Schweden

Schweden

Schwedens Bioökonomie setzt stark auf nachhaltige Nutzung seiner reichen Waldressourcen und entwickelt biobasierte Produkte als Alternative zu fossilen Rohstoffen. Innovationen in Bereichen wie erneuerbare Energien, biobasierte Materialien und Kreislaufwirtschaft spielen eine zentrale Rolle.

Rechtliche und politische Grundlagen

Schwedens Bioökonomiepolitik ist von einer innovativen Nutzung seiner heimischen Rohstoffe gekennzeichnet, die das Land in Teilbereichen zu einer globalen Spitzenposition führt. Dabei gelingt es dem nordischen Staat, Tradition und Fortschritt auf eine Weise zu verbinden, die neue Kreislaufkonzepte und Akteursnetzwerke entstehen lässt, in denen verschiedenste Stakeholder aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammenarbeiten.

Wichtige Bausteine dafür liefern vor allem sieben ineinandergreifende Strategien und Programme, die seit dem Jahr 2012 veröffentlicht wurden; erstellt und getragen von unterschiedlichen Akteuren aus Politik, Wissenschaft und Privatwirtschaft. 

Das jüngste Dokument En hållbar bioekonomistrategi – för ett välmående fossilfritt samhälle (Eine nachhaltige Bioökonomiestrategie – für eine wohlhabende fossilfreie Gesellschaft“ | ENG Zusammenfassung, S. 25–29) stammt aus 2023. Hierbei handelt es sich um Schwedens umfassendstes Dokument zur Bioökonomie, angefertigt von der staatlichen Untersuchungskommission Bioekonomieutredningen, die für diese Zwecke vom schwedischen Ministerium für ländlichen Raum und Infrastruktur eingesetzt worden war. Die Publikation besteht aus zwei Teilen: einer Analyse, inklusive Stärken, Schwächen und Potenzialen, zur Nutzung flüssiger Biokraftstoffe aus inländischer Biomasse und einer nachgelagerten Strategie. Letztere führt Leitlinien und politische Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche Bioökonomiepolitik auf, wobei die Themen Innovation, Kreislaufwirtschaft, Rohstoffverfügbarkeit, Marktanreize und Wissensausbau prioritär behandelt werden. Außerdem wird eine sektorübergreifende Kooperation von Politik, Industrie, Forschung und Gesellschaft hervorgehoben. Stakeholder dieser Gruppen waren auch in die Konzeption der Strategie eingebunden.  

Im Jahr 2021 wurde die Strategy for fossil free competitiveness – Bioenergy and bio-based Feedstock in Industry Transition von der Initiative Fossilfritt Sverige („Fossilfreies Schweden“) veröffentlicht. Die Organisation wurde 2015 eingerichtet und ist mit Akteuren aus Industrie, Kommunen und Zivilgesellschaft besetzt, die gemeinsam ein fossilfreies Schweden ab 2045 anstreben. Die regelmäßige Veröffentlichung von Roadmaps ist Teil davon. In ihrer Abhandlung zu einer nachhaltigen Bioökonomie liegt ein Fokus auf der effizienten Nutzung von Biomasse aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft, der Förderung von Innovationen in biobasierten Industrien sowie der Schaffung geeigneter politischer Rahmenbedingungen. Die Koordination des Zusammenschlusses obliegt einer schwedischen Regierungsstelle.  

Wenige Jahre zuvor stellte das schwedische Landwirtschaftsministerium (Jordbruksverket) mit dem National Forest Programme 2018 Weichen für eine Stärkung der forstbasierten Bioökonomie, indem die Wälder als zentrale ökologische und wirtschaftliche Ressource des Landes definiert und ihre nachhaltige Nutzung festgeschrieben wurden. Als zentraler Beitrag für die Förderung von Bioökonomie-Innovationen im Allgemeinen gilt das Programm BioInnovation, das seit 2014 das Ziel verfolgt, Schweden bis 2050 in eine biobasierte Wirtschaft zu transformieren. Hierfür wird die Entwicklung neuer biobasierter Materialien, Produkte und Dienstleistungen gezielt durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Industrie, Wissenschaft und öffentlichem Sektor unterstützt. Vinnova (Innovationsbehörde), Energimyndigheten (Energieagentur), Formas (Forschungsrat) sowie die teilnehmenden Organisationen finanzieren das Projekt. Initiiert wurde das Programm von verschiedenen Akteuren aus der Forst-, Chemie- und Textilindustrie. 

Mit der Swedish Research and Innovation Strategy for a Bio-based Economy veröffentlichte Formas 2012 ein politisches Leitdokument, das als wichtiger Ausgangspunkt für die positive Bioökonomieentwicklung im Land gilt.  
 

Wissenschaft

Schwedens Wissenschaftssystem gilt als besonders anwendungsorientiert, forschungs- und innovationsstark. In internationalen Hochschulrankings ist das Königreich regelmäßig mit mehreren Universitäten vertreten. Angesehene Institutionen sind auch im Bioökonomiebereich anzutreffen. Die Swedish University of Agricultural Sciences (SLU), finanziert vom Landwirtschaftsministerium, nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, insbesondere in der forst- und agrarwissenschaftlichen Forschung. Sie betreibt interdisziplinäre Projekte zu nachhaltiger Landnutzung, Ressourcenmanagement und Kreislaufwirtschaft. Die Universitäten Uppsala und Lund sind ebenfalls aktiv, etwa in der biotechnologischen Entwicklung und auch im Bereich Grüne Chemie. Ergänzt wird die Forschungslandschaft durch spezialisierte Institute wie RISE (Research Institutes of Sweden), das auf anwendungsnahe Lösungen ausgerichtet ist und viele Kooperationen mit Industriepartnern pflegt.  

Zudem sind in Schweden eine Reihe spezialisierter Studiengänge zur biobasierten Wirtschaft zu finden. Die SLU bietet den Master Forest Bioeconomy und die Universität Borås Resource Recovery – Biotechnology and Bioeconomy an. Unternehmerische Kompetenzen für die Entwicklung biobasierter Innovationen im Life-Science-Bereich werden im Studiengang Bioentrepreneurship (Karolinska Institutet) vermittelt. An der Universität Uppsala ist der Master Applied Biotechnology zu belegen, der molekularbiologische und industrielle Anwendungen verknüpft. Neben dem Forstsektor ist auch die Blaue Bioökonomie von zentraler Bedeutung. Wissen zu diesem Sektor ist etwa über den Studiengang Sustainable Production and Utilization of Marine Bioresources (University of Gothenburg) zu erlangen.  
 

Wirtschaft

Schweden ist zu fast 60 % mit Wald bedeckt. Dieser Bestand bildet im Land die wichtigste Grundlage für die Herstellung biobasierter Produkte. Neben klassischen Verwertungsmöglichkeiten in Form von Brennholz, Möbelherstellung, Pellets, Zellstoff und Papier steckt in der Extraktion und Aufbereitung des Reststoffs Lignin großes Potenzial: etwa als Additiv für Kosmetikprodukte, als Beimischung in Autoreifen oder für die Herstellung von biologisch abbaubaren Kunststoffen und Textilien. Darüber hinaus kann auch die Lebensmittelwirtschaft profitieren und zum Beispiel naturidentisches Vanillin daraus gewinnen. Auch dieser Industriesektor nimmt mit einer Exportquote von 33 % und als Treiber von Foodinnovationen eine Schlüsselrolle ein. Viele Unternehmen setzen auf regionale, pflanzenbasierte Produkte und biobasierte Verpackungen. Andere haben die nachhaltige Nutzung mariner Ressourcen im Blick, stellen proteinreiche Algen als Nahrungs- und Futtermittel her oder konzentrieren sich auf die Zucht bestimmter Fische und Muscheln, die besonders wenig Ressourcen benötigen. Einer Schätzung von BioInnovation zufolge lag der Anteil der Bioökonomie am BIP im Jahr 2015 bei ca. 6 %. Aktuellere Daten existieren derzeit nicht.  

Innovationen (in den Regionen)

Die Wirtschaft- und Innovationskraft geht außerdem aus regionalen Zusammenschlüssen hervor. Besonders aktiv ist die Region Värmland mit dem Cluster Paper Province, der über 90 Unternehmen aus der forstbasierten Industrie vernetzt. Im Norden arbeitet das Processum Biorefinery Cluster in Örnsköldsvik an Innovationen rund um Holz-Biomasse und Bioraffinerien. Das grenzüberschreitende Projekt The Bioeconomy Region verknüpft Akteure aus Värmland, Dalarna und Norwegen, während das Bioeconomy Cluster North Middle Sweden die regionale Wettbewerbsfähigkeit durch Kooperation von Industrie, Forschung und kleinen Unternehmen stärkt. 

Autorin: Kristin Kambach