Globaler Schiffverkehr: Invasion der Arten vorausgesagt
Forscher aus Oldenburg und Frankfurt am Main warnen vor den Folgen einer Invasion durch fremde Tier- und Pflanzenarten, die als blinde Passagiere in Frachtschiffen einwandern und Ökosysteme nachhaltig verändern können.
Forscher aus Oldenburg und Frankfurt am Main haben untersucht, wie sich der weltweite Schiffverkehr auf die Verbreitung fremder Tier- und Pflanzenarten auswirkt. Mit Hilfe einer neuen Modellierungsmethode konnten sie das Risiko einer Invasion fremder Meeresbewohner errechnen, die als blinde Passagiere an Bord der Frachtschiffe in neue Regionen gelangen. In der im Fachjournal PNAS (2016, Online-Veröffentlichung) erschienen Studie kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass in Gegenden mit hohem Schiffsaufkommen und gemäßigtem Klima zukünftig mit solchen „Einwanderern“ verstärkt zu rechnen ist. In der Nordsee wurden bereits Algen gesichtet, die aus asiatischen Gewässern stammen.
Ein Großteil des weltweiten Handels wird über den Schiffsverkehr abgewickelt. Doch an Bord der Handelsschiffe werden längst nicht nur Waren transportiert. Schiffsrümpfe und Tanks mit Ballastwasser sind ein beliebter Hort für Tiere und Pflanzen, die unbemerkt in den Häfen ihrer Heimatländer an Bord gehen und in fremden Ländern genauso unauffällig das Schiff wieder verlassen. Das Problem: Eine Invasion fremder Tier- und Pflanzenarten kann ganze Ökosysteme verändern und Schäden in Milliardenhöhe verursachen.
Forscher vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main und der ICBM der Universität Oldenburg haben daher das Reiseverhalten der blinden Passagiere im Frachtschiffverkehr genauer untersucht. „Es ist wichtig zu wissen, wann und wo Tierarten in unsere Ozeane einwandern, um negative Auswirkungen zu vermeiden beziehungsweise zu verringern“, erklärt Hanno Seebens vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main und Hauptautor der Studie.
Simulationsmodell erweitert
Mithilfe eines neuen Modellierungsmodells konnte das Team aufzeigen, wie der globale Frachtschiffverkehr die Ausbreitung fremder Tier- und Pflanzenarten befördert und in welchen Regionen die „Einwanderung“ am größten sein wird. „Für unsere Simulationen benutzen wir ein mathematisches Modell, welches Daten über Schiffsbewegungen und Schiffsgrößen mit Wassertemperaturen und Salzgehalt des Wassers verbindet, um die Wahrscheinlichkeit einer Invasion zu bestimmen“, erläutert Bernd Blasius vom Oldenburger ICBM. Im Vergleich zu früheren Modellen kann das neue System erstmals auch errechnen, welche Tier- und Pflanzenarten auswandern werden. Dafür wurde das Programm mit Verbreitungskarten von potenziell invasiven Arten gekoppelt
Klimawandel befördert Invasion
Der Studie zufolge werden in der Nordsee und an den Küsten der USA zukünftig vermehrt solche Eindringlinge zu erwarten sein. Als Grund werden die ähnlichen Bedingungen in den Meeresregionen genannt, die zudem durch einen regen Schiffsverkehr mit einander verbunden sind. „In der Nordsee konnten sich bereits zwei neue Algen-Arten – Prorocentrum minimum und Polysiphonia harveyi – ansiedeln, die wir als Hochrisiko-Arten eingestuft haben. Hier haben sich unsere Vorhersagen schon bestätigt“, berichtet Seebens. Vor allem an der Westküste der USA rechnen die Forscher in Folge des globalen Klimawandels und der damit verbundenen Erhöhung der Wassertemperatur mit einer besonders großen Invasion fremder Tier- und Pflanzenarten. „Der Klimawandel erhöht die Gefahr einer Invasion – dort beobachten wir heute schon erste Einwanderungen aus Asien als Folge der erhöhten Wassertemperatur“, ergänzt Seebens.
Maritime Eindringlinge stoppen
Ziel der Forscher ist es, mithilfe der gesammelten Informationen aus dem Modellsystem eine Invasion der marinen Tier- und Pflanzenarten zu verhindern. Denn die Einwanderung invasiver Arten verursacht allein innerhalb der Europäischen Union Kosten von mehreren Milliarden Euro pro Jahr. Das neue Modellierungssystem kann Seebens zufolge problemlos erweitert werden, um die Ausbreitung anderer Tier- und Pflanzenarten zu untersuchen.