EU diskutiert nationale Anbauverbote für Gentechnik-Pflanzen
Die EU-Umweltminister haben in Brüssel über einen Kompromiss-Vorschlag zu nationalen Anbauverboten für Gentechnik-Pflanzen beraten. Eine Einigung ist in Sicht.
Die EU-Umweltminister haben am 2. März in Brüssel erneut über nationale Anbauverbote für gentechnisch veränderte Pflanzen diskutiert. EU-Zulassungen sollen beschleunigt werden, den EU-Mitgliedsstaaten wird allerdings eine neue Ausstiegsoption offen gehalten. Laut einem eingereichten Entwurf des griechischen EU-Ratsvorsitzes sollen die wissenschaftlichen Legitimierungen für ein nationales Verbot um sozioökonomische Kriterien erweitert werden. Ob des Kompromisses zeichnet sich nach jahrelangem Stillstand nun eine Einigung in der Kommission ab. Sowohl Gentechnik-Gegner als auch Befürworter kritisieren den Entwurf jedoch als halbherzig.
Nachdem Mitte Februar der Europarat von Pioneer Dupont mobilisieren konnte, gilt die Zustimmung durch die EU-Kommission als reine Formsache. Sie muss auf Grundlage der insgesamt sechs positiven Bewertungen der Lebensmittelbehörde EFSA für den Anbau votieren. Der damalige Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte sich unmittelbar nach der Abstimmung für eine Ausstiegsklausel stark gemacht. Auf Initiative der griechischen Ratspräsidentschaft diskutierten die EU-Umweltminister in Brüssel nun erneut über Verbotsregelungen, die auf Gesetzentwürfen von 2012 basieren.
Entwurf ermöglicht Verbot trotz Unbedenklichkeit
Im Kern des griechischen Kompromiss-Vorschlages geht es darum, auch dann den einzelnen Mitgliedsstaaten Anbauverbote für transgene Pflanzen zu gestatten, wenn zuvor die wissenschaftliche Unbedenklichkeit von der EFSA bescheinigt wurde (Safeguard-Klausel). Die zentrale EU-Zulassung soll beschleunigt, den Staaten jedoch eine Verbotsoption offengehalten werden. Der Vorschlag basiert inhaltlich auf einem Gesetzentwurf, der dänischen Regierung von 2102. Diesen hatte sie ins Spiel gebracht, nachdem die Kommission 2010 nationale Anbauverbote angeregt hatte. Den bisherigen Vorschlag blockierten Deutschland, Belgien, Großbritannien und Frankreich. Der neue Entwurf wird jedoch von Großbritannien befürwortet, sodass die Sperrminorität aufgehoben wäre. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) befürwortet indes den jetzigen Vorschläge. Sie gehe davon aus, dass die Änderungen übernommen werden, so Hendricks am Rande des Ministertreffens.
Wissenschaft als Maß der Dinge
Die bislang einzige legitime Begründung einer nationalen Regierung für ein Verbot sind neu gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse, die auf eine Gefährdung für Mensch und Umwelt durch den Anbau hinweisen. Diese soll laut der Kommission nun durch andere Kriterien erweitert werden: Dabei geht es unter anderem um Landnutzungsziele oder sozioökonomische Gründe. In einer kleinteiligen Landwirtschaft etwa ist die Auswirkung von unerwünschtem Pollenflug größer als bei großflächigen Monokulturen. Während des Zulassungsprozesses sollen die Länder mit den Agrarkonzernen darüber beraten, ob sie den Anbau wünschen und die Konzerne gegebenenfalls entsprechende Länder aus dem Vertrag entfernen. Verweigern die Konzerne die Zustimmung, wird den Staaten aus oben genannten Gründen ein Anbauverbot zugesagt. Eine Übergangsregelung soll es auch ermöglichen, nachträglich den MON810-Anbau zu verbieten.
Kritik aus beiden Lagern
Gegner und Befürworter von Grüner Gentechnik sind mit dem Kompromiss indes nicht einverstanden. Gentechnik-Kritiker halten die Verbote für juristisch nicht wasserdicht. Harald Ebner, Gentechniksprecher der Grünen, hält es für „undenkbar, dass Staaten mit Saatgutkonzernen über die Nutzung ihrer Äcker verhandeln“, hieß es in Medienberichten. Es handle sich um ein „vergiftetes, rechtlich fragwürdiges Angebot, das ein Gentech-Chaos erzeugen werde“, so der Politiker auf seiner Homepage.
DIB: Sicher ist sicher ist zulässig
Für die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) sind nicht-naturwissenschaftliche Legitimationen für regionale Verbote subjektiv und daher nicht justiziabel. Eine positive Sicherheitsbewertung durch die zuständigen Behörden per se verpflichte zur EU-weiten Zulassung, heißt es in einer Stellungnahme. Untermauert werde dies durch den Europäischen Gerichtshof. Der argumentiert, dass wirtschaftliche Gründe keine Rechtfertigungen für Eingriffe in die Warenverkehrsfreiheit und damit für Nutzungsbeschränkungen sind.
bb