Ein wachsendes Problembewusstsein in Politik und Gesellschaft sorgt dafür, dass vor allem technische Bioökonomie-Lösungen und Kreislaufkonzepte stärker in den Mittelpunkt rücken. Für diese Ausrichtung sind in erster Linie die Ministerien für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (MARD), natürliche Ressourcen und Umwelt (MONRE), Wissenschaft und Technologie (MOST) sowie Finanzen (MOF) verantwortlich, die einen möglichst kohärenten Politikstil anstreben. Sie steuern Programme, koordinieren Budgets und setzen den regulatorischen Rahmen. Zu letzterem zählen verschiedene sektorale Strategien und Leitlinien wie der 2025 veröffentlichte Action Plan Circular Economy. Wichtiger Bestandteil dessen ist der Fokus auf die energetische Nutzung von Bioabfällen, nachhaltige Agrar- und Abfallmanagementsysteme und Kreislauflösungen, die verstärkt in der Industrie etabliert werden sollen. Ergänzend hebt man die Forschungsförderung und den Wissensaustausch in diesen Bereichen hervor. Auch die Ausarbeitungen von 2024 im Rahmen des Biotechnologie-Umwelt-Programms beschäftigen sich mit einer optimierten Abfallverwertung sowie den Themen Schadstoffmanagement, Abwasser- und Bodenreinigung. Biotechnologischen Anwendungen, etwa der Abwasseraufbereitung mittels Enzyme, schreibt man dafür und für weitere Umweltschutzmaßnahmen eine hohe Bedeutung zu. Positiv auf die Bioökonomieentwicklung wirken sich außerdem die National Green Growth Strategy 2021–2030, Vision 2050 (2021) und der darauf basierende National Action Plan on Green Growth 2021–2030 (2022) aus. Während erstere Ziele für die Reduktion von Treibhausgasen und eine Erhöhung des Anteils regenerativer Energien definiert, führt der Aktionsplan einen Umsetzungsplan dafür auf. Gegliedert in 18 Themensegmente (u. a. Abfall-, Land- und Kreislaufwirtschaft), ist die gezielte Förderung bioökonomischer Ansätze festgeschrieben. Bespiele sind die Nutzung biologischer Betriebsmittel in der Landwirtschaft (über 30 % bis 2030), Ökodesign-Vorgaben für Verpackungen und Kreislauflösungen für Agrarreststoffe. Zudem sollen Industrieparks Biomasse und Abfälle verstärkt stofflich oder energetisch verwerten.
Ergänzend kommen sektorspezifischere Vorhaben wie das Agrarbioindustrie-Programm hinzu, die – wie in diesem Fall – Produkte wie Bio-Düngemittel und -Pestizide, den Einsatz von gentechnisch optimierten Pflanzen sowie den Ausbau von biotechnologischen Forschungslaboren fokussieren.
Die vietnamesische Wissenschaftslandschaft zur Bioökonomie zeichnet sich durch die Existenz und Zunahme spezialisierter Forschungszentren, Hochschulen und praxisnahen Studienprogrammen aus. Hervorzuheben ist das Institute of Biotechnology, Hue University (HUIB), das seit 2018 offiziell als nationales Biotechnologiezentrum zählt und Grundlagen- sowie angewandte Forschung in Landwirtschaft, Umwelt und Lebensmittelsicherheit betreibt. In diesem Rahmen sind etwa biotechnologische Lösungen für eine nachhaltige Landwirtschaft und pflanzliche Zelltechnologien von Interesse.
Weitere wichtige Einrichtungen sind die Faculty of Biotechnology der Vietnam National University of Agriculture (VNUA) mit Forschungsschwerpunkten zur genetischen Optimierung resistenter Pflanzen und der Anwendung von Mikroorganismen in der Landwirtschaft. Beim Biotechnology Center Ho Chi Minh City (HCMBiotech) forscht man ebenfalls zu Mikroorganismen – mit Fokus auf Abfallbehandlung. Weitere Schwerpunkte sind Pflanzenzellkulturen und Biomaterialien.
Akademisch unterstützt wird der institutionelle Bereich durch Studiengänge wie den englischsprachigen Master in Pflanzen- und Medizinischer Biotechnologie an der University of Science and Technology (USTH) in Hanoi, der gemeinsam mit französischen Universitäten betrieben wird. Auch an kleineren Einrichtungen wird Fachwissen zur Bioökonomie vermittelt. Beispiele sind das Institute for Biotechnology and Environment an der Universität Nha Trang sowie die Vietnamesisch-Deutsche Universität (VGU) mit Curricula in Biotechnologie, Agrarwissenschaften und Umwelttechnologien.
Stützpfeiler dieses Systems sind vor allem die staatlichen Universitäten und Hochschulen sowie internationale Kooperationen. Ausdruck dessen sind beispielweise deutsch-vietnamesische Verbundvorhaben im Rahmen der BMFTR-Förderrichtline Bioökonomie International (Bioeconomy International) 2025 zur Kaskadennutzung von Rest- und Abfallstoffen.
Die Bioökonomie im Allgemeinen und insbesondere ihre modernen technischen Lösungen sind noch kein herausragender, gefestigter Bestandteil der vietnamesischen Wirtschaft – doch von wachsender Bedeutung. Einzelne bioökonomierelevante und eher traditionelle Sektoren wie die Land- und Forstwirtschaft, die Fischerei sowie die Lebensmittelverarbeitung stechen jedoch hervor: Sie machten 2022 etwa 12–14 % des BIP aus. Dies ist vor allem auf Vietnams Erfolge im Exportgeschäft für Kaffee, Reis, Garnelen und Pangasius zurückzuführen.
Ein steter und in Teilen deutlicher Zuwachs ist in der Biotechtechnologie zu verzeichnen. Besonders fortgeschritten ist die Agrarbiotechnologie, etwa durch den Einsatz gentechnisch optimierter Reissorten zur Ertragssteigerung und Krankheitsresistenz sowie durch Biopestizide und bioorganische Düngemittel, die vor allem im Mekong-Delta Anwendung finden. In der industriellen Biotechnologie setzen Unternehmen wie Biostarch auf die Produktion biologisch abbaubarer Kunststoffe aus Tapiokastärke, während VinBioCare moderne Zelllinien- und Fermentationstechnologien für die Impfstoffproduktion nutzt.
Unterstützt werden die biobasierte Wirtschaft und ihre Akteure in zunehmendem Maße von der Regierung sowie von vereinzelten Institutionen wie der Vietnam Association of Seafood Exporters and Producers (VASEP). Hinzu kommen regionale Innovationszentren, die teilweise auf die gezielte Förderung von Biotechnologie-Start-ups ausgerichtet sind. Mit aktuell über 160 aktiven Investitionsprojekten befindet sich das größte davon in Ho-Chi-Minh-Stadt. Neben der industriellen Biotechnologie stehen beim Saigon Hi‑Tech Park (SHTP) die Bereiche Umwelttechnik und Gesundheitswesen im Fokus.
Autorin: Kristin Kambach