Seit Jahrtausenden nutzt der Mensch den Boden als Ressource. Doch Bebauung, Klimawandel und intensive Landwirtschaft setzen den Böden seit Jahren zu und gefährden damit das ökologische Dienstleistungssystem. Vor allem die intensive konventionelle Bewirtschaftung der Felder schadet Umwelt und Klima gleichermaßen. Dazu zählen intensive Bodenbearbeitung, einseitige Fruchtfolgen, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder eine nicht an die Standortverhältnisse angepasste Düngung. Ein nachhaltiger Umgang mit der Ressource Boden ist daher wichtiger denn je. Landwirte stehen daher vor der Aufgabe, ihr Bodenmanagement den neuen Herausforderungen anzupassen. Hier setzt das Projekt „I4S - Intelligence for Soil“ an. Es wurde seit 2015 im Rahmen der Fördermaßnahme BonaRes (Boden als nachhaltige Ressource) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 7,8 Mio. Euro gefördert.
Bodeneigenschaften standortspezifisch bestimmen
In dem Projekt will ein Konsortium unter Leitung des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam die Bodenbewirtschaftung mit Hilfe von Sensoren effizienter und nachhaltiger gestalten. Ziel des Verbundprojektes ist die Entwicklung eines integrierten Systems zur standortspezifischen Steuerung der Bodenfruchtbarkeit durch ein modernes Düngemanagement. „Die kleinste Bewirtschaftungseinheit in der Landwirtschaft ist derzeit der Ackerschlag. Wir müssen aber die kleinräumigen Bodenunterschiede innerhalb der Felder stärker berücksichtigen. Denn die Bodeneigenschaften innerhalb eines Schlages können sehr unterschiedlich sein und damit auch der Düngebedarf“, erklärt Projektleiter Sebastian Vogel vom ATB. Die übliche flächeneinheitlich Bewirtschaftung führt Vogel zufolge zur Überdüngung auf Teilen der Fläche und somit zu Umweltbelastungen, während andere Teile der Fläche zu wenig Dünger erhalten und hier das Ertragspotenzial nicht ausgeschöpft wird.
Um die unterschiedlichen Bodeneigenschaften innerhalb eines Schlages kleinräumig zu ermitteln, müssten normalerweise unzählige Bodenproben genommen und im Labor untersucht werden. Für die Landwirte ein enormer Zeit- und Geldaufwand. Das Team suchte daher nach einer Möglichkeit, die Bodeneigenschaften räumlich hochauflösend zu messen, aber mit geringerem Aufwand. „Mit Bodensensoren kann man relativ schnell und kostengünstig hochaufgelöste Bodendaten gewinnen und daraus Bodeneigenschaftskarten generieren, die für eine präzisere und standortgerechte Düngebedarfsermittlung genutzt werden können“, erklärt der Geoökologe.
In der zweiten Projektphase von 2018 bis 2022 entstand eine Multisensorplattform, die den Oberboden eines Ackers detailliert kartiert. Die Arbeit der Verbundpartner wurde dabei vom BMBF mit insgesamt 4,8 Mio. Euro gefördert, das ATB-Team erhielt davon rund 1,2 Mio. Euro. Der sogenannte RapidMapper ist ein vierrädriger Anhänger, der von einem Traktor oder Geländewagen über das Feld gezogen werden kann und auf dem derzeit vier verschiedene Sensorsysteme montiert sind. Diese vier Sensoren erfassen auf Grundlage unterschiedlicher Messverfahren unter anderem die für die Landwirtschaft wichtigen Bodeneigenschaften pH-Wert, Humusgehalt und Bodentextur. Weitere Zielgrößen sind die Nährstoffe Stickstoff, Phosphor, Magnesium, Kalium, Kalzium und Schwefel.
„Leider ist es nicht möglich, diese agronomisch relevanten Bodeneigenschaften mit den Sensoren direkt zu erfassen. Stattdessen messen die Sensoren andere Bodeneigenschaften, die mit ihnen stark korrelieren. Deshalb kommt man bei der Sensorkartierung noch nicht ganz ohne zusätzliche Laboranalysen von einigen wenigen Bodenproben aus, mit denen man dann hunderte oder tausende von Sensormessungen kalibriert“, erklärt der Forscher. Hieraus ergibt sich der Forschungs- und Entwicklungsbedarf, dem sich das Projekt I4S widmet.
Zu den verwendeten Messverfahren zählt die Geoelektrik, welche die elektrische Leitfähigkeit des Bodens erfasst und Rückschlüsse auf Bodentextur und Bodenfeuchte zulässt. Der Gammasensor wiederum misst die natürliche Gammastrahlung des Bodens und liefert Informationen zum Kaliumgehalt und ebenfalls zur Bodentextur. Der dritte Sensor – ein Nahinfrarotspektrometer – lässt aufgrund der Reflexion oder Absorption von Licht im Boden Rückschlüsse auf den Humusgehalt, die Nährstoffgehalte oder den pH-Wert zu. Der vierte Sensor sind ionenselektive Elektroden (ISE), die den pH-Wert des Bodens messen.
Eine der größten Herausforderungen war es laut Vogel, verschiedene Sensorsysteme auf einer Plattform unterzubringen, da die unterschiedlichen Messbedingungen – Messzeiten, Platzansprüche und Datenströme – eng aufeinander abgestimmt werden müssen. Zudem unterliegt das gesamte System bei der Fahrt über den Acker extremen mechanischen Belastungen. An der Entwicklung der Sensormodule waren neben dem ATB Potsdam auch die Universität Potsdam, das Ferdinand-Braun-Institut gGmbH in Berlin, die Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. in Villingen-Schwenningen, die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin und die Universität Bonn beteiligt.
Messdaten für hochauflösende Bodenkarten
Am Ende liefert der RapidMapper Messdaten für jeden Quadratmeter Acker, die Aufschluss über die Bodenfruchtbarkeit und den Düngebedarf geben. „Mit Laboranalysen allein wäre das nicht möglich“, sagt Sebastian Vogel. Aber ganz ohne Laborarbeit geht es dann doch nicht. Schließlich „werden die Sensordaten mit Hilfe einiger weniger Referenzproben und anschließender Laboranalyse der Bodeneigenschaften“ in Kombination mit maschinellem Lernen kalibriert. Daraus entstehen dann die hochauflösenden Bodeneigenschaftskarten für die Düngebedarfsermittlung. Um den Nährstoff- und Wasserbedarf zu prognostizieren, werden von Projektpartnern am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und der TU München zudem dynamische Pflanzenwachstumsmodelle eingesetzt.
Software errechnet Düngebedarf
Die Fülle an Sensor- und Modelldaten bildet schließlich die Grundlage für eine Software, die Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen des Projekts entwickeln. Dieses „Entscheidungsunterstützungssystem“ errechnet den Düngebedarf und erstellt daraus Applikationskarten, die zeigen, welche Bereiche des Feldes wie viel Dünger bekommen sollten. „Idealerweise macht diese Sensorkartierung zukünftig ein landwirtschaftlicher Dienstleister, der die Sensorplattform besitzt und die Daten selbst erhebt und verrechnet. Der Landwirt erhält dann lediglich eine Düngebedarfs- oder Applikationskarte in digitaler Form, die er direkt auf den Düngerstreuer laden kann“, erklärt der Projektleiter.
Forschung zu Unterbodenkartierung läuft
Die Entwicklung der Software ist noch nicht abgeschlossen. Auch die Forschung zur sensorgestützten Bodenbewirtschaftung geht weiter. Mittlerweile befindet sich das Projekt in Phase drei. Deren Ziel ist es, den RapidMapper mit weiteren Sensoren auszustatten, um den Oberboden noch besser charakterisieren zu können. Außerdem soll eine weitere Multisensorplattform entstehen, der sogenannte RapidProfiler, um Bodenprofile und damit den Unterboden zu kartieren. „Um den Düngebedarf genau zu ermitteln, muss man sich nämlich den gesamten durchwurzelbaren Bodenraum anschauen“, erklärt Sebastian Vogel. „Und wenn wir die hochauflösende Oberbodenkartierung mit der stichpunktartigen Unterbodenkartierung kombinieren, können wir im nächsten Schritt dreidimensionale Bodenkarten erstellen.“ Zukünftig soll das Projekt I4S auch Informationen zur Optimierung der Bodenbearbeitung und Bewässerung liefern.
Werkzeug für effizienteres Bodenmanagement
Die Forschenden sind überzeugt, dass Landwirte mit ihrer sensorbasierten Technologie am Ende eine bessere Datengrundlage haben, um den Düngebedarf genauer zu bestimmen und die Landwirtschaft mit einem effizienteren Bodenmanagement fit für die Zukunft zu machen. „So können Erträge optimiert, Ressourcen gezielter eingesetzt und Umweltbelastungen reduziert werden“, so der Projektleiter.
Autorin: Beatrix Boldt