Stromerzeugung mit Mikroben

Stromerzeugung mit Mikroben

Eine Brennstoffzelle mit textiler Anode könnte verschiedene Kläranlagen fast energieneutral arbeiten lassen und auch andere biotechnologische Prozesse wirtschaftlicher machen.

So sieht die textile 3D-Bioanode aus dem Projekt TexKoMBZ aus.
So sieht die textile 3D-Bioanode aus dem Projekt TexKoMBZ aus.

Wer an Brennstoffzellen denkt, hat nicht unbedingt gleich Bakterien vor Augen. Doch auch die Mikroorganismen benötigen Energie für ihren Stoffwechsel und gewinnen diese durch elektrochemische Prozesse. Überschüssige Elektronen geben die Einzeller dabei an ihre Umwelt ab. Diesen Umstand wollen sich Biotechnologen zunutze machen und damit mikrobielle Brennstoffzellen antreiben. Das Projekt „Textile Kohlenstoffelektroden für mikrobielle Brennstoffzellen“ (TexKoMBZ) hat dazu eine spezielle Anode entwickelt, die eine künftige Anwendung im industriellen Maßstab realistisch erscheinen lässt.

Bakterien mögen Kohlenstoffelektroden

„Mikrobielle Brennstoffzellen nutzen Kohlenstoffelektroden. Das mögen Bakterien, denn diese sind sehr gut biokompatibel“, erläutert die Biotechnologin Miriam Rosenbaum, die das Projekt an der RWTH Aachen leitete. Die Herausforderung besteht darin, die Bioanode so zu konstruieren, dass die Bakterien eine möglichst große Oberfläche zur Interaktion vorfinden, und gleichzeitig eine hohe Packungsdichte zu erzielen. Bislang scheitern mikrobielle Brennstoffzellen daran, dass ihre Energiedichte nicht ausreicht, um im industriellen Maßstab wirtschaftliche Prozesse zu erlauben.

Das Projekt TexKoMBZ setzte deshalb auf carbonfaserbasierte textile Materialien, an denen die Bakterien wachsen sollen. Diese Textilstoffe haben eine hohe spezifische Oberfläche, eine gute elektrische Leitfähigkeit und weisen sowohl Stabilität als auch Flexibilität auf. Nicht zuletzt lässt sich ihre Porosität gut einstellen, schließlich muss das Abwasser noch zur Elektrode gelangen. Allerdings haben diese Materialien üblicherweise auch eine Plastikschutzschicht, was für die gewünschte Funktion ungeeignet wäre und daher Anpassungen erfordert. „Die spannende Frage war: Können wir damit Bioelektroden maßschneidern?“, schildert Rosenbaum die Herausforderung. Das sei vor allem wegen der Skalierung „sehr, sehr komplex“.

Schema einer Biobrennstoffzelle

Schema einer Biobrennstoffzelle

Brennstoffzelle macht Sauerstoffbegasung überflüssig

Eine gute Skalierbarkeit war jedoch unerlässlich, denn als Anwendungsfeld schwebte den Forschern die Abwasserreinigung vor. Schon heute kommt Bakterien die Aufgabe zu, organische Rückstände in Kläranlagen abzubauen. Dazu benötigen die Mikroorganismen Sauerstoff, um überschüssige Elektronen aus den biochemischen Reaktionen wieder loszuwerden. Dieser Sauerstoff muss energieintensiv in das eigentlich sauerstoffarme Abwasser eingeblasen werden. Würde eine Brennstoffzelle den Bakterien diese Elektronen abnehmen, ließe sich nicht nur viel Energie bei der Sauerstoffversorgung einsparen, sondern auch noch Strom gewinnen. „Eine Kläranlage könnte dann fast energieneutral arbeiten“, so die Vision von Rosenbaum und ihren Kollegen. Nicht zuletzt fiele weniger Klärschlamm an, weil die Bakterien sich langsamer vermehrten, da sie einen Teil ihrer gewonnenen Energie abgeben würden.

„Wir haben verschiedene Designs entwickelt, deren Strömungsdynamik simuliert und getestet und die Aktivität der Bakterien an 2D-Anoden im Labor angeschaut“, beschreibt Rosenbaum die ersten Schritte. Unterschiedliche Formen und Webmuster kamen zum Einsatz, bis hin zu 3D-Strukturen in bestimmten Spannrahmen. Beim Test mit Modellorganismen waren die Forscher jedes Mal gespannt: Wie reaktiv ist die Anode diesmal? Am Ende der Laborversuche stand eine textile Anode, die den Ansprüchen voll genügte.

Anode erfolgreich, Kathode bleibt Problem

Im nächsten Schritt folgte der Test der neuen Elektrode mit Abwasser im Zwei-Liter-Maßstab. Dann wurde es ernst und die Forscher bauten einen 20-Liter-Reaktor in das Abwasseraufbereitungssystem einer Papierfabrik ein. Es folgte die – fast schon erwartete – Ernüchterung: Während die Anode im Labor gute Ergebnisse gezeigt hatte, versagte das Gesamtsystem der Brennstoffzelle in der Praxis. „Das Produkt Anode war ein Erfolg, aber die Kathode wird schnell dysfunktional“, resümiert Rosenbaum. Der Sauerstoff des Wassers wird an der Kathode nur sehr langsam reduziert. Platin könnte das beschleunigen, doch der Katalysator benötigt eine saubere Umgebung, sonst wird er schnell vergiftet und unwirksam. Zahlreiche Kathodenvarianten hat das Team erprobt – ohne durchschlagenden Erfolg. „Das braucht eine andere Expertise als wir sie hatten“, betont Rosenbaum, „aber wir wussten vorher, dass das ein Problem werden könnte.“ Deshalb habe sich das Projekt von Beginn an auf die Anode konzentriert. Mehr sei in zwei Jahren auch nicht zu schaffen, weiß die Projektleiterin aus Erfahrung.

Projektkonsortium

Projektpartner
iAMB – Institut für Angewandte Mikrobiologie der RWTH Aachen University 
IMH – Institut für Modellbildung und Hochleistungsrechnen der Hochschule Niederrhein 
ISA – Institut für Siedlungswasserwirtschaft der RWTH Aachen University 
Institut für Textiltechnik Augsburg gemeinnützige GmbH (ITA)
Heimbach GmbH & Co. KG

Assoziierte Partner
CARBO-TEX GmbH, CM Consult, Güth & Wolf GmbH, Mainsite Technologies GmbH, Rhein Papier GmbH UPM Hürth

Neues Einsatzgebiet für textile Bioanode

Mit dem Ergebnis ist sie dennoch zufrieden, denn das Projektziel einer funktionierenden, hinreichend reaktiven textilen Anode aus Carbonfasern hat das Konsortium erreicht. „Solche Anoden lassen sich toll maßschneidern, das hat das Projekt gezeigt“, freut sich die Biotechnologin. Ob die Entwicklung einer mikrobiellen Brennstoffzelle für Kläranlagen nun weitergeht, ist noch unklar. Rosenbaum selbst hat bereits ein anderes Ziel: Mit ihrem neuen Team am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie will sie die textilen Elektroden weiterentwickeln, diesmal für den Einsatz in Bioreaktoren, wo andere Voraussetzungen für die Kathode vorliegen.

Das Projekt TexKoMBZ wurde von 2016 bis 2018 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Fördermaßnahme „Neue Produkte für die Bioökonomie“ mit insgesamt 778.000 Euro gefördert.

Björn Lohmann