Klares Ziel Vietnams ist es, seine Wirtschaft zu modernisieren, die Abhängigkeit von Importen zu verringern und eine Basis für künftiges Wirtschaftswachstum zu legen. Innovationen spielen hierbei eine zentrale Rolle. Insbesondere die Landwirtschaft und industrielle Prozesse sollen modernisiert werden, biotechnologische Verfahren stehen dabei im Fokus. Inzwischen ist aber auch das Thema "grünes Wachstum" als Potenzial erkannt. Doch spezifische nationale Initiativen und Förderprogramme zur Bioökonomie und zur Biotechnologie, wie sie viele Länder Asiens und der westlichen Welt auf den Weg gebracht haben, befinden sich laut UNESCO in Vietnam noch in den Anfängen (mehr...). Doch der grundlegende, marktwirtschaftlich orientierte Erneuerungsprozess, der 1986 mit dem Reformprogramm Doi Moi („Erneuerung") eingeleitet wurde, spiegelt sich inzwischen auch in veränderten Wissenschaftsstrukturen im Land wider.
Vietnam setzt auf Biotech-Innovationen bei Pflanzenzüchtung, Aquakultur und Lebensmittelverarbeitung
1994 erklärte die Regierung die Biotechnologie zu einer der obersten wissenschaftlichen Prioritäten. Nachfolgend brachte das Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MOST) das Capacity Development Program in Biotechnology’ auf den Weg und seitdem gehört diese Forschungsrichtung zu den staatlich geförderten Schwerpunktthemen. Das Gesetz über Wissenschaft und Technologie aus dem Jahr 2000 und nachfolgende Beschlüsse setzt die gegenwärtige Forschungspolitik mit der Wissenschafts- und Technologiestrategie 2011–2020 fort. Diese bestätigte die strategische Bedeutung der Biotechnologie, wie auch der Grünen Gentechnik. Pflanzenzüchtung, Aquakultur und Lebensmittelverarbeitung sowie Entwicklung von Impfstoffen für Mensch und Tier sind ein Kern. Wichtige Handlungsfelder sind außerdem der Aufbau komplementärer Strukturen zur Unterstützung von Innovationsprozessen wie Science Parks und Technologietransferzentren . Zu den wohl wichtigsten Akteuren auf staatlicher Ebene gehören die Kommunistische Partei Vietnams und das Ministerium für Erziehung und Ausbildung (MOET) als ausführende Behörde.
Keine Grüne Gentechnik auf den Äckern
Die Landwirtschaft mittels Grüner Gentechnik voranzubringen, ist ein zentrales Anliegen der Verantwortlichen. So sind inzwischen alle hierzu notwendigen Richtlinien, auch zum Schutz von geistigem Eigentum, seit Anfang 2014 in Kraft. Fünf Maissorten der Konzerne Monsanto (USA) und Syngenta (Schweiz) sind seit Mitte 2014 für die Verarbeitung zu Nahrungs- und Futtermitteln im Land durch das Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (MARD) zugelassen, zu dessen Zuständigkeitsbereich auch Fischerei und Aquakultur zählen. Mit Blick auf gentechnisch veränderte Lebensmittel hatte die Regierung schon 2010 im Rahmen von Regelungen zur Biosicherheit erklärt, dass hier die nationale Lebensmittelsicherheitsbehörde zustimmen müsse. Alternativ reiche der Nachweis der Zulassung als Nahrungsmittel in fünf Industrieländern aus.
Kommerziell angebaut werden gv-Pflanzen allerdings noch nicht. Aufgrund von politischen Diskussionen gibt es hier Verzögerungen . Doch ebenfalls in 2014 hat nach Freilandversuchen das Ministerium für Bodenschätze und Umweltschutz (MONRE) der ersten gv-Maissorte von Monsanto das für den kommerziellen Anbau notwendige Zertifikat zur Biosicherheit erteilt. Eine Erlaubnis für Freilandversuche, für die seit 2009 Regeln vorliegen, bekamen auch gv-Baumwolle und -Soja. Eingebunden in die Gesetzgebung und die Finanzierung der Forschungsarbeiten sind zudem das Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MOST) und das Ministerium für Industrie und Handel (MOIT). Ersteres koordiniert und beaufsichtigt die Forschung und Entwicklung von genetisch veränderten Organismen. Zweiteres unterstützt die verarbeitende Industrie in der Verwendung von gv-Ausgangsstoffen. So gelangen über Importe gv-Pflanzen wie Sojabohnen oder Mais aus Brasilien oder Argentinien seit langem in das Land. Zur Verwendung biotechnologischer Methoden in der Viehzucht wurden bisher keine Gesetze verabschiedet. Eine generelle Herausforderung bleibt jedoch der Mangel an qualifizierten Fachkräften.
Nationale Strategie für Grünes Wachstum
Seit einigen Jahren ist auch das Thema biobasierte Wirtschaft und grünes Wachstum ein Thema. 2012 beschloss die vietnamesische Regierung ihre Viet Nam National Green Growth Strategy (mehr Infos: hier klicken), 2014 stimmte sie dem National Action Plan on Green Growth zu. So strebt das Land eine grüne, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Ökonomie an. Diese Maßnahmen sollen zur Erforschung und Anwendung neuer Technologien sowie der Etablierung neuer Infrastrukturen beitragen und damit langfristig eine effizientere Nutzung von Ressourcen gewährleisten. Im Rahmen der Strategie spielen Forschung und Entwicklung eine wichtige Rolle. Es sollen neue Lösungen zur effizienteren Ressourcennutzung und geringerem Schadstoffausstoß erforscht und umgesetzt werden. Auch die Industrie soll durch Steuererleichterungen motiviert werden, in diesem Bereich in Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu investieren.
Der Premierminister verkündete 2012 zudem Regelungen mit Vorgaben für die Einführung von E5-Biokraftstoffen, die auf dem 2007 ratifizierten Biokraftstoffprogramm aufsetzen. Bisher hatte sich der Markt nicht den Vorgaben entsprechend entwickelt und Unternehmen und Bauern vor große Probleme gestellt. Das Ministerium für Industrie und Handel vermutete als Gründe die hohen Herstellkosten, die schlechte Verfügbarkeit und die Vorliebe der Bevölkerung für traditionell produziertes Benzin. Nun soll an sieben Standorten Biosprit hergestellt werden und ab Dezember 2015 landesweit verfügbar sein. Nicht nur Biokraftstoffe versucht die Regierung zu etablieren, sondern auch Biomasseenergieprojekte. Hierfür wurden im Jahr 2014 neue Förderrichtlinien beschlossen. Die größten Potentiale der energetischen Nutzung liegen bei Reisabfällen, Überresten der Zuckerindustrie und Holz.
Industrieforschung hat keine lange Tradition
Nachteilig bleibt jedoch, dass die Regierung die Wirtschaft noch nicht vollständig liberalisiert hat, so dass entsprechende wissenschaftliche Anstrengungen weitestgehend in der Hand der Regierung liegen. So hat eine nichtstaatliche Industrieforschung in Vietnam bisher keine lange Tradition. Ende der 90er Jahre folgten Regierungsdokumente zur Förderung der industriellen Forschung und Technologieentwicklung in Unternehmen. Als Maßnahmen werden insbesondere Vorteile bei Steuern und Landnutzung sowie günstige Kreditbedingungen genannt. Zudem können für unternehmerische Forschungs- und Entwicklungsvorhaben staatliche Subventionen beantragt werden. Ausländische Investitionen unterstützt die Regierung in dem südost-asiatischen Land inzwischen mit Investitionsanreizen, solange es sich um Projekte zur medizinischen oder Agrobiotechnologie handelt. Da private Forschungs- und Entwicklungsvorhaben erst seit wenigen Jahren von der vietnamesischen Regierung zugelassen werden, steckt die Zusammenarbeit der staatlichen Forschungszentren und Universitäten mit der Privatwirtschaft (PPPs) noch in den Kinderschuhen.
Bezogen auf die nationalen Forschungs- & Entwicklungsausgaben in Höhe von 650 Mio. US-Dollar (2012) und deren Anteil am BIP liegt Vietnam im Vergleich mit seinen asiatischen Nachbarn und den westlichen Ländern laut der OECD abgeschlagen auf einem der hinteren Plätze. (zum OECD-Bericht) Damit steckt die Bioökonomie an den akademischen Forschungseinrichtungen des Landes noch in den Kinderschuhen. Einige Fortschritte wurden in den vergangenen Jahren mit Blick auf die Biotechnologie und deren Anwendung in Landwirtschaft, Aquakultur und Industrieprozessen erreicht, da diese als politische Priorität zahlreiche Reorganisationen und Neugründungen zur Folge hatte. Allerdings bleiben ausgebildete Fachkräfte weiterhin eine Herausforderung.
Biotechnologie-Forschung ein Schwerpunkt
Zu den bedeutendsten Forschungseinrichtungen zählt die Vietnam Academy of Science and Technology (VAST). Sie ist direkt der Regierung unterstellt und mit mehr als 2.500 angestellten Wissenschaftlern eine der größten wissenschaftlichen Einrichtungen Vietnams. An den im gesamten Land verteilten Standorten werden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten vorangetrieben, die von nationaler Bedeutung sind. Am 1993 gegründeten Institut für Biotechnologie (VIB) reichen die Forschungsprojekte von der Algen-, über Pflanzen- bis hin zur Weißen Biotechnologie. Seit Anfang des letzten Jahrzehnts begann die Regierung auch "National Key Laboratories" (NKL) aufzubauen, die auf internationalem Niveau forschen und den Brückenschlag von angewandter Forschung zur Kommerzialisierung innovativer Produkte leisten sollen. Angegliedert wurden diese an bereits existierende Forschungseinrichtungen wie die VAST. Verbindungen nach Deutschland und Know-how bringen unter anderem solche VAST-Forscher mit, die am Leibniz-Institut für Pflanzenzüchtung in Gatersleben (IPK) gearbeitet haben.
Leuchtturm: Technische Universität in Hanoi
Ebenfalls ein Leuchtturm: die Hanoi University of Science and Technology. Hier forschen Wissenschaftler an neuen Enzymen, sind in der Lebensmitteltechnologie tätig und auf der Suche nach neuen Biokraftstoffen. Im Jahr 2006 berichtete das Magdeburger Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF von einem Projekt, in dem das Verbrennungsverhalten von Reisabfällen und anderer typischerweise in Vietnam anfallender Biomasse wie Schilfgras oder Zuckerrohr untersucht wurde. Ziel war es, Alternativen zu fossilen Brennstoffen zu finden. Daneben zählen zu den wichtigsten öffentlichen Einrichtungen insbesondere die Vietnamesischen Nationaluniversitäten Hanoi und Ho Chi Minh Stadt, die Universitäten Can Tho und Hue und die Agrarwissenschaftliche Universität in Hanoi. In den Laboren der Vietnam National University of Agriculture stehen nach zahlreichen Umbenennungen Pflanzenbiotechnologie, Aquakultur und Tierzucht im Vordergrund. Unterdessen gibt es an der University of Sciences, Vietnam National University Ho Chi Minh City, ebenfalls einen Schwerpunkt zur Pflanzenbiotechnologie. An der Nha Trang University finden sich dagegen Experten zu Fischerei und Aquakulturtechnik. Forschungsprojekte zu Aquakulturen, landwirtschaftlichen Aspekten und neuen Enzymen gehen Forscher auch an der Hue University of Agriculture and Forestry nach. Für die erst im Jahr 2008 gegründete Vietnamese-German University (VGU) in Ho Chi Minh-City, einem Gemeinschaftsprojekt der vietnamesischen Regierung mit dem Bundesland Hessen, zählen neben dem Bereich Nachhaltigkeit auch die Biotechnologie zu ihren Prioritäten.
Von Agrarwissenschaften bis Pflanzenbiotechnologie
Zudem gibt es zahlreiche Einrichtungen der ministeriellen Ressortforschung, die unterschiedlichen Ministerien sowie Provinzverwaltungen und Verbänden zugeordnet sind. Wichtiger Träger für seine sektoralen Belange ist zum Beispiel das Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (MARD). Diesem direkt zugeordnet ist die auf Grundlagen- und angewandte Forschung ausgerichtete Vietnam Academy of Agricultural Science (VAAS). Hier und am dort angesiedelten Agrogenetischen Institut sowie dem Nationallabor für Pflanzenbiotechnologie stehen Agrobiotechnologie, Tier- und Pflanzenzüchtung sowie landwirtschaftliche Methoden im Mittelpunkt des Interesses der rund 1000 Wissenschaftler. Dem Ministerium für Industrie und Handel (MOIT) ist das Food Industries Research Institute zugeordnet. Intensive wissenschaftliche Bemühungen und moderne (molekularbiologische) Methoden sind auch einer der Grundsteine für die wirtschaftlichen Erfolge Vietnams in der Aquakultur. Hier existieren neben den Universitäten zahlreiche weitere Einrichtungen auf nationaler oder regionaler Ebene, beispielsweise das Vietnam Institute of Fisheries Economics and Planning oder das Research Institute for Aquaculture Number 2. Den Reisanbau unterstützt dagegen das Cuu Long Delta Rice Research Institute. Anhängig ist im Land allerdings noch die Diskussion über den kommerziellen Anbau genetisch veränderter Pflanzen. Befürworter sehen große Vorteile für das Land und die Bauern, doch weisen die Kritiker auf die bisher zu geringe Anzahl an Freilandversuchen im Land hin. (siehe Kapitel Rechtliche Grundlagen)
Fördermittel vom Wissenschaftsministerium
Die notwendigen finanziellen Mittel für Forschungsvorhaben stammen aus unterschiedlichen Quellen. So erhalten die Universitäten öffentliche Mittel durch zentrale sowie lokale Behörden. Kapital aus Verträgen mit Betrieben, Bankenkredite und Subventionen internationaler Organisationen wie der EU sind ebenfalls von der Regierung zugelassen worden. Neben den Ministerien als Trägern der Forschungsförderung wurde 2008 die Nationale Stiftung für Wissenschaftliche und Technologische Entwicklung (NAFOSTED) gegründet. Diese fördert neben Grundlagenforschung auch zunehmend angewandte Forschung im Wettbewerbsverfahren. Darüber hinaus wurde im Rahmen des Gesetzes für Wissenschaft und Technologie die Gründung von öffentlichen und privaten Förderfonds zur finanziellen Unterstützung von Forschungsaktivitäten festgelegt. Die öffentlichen Forschungs-und Technologieförderfonds existieren hierbei sowohl auf nationaler als auch auf provinzieller und lokaler Ebene und dienen der finanziellen Unterstützung - insbesondere der Grundlagenforschung und der Umsetzung von Ergebnissen in die Praxis. Vom Staat erhalten diese Fonds eine Anschubfinanzierung.
Kooperationen zwischen Deutschland und Vietnam
Forschungsmittel fließen jedoch auch über externe Kooperationen in das Land. Zwischen Deutschland und Vietnam gibt es etliche Kooperationsbeziehungen, zum Beispiel in der Forschungsförderung. Seit 1999 arbeiten BMBF und vietnamesische Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MoST) auf vietnamesische Bitte hin im Bereich des Forschungsmanagements zusammen. Das BMBF unterstützt die vietnamesische Regierung intensiv bei der strategischen Planung für die Weiterentwicklung bzw. Umstrukturierung der Wissenschaftsverwaltung, so beispielsweise durch die Entsendung eines CIM-Experten für Evaluation (CIM = Centrum für internationale Migration und Entwicklung).
Die Unterstützung durch CIM-Experten erfolgte von 2008 bis 2014. Eine Kooperation besteht derzeit u.a. bei der Fördermaßnahme „Bioökonomie International – Bioeconomy international“. Hier werden vier Vietnam-Projekte seit Mitte 2014 unterstützt, drei davon mit einer Ko-Finanzierung durch das MOST. Darüber hinaus gibt es zwei Verbundvorhaben im Förderprogramm „Nachhaltiges Landmanagement“. Mit dem Willen, die Kooperation in der Wasser- und Umweltforschung im strategischen Interesse beider Länder verstärkt auf die stetig steigenden Herausforderungen des 21. Jahrhunderts auszurichten und unter Berücksichtigung des Klimawandels zu nachhaltigen Lösungen im Umgang mit natürlichen Ressourcen zu gelangen, wurde das gemeinsame Büro mit der Vereinbarung vom März 2013 in „Vietnamesisch-deutsches Büro für Wasser und Nachhaltigkeit“ umbenannt und neu strukturiert.
Kooperationen
Derzeit laufen zudem neun Verbundprojekte im Bereich „Wasser- und Umwelttechnologien“. Im Jahr 2013 fand zwischen Deutschland und Vietnam ein Biotech-Workshop statt, um gegenseitige Erfahrungen auszutauschen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt dagegen vietnamesische Bauern mit einem „grünen Sparbuch“, wenn sie ihren Wald nachhaltig bewirtschaften (mehr...). Kooperationsprojekte gibt es zudem mit den Niederlanden. Niederländische Wissenschaftler untersuchten mit ihren Kollegen, ob sich aus Seetang Biosprit gewinnen lässt. Großes Potential böte beispielsweise das Mekong-Delta mit seinen Brackwasserflächen und den Aquakulturen. Im EU-finanzierten ENERFISH-Projekt ging es bis 2010 unter Beteiligung des TÜV Rheinland um die Verwertung von Abfällen der lokalen Fischindustrie. Eine Zusammenarbeit besteht auch mit Finnland und Korea. Das gemeinschaftlich finanzierte vietnamesisch-finnische Innovation Partnership Programme richtet sich an Unternehmen, Regierungsbehörden, Universitäten und Forschungsinstitutionen, aber auch interessierte Privatpersonen in Vietnam und Finnland. Ein Schwerpunkt liegt unter anderem auf innovativen KMUs in der Biotechnologie. In Zusammenarbeit mit Korea wird ein am Vorbild des koreanischen Korea Institute of Science and Technology orientiertes Forschungsinstitut in Vietnam aufgebaut. Ein Fokus der Einrichtung wird die Biotechnologie mit Fragen zur Landwirtschaft und Gesundheit sein.
Die vietnamesische Wirtschaft in diversen Bereichen der Bioökonomie aktiv. So zählt das Land mit seinen zahlreichen Fischfarmen laut FAO zu den weltweit größten Produzenten von Fisch und Meeresfrüchten aus Aquakulturen. Dem Länderbericht Vietnam der FAO (mehr...) zufolge gab es erste Anfänge in den 1960iger Jahren. Die kommerziell Aquakultur-Produktion begann in den frühen 80iger Jahren mit Fisch, Krabben und Shrimps für den Export. Im Jahr 2000 waren von 4 Mio. Fischern bereits 670.000 mit Aquakulturen beschäftigt, 2,5 Mio. sollen es im Jahr 2020 sein. So gilt die Fischerei generell als eine der wichtigsten Säulen der Wirtschaft. 2010 exportierte das Land Regierungsangaben zufolge Waren im Wert von mehr als 5 Mrd. US-Dollar (4% des BIP) – 54% davon stammten aus Aquakulturen. Ein geographischer Schwerpunkt dieser Fischfarmen liegt im Mekong-Delta. Staatliche Betriebe dominieren in der Fischverarbeitung und im Im- und Exportgeschäft, doch in der Produktion schwindet ihre Rolle zunehmend aufgrund der liberaleren Wirtschaftspolitik und des wachsenden privaten Sektors. Hinzukommt auch eine zunehmende Anzahl an Public-Private-Partnerships. Durch die Auswirkungen möglicher Klimaänderungen könnte diese wichtige Industrie jedoch zukünftig Schaden nehmen.
Aquakultur als wichtiger Wirtschaftsfaktor
Zu den führenden Unternehmen in der Aquakultur zählt die 1978 entstandene, staatseigene Vietnam National Seaproducts Corporation (SEAPRODEX) . Nationale und internationale Märkte werden von ihr zusammen mit den Tochterunternehmen mit unterschiedlichsten Produkten beliefert. Neben Fischfang und Aquakultur zählen auch die Futtermittelherstellung, Arzneien für die Fisch- und Tierzucht und selbst der Schiffsbau und Immobilienhandel zu den vielfältigen Geschäftsaktivitäten der Firma. Im Jahr 2011 gliederte die Regierung die vormals eigenständigen Unternehmen East Sea Fisheries Corporation und Ha Long Seafood Corporation in den Staatsbetrieb ein. Die wirtschaftliche Bedeutung des Exports von Garnelen, sie stellen rund 40% der gesamten Ausfuhren an Meeresfrüchten, spiegelt sich auch in den Geschäftsmodellen weiterer erfolgreicher Firmen. So verfolgt die 1992 gegründete MinhPhu Seafood Corp. das Ziel, zu einem der weltweit führenden Garnelenproduzenten aufzusteigen. Gestartet als privates Unternehmen gelang 2006 bereits der Sprung an die Börse in Hanoi. Großen Wert wird auf das vertikale Geschäftsmodell gelegt, das von der Aufzucht über die Verarbeitung bis zum Export reicht. So konnten im Jahr 2012 bereits 370 Mio. US-Dollar erlöst werden. Die vormals staatliche, 1977 etablierte Camau Frozen Seefood Corporation (CAMIMEX) veräußerte die Regierung sukzessive nach dem Börsengang im Jahr 2006. Ebenfalls auf Garnelen spezialisiert und vertikal integriert weist Camimex auf seine organische Aufzucht als Alleinstellungsmerkmal hin. Der vietnamesische Aquakulturbetreiber Green Advances kooperiert seit 2012 mit israelischen Forschern der Ben Gurion University. Hierdurch wachsen seine Garnelen wesentlich schneller und zu den ökonomisch wertvolleren rein männlichen Populationen heran.
Der Fischverarbeiter Hiep Thanh Seafood wiederum war als Lieferant für Fischabfälle in das europäisch-vietnamesische Forschungsprojekt ENERFISH eingebunden, das aus dem Grundstoff Biodiesel herstellen wollte. Das Projekt wurde im 7. Rahmenprogramm gefördert und ist 2010 ausgelaufen. Die hierfür notwendige Pilotanlage wurde in direkter Nachbarschaft zu Hiep Thanh errichtet, um die Wege kurz zu halten. Auch aus Deutschland war ein Partner eingebunden – der TÜV Rheinland, verantwortlich für Qualitätsanalysen und Überwachungsaufgaben. Den Kraftstoff wettbewerbsfähig herzustellen, bleibt jedoch die große Herausforderung. So zeigten vorherige Vorhaben der Minh Tu und der Agifish, beide ebenfalls aus Vietnam, dass der Verkauf der Abfälle für den Export mehr Umsatz generierte . Daneben existiert auch die traditionelle Verarbeitung zu Futtermitteln weiter als Konkurrenz.
Holzindustrie
Auch die Holzindustrie stützt die Bioökonomie des Landes. Einem Bericht der gtai (mehr...) aus dem Jahr 2013 zufolge, konnten die mehr als 600 holzverarbeitenden Firmen im Jahr 2012 ihre Ausfuhren auf umgerechnet rund 4,7 Mrd. US-Dollar steigern. Gegenüber 2007 haben sich die Ausfuhren damit fast verdoppelt und machten beachtliche 4,1% der gesamten Warenexporte Vietnams aus. Hersteller wie Nafoco, einer der größten Zulieferer des schwedischen Konzerns Ikea, verarbeiten das Holz im Land zu Möbeln und exportieren diese. Bemerkenswert ist, dass nur 20 bis 30% des im Land verarbeiteten Holzes aus heimischen Wäldern stammt. Der Großteil wird importiert. Einem Nachhaltigkeitsbericht der niederländischen Eneco Group zufolge versuchen die lokalen Unternehmen in Vietnam jedoch, im Rahmen von Kooperationen ihre Wertschöpfung weiter zu steigern. So werden Holzabfälle der inländischen Möbelindustrie bisher meist verbrannt oder in den Wald gekippt. Doch inzwischen gilt Vietnam mit mehr als 50% der Importe als einer der wichtigsten Lieferanten von Holz-Hackschnitzeln für die wachsende Nachfrage chinesischer Zellstofffabriken. Naturkautschuk als Grundlage von Reifen, Gummistiefeln oder Dichtungsringen stammt ebenfalls aus dem Wald. Auch hier gilt das Land als ein weltweit wichtiger Produzent.
Bioethanol aus Maniok an sechs Standorten
Zu den wichtigen Akteuren im Bereich Bioenergie zählt Petrovietnam, der staatliche Energiekonzern. Verantwortlich für die Öl- und Gaslagerstätten des Landes baute das Unternehmen drei Anlagen zur Produktion von Bioethanol mit einer Jahreskapazität von 300.000 m3. Rohstoff für den Biosprit ist Maniok, deren stärkehaltigen Wurzelknollen in vielen Ländern als Grundnahrungsmittel gelten. Hierzu investierte Petrovietnam auch in den Anbau der Pflanzen – sogar im Nachbarland Laos. Vorgesehen war, das Ethanol hauptsächlich zur Beimischung in Kraftstoffen zu nutzen, die Zentralregierung hatte vor längerem bereits feste Ziele vorgegeben. Allerdings haben sich diese Ziele bisher nicht realisiert. Selbst das Unternehmen benennt zahlreiche Herausforderungen, vor denen es steht. Beispielsweise den Wettbewerb mit der Futtermittelproduktion oder der Stärkeproduktion und zudem eine fehlende politische Unterstützung. In der Konsequenz verkaufte das Unternehmen den Großteil seiner Produktion bisher ins Ausland und nahm eine Produktionsstätte nach ihrer Fertigstellung erst gar nicht in Betrieb. Inzwischen stellte Petrovietnam seine Bioethanolpläne komplett zur Disposition. Zu den Betreibern der insgesamt sechs Bioethanolfabriken im Land zählte auch Don Xanh JSC. Jedoch stoppte das Unternehmen seine Produktion bereits im Jahr 2012 und meldete Insolvenz an. Im Dezember 2014 begannen Tankstellen in den Großstädten, Benzin mit einer Beimischung von 5% Maniok-basiertem Ethanol zu verkaufen. Um die Nachfrage anzukurbeln, soll der Preis durch gesetzgeberische Eingriffe noch sinken.
Auf Maniok als Rohstoff setzt auch One Step Ahead Production (OSA) aus Ho Chi Minh-City. Das Unternehmen produziert kompostierbare, biobasierte Plastiktüten. Nach eigenen Angaben will das aktuell nur lokal orientierte Unternehmen im nächsten Schritt internationale Märkte erschließen und sucht hierfür nun einen Investor oder Käufer.
Unklar ist bisher, wie die Bioökonomie in Vietnam von den Biotechnologie-Unternehmen profitiert hat, wie sie sich in den Industrieländern über die vergangenen Jahre hinweg etabliert haben. Auch in Vietnam gibt es bisher eine Handvoll Biotech-Firmen, die meisten widmen sich jedoch medizinischen Themen. Nam Khoa Biotech spezialisierte sich auf molekulare Diagnostik, den Kern des staatlichen Unternehmens Vabobiotech stellen Impfstoffe dar. Bioenergie steht allerdings bei den Start-ups Viet Khang Anh und Quang Trị im Fokus. Sie produzieren Pellets aus Abfällen holzverarbeitender Betriebe. Von Düngern aus Brauereireststoffen sollen die Kunden von Tue Minh profitieren, Phuong Nam arbeitet an Probiotika, für deren Herstellung nährstoffhaltige Industrieabwässer genutzt werden.
Ausländische Firmen in Vietnam aktiv
Auch ausländische Firmen entfalten wirtschaftliche Aktivitäten in Vietnam. Der schwedische Zulieferer Alfa Laval lieferte Petrovietnam technische Lösungen für seine Biokraftstoffanlagen. Ebenfalls mit dem staatlichen Erdölkonzern wollte der finnische Bioraffinerie-Spezialist Chempolis kooperieren. Zur Diskussion stand eine Technologie der 3. Generation für die Produktion von Bioalkohol aus Cellulose-haltigen Reststoffen. Das US-Unternehmen AGRESTI Biofuels beschloss 2009 mit lokalen Partnern kommunale Abfälle über eine patentierte Methode in insgesamt acht Raffinerien in Bioethanol umwandeln zu wollen, inzwischen scheint es die Firma jedoch nicht mehr zu geben. Toyo-Thai aus Thailand beteiligte sich maßgeblich am Bau von zwei Anlagen im Land. Das US-Biotechnologieunternehmen Kraig Biocraft Laboratories produziert dagegen Seide mit gentechnisch veränderten Seidenraupen und hat auch bereits erste Testergebnisse mit dem Material vorliegen. Anfang 2014 vermeldete die Firma, dass in Vietnam möglicherweise die kommerzielle Produktion erfolgen soll. Dagegen stellt der weltgrößte Möbelkonzern Ikea im Land Holzmöbel und Flechtwaren her. Er unterstützt dortige Kleinbauern im Waldmanagement und bei Zertifizierungsmaßnahmen für Holz. Die Tochterfirma der taiwanesischen Vedan Enterprise Corporation produziert auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen Aminosäuren in Vietnam.
Von staatlicher Seite gibt es in Vietnam etliche Organisationen, die Firmen in ihrer Entwicklung fördern. Die Nationale Stiftung für Wissenschaftliche und Technologische Entwicklung (NAFOSTED) unterstützt Unternehmen, die eigene Forschungsaktivitäten für technologische Weiter- oder neue Produktentwicklungen betreiben. Außerdem fördert sie die internationale Zusammenarbeit. Mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterzeichnete sie 2010 einen Kooperationsvertrag. Auf Start-ups und kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) zielt der 2011 initiierte National Technology Innovation Fund (NATIF). Ansiedeln können sich Firmengründungen beispielsweise im Hoa Lac-Technologiepark nahe Hanoi, in dem nach dem Vorbild von Berlin-Adlershof mehrere Funktionen im Technologie- und Wissenschaftsbereich zusammengeführt werden. So sind hier universitäre Fakultäten und ein Technologiezentrum für Existenzgründer angesiedelt sowie Flächen für technologie-orientierte Unternehmen ausgewiesen . Nahe Ho Chi Minh-City ist der Saigon Hi-Tech Park angesiedelt
Die OECD attestierte dem Land 2009 beachtliche Fortschritte, in seinem Bestreben privates Kapital und insbesondere ausländische Investitionen zur Stärkung der Wirtschaft zu mobilisieren. (Mehr Informationen: hier klicken) Hierzu beigetragen hat auch die Anpassung der Regelungen zu geistigem Eigentum und nationale und regionale Investitionsfördergesellschaften, doch es bleiben noch zahlreiche Möglichkeiten zur Verbesserung, heißt es bei der OECD.
Weiterführende Informationen
Bioökonomie-Initiativen:
Deutsch-vietnamesische Gesellschaft:
öffentl. Forschungsförderung:
Gesetzeslage
Gentechnik-Pflanzen als Futtermittel-Import erlaubt, keine Gentechnik auf dem Acker