Straubing: Bioraffinerie wandelt Stroh zu Sprit

Straubing: Bioraffinerie wandelt Stroh zu Sprit

In Straubing hat der Chemiekonzern Clariant im Juli 2012 eine Demonstrationsanlage zur Herstellung von Bioethanol aus Stroh und anderen Feldabfällen in Betrieb genommen. Es ist die bis dato größte deutsche Anlage zur Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation.

 

Anette Schavan eröffnet eine neue Bioraffinerie
Bundesforschungsministerin Annette Schavan gibt den Startschuss für die Staubinger Biospritanlage.

Deutschlands größte Demonstrationsanlage zur biotechnologischen Gewinnung von Biokraftstoffen der zweiten Generation hat im Juli 2012 ihren Betrieb im bayerischen Straubing aufgenommen. In dem 28 Millionen Euro teuren Ensemble entsteht aus lignocellulosehaltigem Weizenstroh und anderen Feldabfällen der Treibstoff Ethanol. Vom Strohschreddern über das enzymatische Aufschließen der Pflanzenfasern bis hin zur Vergärung von Zuckern bildet die Anlage den gesamten Umwandlungsprozess ab – und das nach Clariant-Angaben nahezu klimaneutral. Nun muss das „sunliquid“-Verfahren seine Tauglichkeit für eine industrielle Anwendung unter Beweis stellen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die bayerische Landesregierung unterstützen das Pionierprojekt mit jeweils fünf Millionen Euro.

Der Weg zum Biosprit der zweiten Generation folgt einem schnellen Takt: 2010 fiel die Entscheidung für den Bau einer Demonstrationsanlage, 2011 wurde der Grundstein am bayerischen Biocampus Straubing gelegt. Ein Jahr später, im Juli 2012, ist die Lignocellulose-Bioraffinerie auf einem 2.500 Quadratmeter großen Areal fertig – und die Produktion läuft. Gabelstapler rangieren riesige Strohballen in einer Lagerhalle, ein Stockwerk höher wird die trockene Biomasse klein gehäckselt und vorbehandelt, es folgen Räume mit Stahlbottichen, in denen dunkle Brühe wabert. Mikroben sorgen hier dafür, dass aus Pflanzenfasern Zuckermoleküle werden. Diese können Hefen in voluminösen Tanks wiederum zu Ethanol vergären. Etwa 4.500 Tonnen Biomasse sollen auf diese Weise jährlich verarbeitet werden, um daraus 1.000 Tonnen Ethanol zu gewinnen.

Vier Tonnen Stroh liefern eine Tonne Ethanol

Entwickelt hat das sunliquid-Verfahren seit dem Jahr 2006 ein Team um Andre Koltermann - einst noch bei der Süd-Chemie in München. Mittlerweile gehört das Traditionsunternehmen zum Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant. Koltermann leitet hier nun das Biotech & Renewable Center. Bei der Eröffnungszeremonie am 20. Juli unterstrich Koltermann die Vorzüge der angewandten Technologie: „Unser Verfahren zeichnet sich durch seine hohe Effizienz aus“, sagte er. „Aus vier bis fünf Tonnen Stroh können wir eine Tonne Ethanol energieneutral herstellen – und im Vergleich zu fossilem Benzin erreichen wir eine 95-prozentige CO2-Einsparung.“

Der Vorstandsvorsitzende von Clariant, Hariolf Kottmann, betonte, der Start der neuen Cellulose-Ethanol-Anlage sei ein wichtiger Meilenstein nicht nur zur Herstellung eines klimafreundlichen Biokraftstoffs, sondern auch eines Grundstoffs für die chemische Industrie. Zudem rief er zu mehr Aufgeschlossenheit gegenüber Biokraftstoffen auf. „Nur wenn die Bevölkerung den Umweltnutzen von klimafreundlichen Biokraftstoffen erkennt, wird Bioethanol der zweiten Generation Erfolg haben.“

In den Fermentern spalten mikrobiell hergestellte Enzyme Pflanzenfasern in Zuckermoleküle.

Fermenter

Intelligenter Umgang mit Ressourcen

Auch für das BMBF ist das Projekt ein Erfolg, fünf Millionen Euro Förderung stecken in der Anlage. Bei der Einweihung sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan, dass die Anlage sehr eindrucksvoll zeige, dass traditionell aus Erdöl hergestellte Produkte gleichwertig aus Biomasse produziert werden können. „Durch den intelligenten Umgang mit natürlichen Ressourcen leistet die Anlage einen wichtigen Beitrag im Sinne einer nachhaltigen Bioökonomie.“ Damit ist der Standort gleichzeitig ein wichtiger Impulsgeber, um den mit der  "Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030"  der Bundesregierung angestrebten Strukturwandel von einer erdöl- zu einer biobasierten Wirtschaft zu ermöglichen.

Auch Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil betonte die wirtschaftlichen Chancen für die Region. „Und global gesehen haben wir mit der Verwertung agrarischer Reststoffe kein Teller-oder-Tank-Problem“, sagte er. Den Rohstoff für die Biospritherstellung in Straubing bilden Weizen- und Maisstroh – und damit Reststoffe von den Äckern, die nicht in Konkurrenz zur Herstellung von Lebens- und Futtermitteln stehen. Und davon gibt es im Gäuboden, der Kornkammer Niederbayerns, reichlich. Die Lignocellulose im Stroh wird mit einem Cocktail aus Spezialenzymen, hergestellt von Mikroben direkt im Fermenter, in verschiedene C-6- und C-5-Zucker aufgespalten.

Gürtel für Grüne Chemie

Durch den Einsatz von einzelligen Hefen wird ein großer Teil dieser freigesetzten Zucker zu Bioethanol konvertiert. Der in dem Prozess anfallende Holzstoff Lignin wird verbrannt, die freiwerdende Energie wird für den Destillationsprozess genutzt. Während sich das Verfahren nun im Demo-Betrieb bewähren muss, denken die Entwickler von Clariant schon über die nächste Stufe nach – eine industrielle Großanlage, die 50.000 Tonnen Cellulose-Ethanol jährlich produzieren kann. Die Gemeinde Straubing hat bereits ein passendes Grundstück reserviert. Von der EU und dem Freistaat Bayern gebe es bereits positive Signale, sich in einem solchen Projekt zu engagieren. Clariant sei ein Leitunternehmen der Grünen Chemie vor Ort, sagte der Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayr und unterstrich die Ambitionen der Donauregion, einen „Green Chemistry Belt“ aufzubauen.

Autor: Philipp Graf