Algen-Gelee aus Chile lässt Stammzellen prächtig gedeihen
Aus zwei Algenarten von der chilenischen Küste gewinnen Fraunhofer-Forscher einen vielversprechenden Nährboden für die Vermehrung pluripotenter Stammzellen.
Algen sind eine Fundgrube wertvoller Inhaltsstoffe, die sowohl für die Pharma- und Kosmetikindustrie interessant sind. Doch in den Winzlingen steckt noch mehr: Ihr Stützskelett besteht aus Alginat. Dieses Material scheint der ideale Nährboden für die Vermehrung von pluripotenten Stammzellen zu sein. Das haben Forscher vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT im saarländischen Sulzbach herausgefunden.
Lessonia trabeculata und Lessonia nigrescens heißen die zwei Algenarten, die vor der Küste Chiles wachsen. Mit deren Hilfe könnte zukünftig auch hierzulande der wachsende Bedarf an pluripotenten Stammzellen für die medizinische Forschung gedeckt werden und Medikamententests erleichtert werden. Davon sind zumindest die Forscher vom Fraunhofer-IBMT überzeugt. Denn das Stützskelett der Winzlinge – das Alginat – erwies sich in Untersuchungen als perfekter Nährboden, um Stammzellen im Labor zu kultivieren. Den Herstellungsprozess sowie die Technologieplattform haben die IBMT-Wissenschaftler aus Sulzbach gemeinsam mit Kollegen in Chile und Großbritannien entwickelt.
Perfekte Umgebung für Zellen
In einem vom IBMT und von Fraunhofer Chile betriebenen Labor an der Universität Coquimbo wurde die geernteten Algen zunächst innerhalb von 24 Stunden geschält, zerkleinert und getrocknet, bevor sie nach Deutschland kamen. Im Reinraum am IBMT lösten die Forscher dann das Alginat aus dem Granulat. Dieses dann in flüssiger Form vorliegende Material wurde mit Hilfe eines starken Luftstrahls wieder zu Kügelchen geformt. Mit Barium vernetzt, wurde die Masse stabil und flexibel gemacht, war aber dabei für Nährstoffe immer noch durchlässig. „Zellen fühlen sich wie im Körper in elastischen dreidimensionalen Umgebungen besonders wohl. Genau diese Umgebung kann mit Alginat perfekt simuliert werden“, erklärt IBMT-Institutsleiter Heiko Zimmermann. Gleichzeitig brachten die Forscher Wirkstoffe in das Alginat ein und setzten sie unter ständiger Kontrolle frei - etwa Stoffe, die pluripotente Stammzellen in bestimmte Körperzellen umwandeln. Durch die Mischung der beiden Algenarten konnten sie zudem Elastizität und Größe des Alginats flexibel bestimmen.
Algenskelett wird zur Petrischale für Stammzellzucht
In einem Bioreaktor wurde das mit Proteinen beschichtete Alginat unter optimaler Temperatur und CO2-Umgebung kontinuierlich umgerührt. Dabei stellten die Forscher fest: Jedes einzelne der 200 Mikrometer großen Kügelchen übernahm dabei die Rolle einer Petrischale, in der Stammzellen das Alginat besiedelten und innerhalb von drei bis sieben Tagen vermehrten. Hinzukommt, dass die Alginatmengen in den Bioreaktoren unproblematisch erhöht werden konnten, so dass pluripotente Stammzellen auf wenig Raum in großer Zahl wachsen konnten.
Alginat könnte auch Zellwachstum beeinflussen
„Die Stammzellen wachsen besser auf unserem Alginat, insbesondere auch in automatisierten Bioreaktoren. Sie lassen sich besser ausdifferenzieren – in gewünschte Körperzellen umwandeln – als auf Kunststoffuntergrund, der heute standardmäßig eingesetzt wird“, erklärt Zimmermann. Er ist daher überzeugt, dass das Algenskelett in Zukunft nicht nur als passiver Nährboden fungieren, sondern auch aktiv das Wachstum der Stammzellen beeinflussen wird. Derzeit wird die Zellvermehrung in Laboren britischen Pharmaunternehmen validiert. Ziel ist es zu zeigen, dass mit dem Prozess stabil pluripotente Stammzellen produziert werden können. „Am Institut konnten wir das bereits für viele einzelne Stammzelllinien nachweisen“, sagt Zimmermann. Im nächsten Jahr sind weitere Versuche geplant.