Bühne frei für originelle Bioökonomie-Produktideen
Krebsarzneien aus künstlichen Pflanzengeweben und Tier-WGs für die nachhaltige Zucht - solche Visonen haben in einem Bioökonomie-Ideenwettbewerb überzeugt. Nun folgt eine Sondierungsphase für die besten Ideen.
Mit dem Ideenwettbewerb "Neue Produkte für die Bioökonomie" sucht das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nach originellen Ideen für eine biobasierte Zukunft. Der Preis: Die Ausarbeitung der Idee und Studien zur Realisierbarkeit des Produkts werden vom Ministerium gefördert. Aus mehr als 200 Bewerbungen haben es nun 32 Projekte in die zweite Phase geschafft. Darunter: Technische Pflanzengewebe oder Mikromesskugeln für Reaktoren. Bei einem Auftakttreffen zur Sondierungsphase haben sich nun die zur Förderung ausgewählten Teilnehmer in Berlin getroffen. Höhepunkt war ein Science Slam am 21. August im Frannz Club im Bezirk Prenzlauer Berg. Hier präsentierten einige Teilnehmer ihre Projekte ganz in Slam-Manier spritzig und mit Witz. Am Folgetag erwartete die Erfinder ein Workshop-Programm.
Mit einem ganz neuen Förderformat will das BMBF kreative Köpfe dabei begleiten, ihre Visionen für nachhaltige Produkte in die Realität umzusetzen. Den Ideenwettbewerb „Neue Produkte für die Bioökonomie“ hat das Ministerium im Rahmen der „Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030“ ins Rollen gebracht - im Ergebnis des „Strategieprozess Biotechnologie 2020+". Eine erste Ausschreibung wurde im vergangenen Jahr gestartet. Bewerber konnten bis Dezember 2013 Ideenskizzen für innovative Produktideen einreichen. Kurz und knapp müssen sie sein. Eine weitere Maßgabe: Augenmerk sollte nicht nur auf Wirtschaftlichkeit, sondern vielmehr auf dem gesellschaftlichem Nutzen liegen.
Sondieren, Machbarkeit prüfen, machen
Von mehr als 200 Produktideen hat die Jury inzwischen 32 Projekte ausgewählt, die nun in einer neunmonatigen Sondierungsphase vertieft ausgearbeitet werden sollen. Ideenträger aus wissenschaftlichen Einrichtungen bekommen in dieser Phase bis zu 50.000 Euro, Unternehmen aus der Privatwirtschaft können davon maximal die Hälfte als Förderungerhalten. Der nächste Schritt für die erfolgreichsten Konzepte: Auf die Sondierungsphase folgt eine Machbarkeitsphase, in der Studien zur technischen Realisierbarkeit der Idee durchgeführt werden. Dabei sind die Wissenschaftler und Tüftler nicht alleine: Fehlt die nötige Markterfahrung können Wirtschaftsexperten in die Arbeitsplanung eingebunden werden. Für diese Phase stellt das BMBF bis zu 250.000 Euro Fördermittel zur Verfügung.
Science Slam im Herzen Berlins
Für die aktuell ausgewählten Projekte läutete ein Science Slam den Auftakt der Sondierungsphase ein. Im Frannz Club in der Berliner Kulturbrauerei wurden 7 der 32 zur Förderung ausgewählten Projekte präsentiert. In Science-Slam-Tradition wurde der Gewinner durch Publikumsabstimmung gekürt. Koch Johann alias Forstwirt Norbert Wagemann vom Steinbeis-Forschungszentrum in Tübingen überzeugte beispielsweise mit seiner „Freestyle-Performance“. Ohne Hilfsmittel und nur in Kochkluft traf er den kulinarischen Nerv der Zuschauer in Büttenreden-Manier. Seine ungewöhnliche Idee: Rar werdende Speisefische wie Felchen und den von invasiven Arten bedrohte Europäische Edelkrebs zusammen in einem geschlossenen System zu züchten. Klingt einfacher als es ist – Parameter wie Lebenszyklen, Aktivität, Nahrungsspektrum und viele weitere Eigenschaften beider WG-Bewohner müssen genauestens aufeinander abgestimmt werden
Mikrofluidreaktoren – die technischen Pflanzengewebe
Ebenfalls auf Zusammenarbeit, allerdings auf molekularer Ebene, fokussiert das Vorhaben des Pflanzenphysiologen Peter Nick vom Karlsruher Institut für Technologiey (KIT). Zu Beginn hielt er ein verschrumpeltes Würmchen in die Höhe. Der Wert: 500 Euro. Die Chinesische Raupe wurde durch einen extrem seltenen Pilz dahingerafft, der einen besonderen Wirkstoff produziert. Dieser verhindert das Abstoßen eines fremden Organs nach einer Herztransplantation. Der Nadelbaum Cephalotaxus hainanensis wiederum produziert ein Alkaloid mit krebsheilender Wirkung. Das Problem: Die Pflanze ist akut vom Aussterben bedroht.
„Genau diese Schätze wollen wir nutzbar machen“, sagte Nick. Hierzu entwickelt er mit seinem Team den Mikrofluid-Reaktor. „Es reicht nicht aus, einfach Zellen der Pflanze in der Kulturschale zu züchten. Pflanzenzellen sind Teamplayer“, so der Molekularbiologe. Die Wirkstoffproduktion funktioniert nur im Zellverbund mit verschiedensten Zelltypen im Blatt. Die Erfindung besteht im Prinzip aus einem Trägermedium mit einzelnen Kammern. Darin befinden sich verschiedene Zelltypen, welchen zuvor die Zellwände als natürliche Barriere entfernt wurden. Interagieren können die Kammern durch Mikrofluidik, also mittels Flüssigkeitsströmungen mikroskopischer Größenordnung. Diesen künstlichen Zellverbund nennt Nick „technisches Pflanzengewebe“. Enthalten diese Zellen nun die richtigen Gene von Cephalotaxus, soll – so die Idee – der krebsheilende Wirkstoff als Produkt der Zell-Teamarbeit geerntet werden können.
Viele Ideen sollen die Produktion verbessern
Auch die übrigen auf dem Science-Slam präsentierten Ideen waren vielseitig und beschäftigten sich damit, Produktionsverfahren nachhaltiger zu machen. Biochemiker Josef Sperl von der Technischen Universität München etwa will die Rohstoffproduktion für die Chemieindustrie nachhaltiger gestalten. Indem Sperl in einem speziellen Reaktionssystem die Bildung von organischen Aminen auf nur drei enzymatische Produktionskaskaden herunterbricht, soll die Herstellung des Chemie-Rohstoffs schnell und biobasiert ablaufen können. Musikalischer Abschluss der Veranstaltung: Pflanzenökologe Michael Lakatos von der Universität Kaiserslautern hat das Publikum als Rhythmus-Orchester in seine Präsentation eingebunden. In einem neuen Bioreaktorkonzept will er bestimmte Zuckerketten als Biomaterial mit Hilfe von Cyanobakterien herstellen. Das besondere dabei: Erstmals verwendet Lakatos hierfür landlebende Bakterienstämme, die zahlreiche Vorteile gegenüber aquatischen Mikroben mit sich bringen. So sind sie beispielsweise stressresistenter, anspruchsloser und kommen mit weniger Licht aus.
Niedrige Eintrittsschwelle für originelle Ideen
Bei der Auswahl der Projekte lag der Fokus nicht in erster Linie auf Wirtschaftlichkeit oder dem Nutzen für Forschung und Entwicklung. „Die Frage war: Bringt es den Leuten wirklich was“, sagt Projektleiterin Ulrike Pogoda de la Vega vom Projektträger Jülich, der den Ideenwettbewerb im Auftrag des Bundesministeriums betreut und organisiert. Eine unkomplizierte Fördermöglichkeit mit einer niedrigen Eintrittsschwelle für originelle und neuartige Ideen solle geboten werden, so Pogoda de la Vega. Auch Produktvisionen, die in anderen kreativen Initiativen des BMBF entstanden sind, wie etwa im Rahmen der Innovationsakademie Biotechnologe, können sich hier bewerben und so weiterentwickelt werden. Ob und wie die 32 Visionen nun in der Realität ankommen, wird sich in den kommenden Monaten der Machbarkeitsphase zeigen.