutung.
Die Forschung zu den globalen Herausforderungen stärker zu vernetzen, ist eines der zentralen Ziele der unter Federführung des BMBF formulierten Strategie der Bundesregierung zur Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung. Auch in der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation wird die Notwendigkeit, die europäische und internationale Zusammenarbeit zu intensivieren, betont.
Nach den Belastungen der Corona-Pandemie stellen der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie weitere Konflikte und Systemrivalitäten die Wissenschafts- und Forschungspolitik im Rahmen der Zeitenwende vor große Herausforderungen.
In dieser Gemengelage trotzdem internationale Kooperationen zu stärken und auszubauen, ist auch einer von sechs Bausteinen der Forschungsförderung im Rahmen der Nationalen Bioökonomiestrategie. Die Bundesregierung ist überzeugt: Jedes Land und jede Region kann einen individuellen Beitrag zur globalen Bioökonomie leisten, durch eine eigene Mischung aus Rohstoffen, Technologien, Wissen und Ideen. Kooperationen helfen, international voneinander zu lernen und die jeweiligen nationalen oder regionalen Ansätze bestmöglich miteinander zu verzahnen.
Global Bioeconomy Summit
Seit seinem Debüt im Jahr 2015 hat sich der Global Bioeconomy Summit (GBS) zum wichtigsten internationalen Forum zum Thema Bioökonomie entwickelt. Der mehrtägige Kongress entstand auf Initiative des von 2012 bis 2019 amtierenden Bioökonomierates und wurde von der Bundesregierung gefördert. Das hochrangig besetzte Gipfeltreffen hat sich zu einer Institution entwickelt, die wichtige Impulse für die Entwicklung der globalen Bioökonomie liefert. 2020 fand bereits der dritte GBS mit Bioökonomie-, Innovations- und Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten aus aller Welt statt. Organisiert und veranstaltet wird der GBS mittlerweile durch das International Advisory Council on Global Bioeconomy (IACGB), einem internationalen Thinktank von Bioökonomie-Fachleuten.
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Bioökonomie International: Weltweite Allianzen im Fokus
Bereits vor zehn Jahren startete das Bundesforschungsministerium die Initiative „Bioökonomie International – Bioeconomy International“, seinerzeit als Förderrichtlinie im Rahmen der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“. Das Ziel ist es seitdem, die Forschungszusammenarbeit mit den weltweit Besten zu stärken und internationale Innovationspotenziale zu erschließen.
Bei den in „Bioökonomie International“ geförderten Vorhaben handelt es sich um modellhafte Projekte internationaler Forschungs- und Entwicklungspartnerschaften. Dabei stehen nicht nur technologische Fragestellungen und Entwicklungsziele, sondern auch sozioökonomische Aspekte und Systemansätze im Fokus.
Im Rahmen von „Bioökonomie International“ werden internationale Forschungsverbünde im gesamten thematischen Bereich der Bioökonomie mit deutscher Beteiligung gefördert. Im Modul „Basis Bioökonomie International“ wird die Zusammenarbeit mit allen Ländern weltweit außerhalb Europas unterstützt. Neben diesem internationalen Modul werden zusätzlich regelmäßig bilaterale Module mit spezifischen Partnerländern oder Partnerregionen ausgeschrieben. Hier wurden bislang Verbundprojekte mit Argentinien, Kolumbien, Russland (seit 2022 gestoppt), Vietnam sowie den Regionen São Paulo in Brasilien und Queensland in Australien gefördert. Durch das BMBF wird ausschließlich die Arbeit der deutschen Forschungspartner gefördert, wobei Co-Finanzierungen der internationalen Partner durch die nationalen oder regionalen Förderorganisationen bereitgestellt wurden.
Die Laufzeit der Förderprojekte beträgt bis zu drei Jahre. Im Rahmen der Nationalen Bioökonomiestrategie gliedert sich die korrespondierende Forschungsförderung zur Bioökonomie durch das BMBF in sechs Bausteine, von denen der erste Baustein „Biologisches Wissen als Schlüssel der Bioökonomie“ eine besondere Relevanz für „Bioökonomie International“ besitzt. Daher wird eine große inhaltliche Bandbreite von Projekten gefördert – von Pflanzenzüchtung und -schutz über Lebensmitteltechnologien bis hin zur Entwicklung von Biomaterialien und Reststoffnutzung in der industriellen Biotechnologie. Dabei stehen insbesondere solche Vorhaben im Fokus, die auf die Nutzung biologischer Ressourcen und Verfahren setzen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.
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Erfolgreiche Bilanz aus zehn Jahren „Bioökonomie International“
Die Fördermaßnahme „Bioökonomie International“ hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem attraktiven und erfolgreichen Förderinstrument entwickelt. Das zeigt nicht nur das steigende Interesse von Forschenden an der Maßnahme, sondern verdeutlichen auch die langfristigen Partnerschaften mit zahlreichen Ländern. Seit dem Start der Initiative im Jahr 2012 wurden zehn Ausschreibungen veröffentlicht. Insgesamt wurden in diesen zehn Ausschreibungsrunden 755 Projektskizzen eingereicht.
125 internationale Verbundprojekte mit einem Gesamtfördervolumen von etwa 74 Mio. Euro wurden in den ersten acht Ausschreibungsrunden vom BMBF finanziert. Aus der neunten Ausschreibungsrunde werden bis Ende des Jahres 2023 weitere 17 Projekte mit einem Volumen von weiteren 8 Mio. Euro bewilligt. Damit werden insgesamt bisher 142 Projekte aus 21 Partnerländern durch das BMBF mit 81 Mio. Euro gefördert sein. „Bioökonomie International“ hat die Forschungs- und Innovationslandschaft weltweit zusammengebracht und einen Mehrwert für alle Partner generiert. Einen Überblick über die Anzahl der Projekte in den beteiligten Partnerländern bietet die Weltkarte. Dabei bestehen besonders viele Verbundprojekte mit Brasilien (25 Vorhaben) und Vietnam (18), Kanada (17) und China (15).
Große Zahl an Publikationen in Fachjournalen
Die Bioökonomie-International-Projekte haben eine große Vielfalt herausragender Ergebnisse hervorgebracht. Das lässt sich an der großen Zahl entstandener Publikationen in Fachjournalen, aber auch an der hohen und stetig zunehmenden Zitationshäufigkeit ablesen. Eine bibliometrische Analyse der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich zeigt dies. Demnach wurden im Kontext von „Bioökonomie International“ im Zeitraum 2015 bis Sommer 2023 insgesamt 286 Artikel in Fachjournalen veröffentlicht. Diese kommen auf 5.743 Zitationen. Auch die durchschnittliche Zitationsrate von 20,08 belegt, wie relevant die Forschungsergebnisse für die wissenschaftliche Community sind und dass diese erfolgreich aufgegriffen werden.
Der Anteil der Selbstzitationen an allen Zitationen beläuft sich auf 5,5 %. In der Grafik zur Anzahl der Publikationen und Zitationen im Zeitverlauf sieht man, dass die Anzahl der Publikationen bis 2020 kontinuierlich gestiegen ist. Betrachtet man im Rahmen der bibliometrischen Analyse, mit welchen Ländern im Rahmen von „Bioökonomie International“ gemeinsame Publikationen entstanden sind, so wird deutlich, dass auch Akteure aus Ländern beteiligt sind, die nicht im Rahmen der Fördermaßnahme unterstützt wurden, darunter viele europäische Länder. „Bioökonomie International“ hat also weit über die geförderten Projekte und ihre Partner intensive internationale Kooperation ermöglicht und einen enormen Impuls in die Forschungscommunity gesetzt. Das ist Forschung mit Mehrwert.
Nachhaltige Innovationen
Doch Wissen muss auch in die Anwendung kommen. Auch wenn dies nicht das vorrangige Ziel der Fördermaßnahme ist, so haben viele Verbundprojekte bereits erfolgreich biobasierte nachhaltige Innovationen hervorgebracht. Das zeigen zahlreiche Patentanmeldungen, etwa in den Projekten MOPSACI zu Aromastoffen aus Pilzen, Korallenwirkstoffen aus Bakterien (OMCBP) und Pilzenzyme aus dem Bioreaktor (TrickleZyme). Zudem führte die erfolgreiche Forschung sogar zur Gründung mehrerer Start-ups, beispielsweise im Projekt Acrowards.
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Projektbeispiele im Überblick: große Bandbreite der Themen
In der neuen BMBF-Broschüre „Bioökonomie International“ wird eine Auswahl von 18 erfolgreichen Förderprojekten vorgestellt. Aus nahezu jeder der neun vergangenen Ausschreibungsrunden sind Beispiele dabei. Ein spannender Streifzug um die Welt mit hochrelevanten Forschungsthemen und einer faszinierenden Vielfalt der Ansätze und der beteiligten Partnerländer. So wird anschaulich, wie weltweite Bioökonomie-Allianzen helfen können, die globalen Herausforderungen besser zu bewältigen.
Pflanzenzüchtung und nachhaltige Agrarwirtschaft
- Optimierte Tomatenzüchtung mit der Genschere CRISPR-Cas (ESTASA – Partnerland Brasilien)
- Ertragreichere Maniokwurzeln (CASSAVASTORE – Partnerland Thailand)
- Schnelltest für Reisviren (AgroGuard – Partnerland Vietnam)
- Insekten für nachhaltige Aquakultur (BioInsectonomy – Partnerländer Kolumbien, Norwegen)
- Züchtung von Fusarium-resistentem Weizen (FusResist – Partnerland Kanada)
- Macauba-Palmen als nachhaltige Alternative zur Ölpalme (Acrowards – Partnerland Brasilien)
- Bedenkliche Arsenverbindungen im Reis entdeckt (Thio-As-Rice – Partnerland China)
Nachhaltige Reststoffnutzung
- Abfallströme der Zuckerrohr- und Reisverarbeitung (BioMatUse – Partnerland Vietnam)
- Recyclingdünger aus Klärschlamm als nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Phosphatdüngern (CLOOP – Partnerländer Australien, Brasilien)
- Biowasserstoff aus Industrieabgasen (BURPED – Partnerland Südafrika)
- Basidiomyceten zur Produktion von Naturstoffen aus Nebenströmen (MOPSACI – Partnerland Argentinien)
Neuartige Verpackungsmaterialien
- Transportboxen aus Biokunststoff (Bio-MS – Partnerland Kolumbien)
- Antimikrobielle Pflanzenextrakte zur Imprägnierung von Verpackungsfolien mittels CO2 statt Lösungsmitteln (IMPREGPACK – Partnerland Chile)
Nachhaltige Bioraffinerie/Kaskadennutzung
- Strom und Wärme aus Reisschalen herstellen (CARE – Partnerland Indonesien)
- Biogas aus Energie-Zuckerrohr – als Alternative zu Erdgas (ProBioSyn – Partnerland Brasilien)
Industrielle Biotechnologie
- Pilzenzyme aus dem Rieselstromreaktor (TrickleZyme – Partnerland USA)
- Entdeckung neuer Pilze für die Bioökonomie (VnmDiv – Partnerland Vietnam)
- Enzymatische Herstellung von Bioalkoholen aus Zuckern für die Produktion von Biokraftstoffen (BINOM – Partnerland Australien)
- Korallenwirkstoffe aus Bakterien herstellen, statt sie aus Korallen zu isolieren (OMCP – Partnerland Kanada)
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Statements der Akteure
Das sagen Forschende zu ihren Erfahrungen mit "Bioökonomie International"
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BMBF-Broschüre "Bioökonomie International"
Noch mehr Informationen über die Fördermaßnahme "Bioökonomie International" hält die gleichnamige BMBF-Broschüre bereit, die im November 2023 erschienen ist. 18 Projekte aus den vergangenen zehn Jahren werden in kompakten Steckbriefen vorgestellt.