240 Experten diskutieren auf Bioökonomie-Konferenz in Halle

240 Experten diskutieren auf Bioökonomie-Konferenz in Halle

Rund 240 Bioökonomie-Experten haben sich bei der International Bioeconomy Conference in Halle über aktuelle Entwicklungen der Branche ausgetauscht. Die Veranstaltung fand Anfang Juni auf Einladung des Wissenschaftscampus Halle statt, der sich als wichtiger Akteur einer pflanzenbasierten Bioökonomie etabliert hat.

Jedes Jahr laden der Wissenschaftscampus Halle und der Spitzencluster BioEconomy zu einer zweitägigen Konferenz nach Sachsen-Anhalt.
Jedes Jahr laden der Wissenschaftscampus Halle und der Spitzencluster BioEconomy zu einer zweitägigen Konferenz nach Sachsen-Anhal

Insgesamt 240 Teilnehmer waren der Einladung des Wissenschaftscampus Halle-Pflanzenbasierte Bioökonomie (WCH) sowie des Spitzenclusters BioEconomy nach Halle (Saale) gefolgt, um aktuelle Herausforderungen der Bioökonomie zu diskutieren. Die zweittägige "International Bioeconomy Conference" fand Anfang Juni zum fünften Mal statt, in diesem Jahr gab es zudem einen Fokus auf biobasiertes Wirtschaften in den Benelux-Länder. Mit der Konferenz unterstreicht der 2011 ins Leben gerufene Wissenschaftscampus seine Rolle als wichtiger Akteur der Bioökonomie  - auf nationaler sowie internationaler Ebene. Der Verbund von vier regionalen Leibniz-Instituten und der Martin-Luther-Universität kann inzwischen langfristig planen.  Nachdem die Leibniz-Gemeinschaft ihre Förderung bis 2018 ausgebaut hat, hat das Land Sachsen-Anhalt nun eine Unterstützung bis ins Jahr 2022 in Aussicht gestellt.

Die Konferenz warf Schlaglichter auf wichtige Themen der pflanzenbasierten Bioökonomie wie Pflanzenproduktivität, Wertschöpfungsketten bis hin zu sozioökonomischen Aspekten. Die Veranstaltung unterstrich auch die politische Bedeutung der Bioökonomie für Mitteldeutschland. Hans-Joachim Hennings, Abteilungsleiter Forschung, Innovation und Europa im sachsen-anhaltischen Wirtschaftsministerium betonte das landesweite Potenzial: "Sachsen-Anhalt hat sich zu einem Zentrum der Biomassenutzung in Anbau und Verwertung entwickelt. Das Land Sachsen-Anhalt hat im Jahr 2014 zudem die "Chemie und Bioökonomie" zu einem seiner fünf Leitmärkte erklärt. Die Bioökonomie bietet neue Märkte und Wachstumschancen, die wir nutzen wollen." Wie bioökonomie.de erfuhr, will das Land die Förderung für den Hallenser Wissenschaftscampus bis ins Jahr 2022 ausweiten.

Wirtschaftsethiker nehmen Agrar-Mythen ins Visier

Der Wirtschaftsethiker Ingo Pies von der Universität Halle machte deutlich, dass die soziale Akzeptanz des Konzepts Bioökonomie bislang in der Forschung kaum adressiert wurde. Aus Sicht der Ethik spielt sich die Bioökonomie in einem Rechtsrahmen, in einem moralischen Rahmen und in einem technologischen Rahmen ab. Bei der Grünen Gentechnik habe man gesehen, wie ein Diskurs scheitere, wenn eine auf emotionale Vorurteile zugespitzten Debatte eine rationale und balancierte Diskussion verhindere. „Wir wollen nun in einem neuen Forschungsprojekt landwirtschaftliche Mythen aus ethischer und agrarökonomischer Sicht betrachten“, sagte Pies. Die Herangehensweise des Hallenser Forschers wird ordonomische Wirtschaftsethik genannt: Sie betrachtet die wechselseitige Abhängigkeit von Sozialstruktur und Semantik. 

Die Bioökonomie in Deutschland vermessen

In Halle wurde zudem die Bedeutung von Daten und Fakten zur Bioökonomie diskutiert. In bisher nicht dagewesener Tiefe Daten zur Bioökonomie in Deutschland ermitteln, darauf zielt der Holzmarktexperte Holger Weimar vom Thünen-Institut in Hamburg ab. Sein Team wurde vom Bundeslandwirtschaftsministerium damit beauftragt, zum Bioökonomie-Projekt „Monitoring Pilot“ beizutragen. Dazu werden die Forscher Informationen zur Ressourcenbasis von Bioökonomie-relevanten Branchen in Deutschland sammeln und auswerten - eine große Herausforderung, wie Weimar betonte: "Es gibt riesige Datenlücken." Auch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördern unterschiedliche Komponenten des Monitorings.

Niedrige Ölpreise blockieren Grüne Chemie

Joachim Schulze von ThyssenKrupp Industrial Solutions machte in seinem Vortrag wiederum deutlich, wie schwierig es ist, vielversprechende Ideen der „Grünen Chemie“ aus dem Labormaßstab in die industrielle Anwendung zu überführen. Schulze betonte: „In der chemischen Industrie haben biobasierte Produkte praktisch nur eine Chance, wenn ihr Preis unter oder gleichauf mit erdölbasierten Verfahren liegt und sie in ihrer Qualität mindestens gleich gut oder überlegen sind." Die niedrigen Ölpreise würden die Bemühungen der „Grünen Chemie“ derzeit jedoch stark zurückwerfen. Er betonte zudem, dass vor allem das  Downstream-Processing ein Stolperstein auf dem Weg in den Markt sei. Hier würde jedoch das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) als Bioraffinerie-Forschungszentrum in Leuna  weltweit einzigartige Möglichkeiten bieten, diese kritischen Schritte zu testen. ThyssenKrupp hat in Leuna eine Pilotanlage für die Produktion von Bio-Chemikalien aufgebaut.

Isopropanol aus der Zellfabrik

Eine Kooperation mit dem Forschungszentrum in Leuna gibt es auch von Forschern um Markus Pietzsch von der Universität Halle. Sie wollen Mikroben in Zellfabriken der Chemikalie Isopropanol verwandeln - und dafür mit Zuckern aus Holzhydrolysaten gefüttert werden, wie sie in Leuna gewonnen werden. Dafür haben die Biotechnologen das Bakterium E.coli mit vier Enzymen ausgestattet, die jeweils von unterschiedlichen Mikroorganismen stammen.

Internationale Weizenzüchtung mit deutscher Beteiligung

Auf der Konferenz in Halle wurde auch die internationale Weizen-Initiative (Global Wheat Initiative) vorgestellt, die auf Initiative der G20 Agrarminister im Jahr 2011 gegründet wurde. Dabei handelt es sich um ein Züchtungs- und Forschungsnetzwerk aus 16 Ländern, neun Züchtungsunternehmen und zwei internationalen Forschungszentren aus dem CGIAR-Konsortium. Deutschland ist ebenfalls vertreten, unter anderem durch das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben und das Julius-Kühn-Institut (JKI). Die Forscher wollen die Weizenzüchtung effizienter und nachhaltiger gestalten, indem sie vorhandene Ressourcen besser nutzen und ihre Forschungsanstrengungen abstimmen. Nur so könne der wachsende Bedarf an Nahrungsmitteln für eine wachsende Weltbevölkerung gestillt werden. Experten rechen für das Jahr 2050 mit einem Nachfrageplus von 60% gegenüber 2010. Daher müsste der jährliche Ertragsfortschritt von 1,1% auf 1,6% steigen. Seit 2014 ist JKI-Professor Frank Ordon Vorsitzender des Forschungskommitees der Initiative. In Halle berichtete er, welche Ziele sich die Forscher in den nächsten Jahren vorgenommen haben. "Im Idealfall wollen wir das Ertragspotenzial einiger Weizensorten bis zum Jahr 2040 um 50% steigern." Dies soll unter anderem dadurch erreicht werden, dass Weizenpflanzen widerstandsfähiger gegenüber Schadorganismen und sich ändernden klimatischen Bedingungen werden.

Viele internationale Vorträge auf der Konferenz waren in diesem Jahr den Benelux-Ländern und ihren Erfahrungen beim Aufbau einer biobasierten Wirtschaft gewidmet. Wie sich die Bioökonomie  in den Niederlanden als Jobmotor entwickeln könnte, erläuterte beispielsweise Hans van Meijl von der Universität in Wageningen. Für das kommende Jahr kündigten die Veranstalter in Halle einen Schwerpunkt Frankreich an.