Das Immunsystem von Pflanzen stärken

Das Immunsystem von Pflanzen stärken

Im Projekt PrimACrop haben Forschende natürliche Substanzen für einen umweltfreundlicheren Pflanzenschutz identifiziert. Mit ihnen könnte der Einsatz von synthetischen Pestiziden reduziert werden. 

Im Rahmen des Projekts PrimACrop wurde biologisches Ausgangsmaterial verschiedener Speisepilzarten hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Einsatzmöglichkeiten zur Stärkung pflanzlicher Abwehrmechanismen untersucht.
Im Rahmen des Projekts PrimACrop wurde biologisches Ausgangsmaterial verschiedener Speisepilzarten hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Einsatzmöglichkeiten zur Stärkung pflanzlicher Abwehrmechanismen untersucht.

Um Pflanzen vor Schadinsekten und krankmachenden Viren, Bakterien und Pilzen zu schützen, werden bisher hauptsächlich synthetische Pestizide eingesetzt. Doch diese können der Umwelt, der biologischen Vielfalt und auch der menschlichen Gesundheit schaden, denn viele dieser Wirkstoffe unterscheiden nicht zwischen Schädlingen und Nützlingen und verlieren aufgrund auftretender Resistenzen bei den Zielorganismen ihre Wirkung. Ziel des Projekts PrimACrop war es deshalb, naturnahe Substanzen zu identifizieren, die das Immunsystem von Pflanzen anregen und somit einen umweltfreundlicheren Pflanzenschutz ermöglichen, der weniger auf Pestizide angewiesen ist. Denn Naturstoffe, die das pflanzliche Immunsystem anregen – sogenannte Priming-Active Compounds – sind besonders vielversprechend, um Krankheitserreger umweltverträglich zu bekämpfen.

Im Projekt arbeiteten die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RTWH) Aachen und das National Center for Genetic Engineering and Biotechnology (BIOTEC) in Pathum Thani (Thailand) zusammen. Die Arbeit der Aachener Forschenden wurde von September 2021 bis August 2024 vom Bundesministerium für Wirtschaft, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) im Rahmen der Maßnahme „Bioökonomie International“ mit 282.814,00 Euro gefördert.

Pflanzen sollten sich selbst verteidigen

Die naturnahen Substanzen sollten unter anderem aus Pilzen oder speziell aus entomopathogenen Pilzen gewonnen werden. Letztere produzieren Moleküle, die das Immunsystem von Pflanzen auf einen Befall durch Schädlinge vorbereiten können. Sogenanntes Abwehr-Priming ist die Grundlage der induzierten Krankheitsresistenz in Pflanzen. „Um es ganz vereinfacht zu sagen, ist es wie eine Impfung beim Menschen: Man erhält beispielsweise ein kaum aktives Virus oder einen abgetöteten Pilz, die vom Immunsystem erkannt werden und daraufhin Abwehrreaktionen vorbereiten“, erklärt Patrick Schwinges, betreuender Wissenschaftler des Projekts.

Beim Priming geht es nicht um eine spezielle Krankheit: „Unsere Herangehensweise dient nicht dazu, gezielt einen Erreger zu bekämpfen oder Fungizide und Insektizide zu entwickeln, sondern die Pflanzen darin zu stärken, sich selbst gegen Krankheiten oder abiotischen Stress zu verteidigen“, so der Biologe weiter. „In unserem Labor identifizieren wir seit Jahren mithilfe von Modellsystemen Substanzen, die genau diese Immun-Vorbereitungsreaktion in Pflanzen auslösen.“ 

Bibliothek von 80 Substanzen

Der erste Schritt und die Aufgabe der thailändischen Partner war es, Pilze zu sammeln, zu kultivieren, deren Wirkstoffe zu isolieren und die Kollektion dann dem Aachener Team in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen. „BIOTEC verfügt über eine umfangreiche Bibliothek natürlicher Substanzen, was insbesondere für die Anwendung in Deutschland und Europa spannend ist“, erklärt der Projektleiter. „Und wenn wir diese sogar selbst produzieren können, wird es noch attraktiver. So sind wir dem Schritt zur konkreten Anwendung direkt näher, weshalb im Projekt der Fokus auf dieser Substanzbibliothek lag.“

Pilzmaterial, das das RWTH-Team für die Extraktion von bioaktiven Stoffen für die Experimente nutzen.
Pilzmaterial, das das RWTH-Team zur Extraktion von bioaktiven Stoffen für die Experimente nutzt.

Die Vorgehensweise des Aachener Teams bestand darin, eine Petersilie-Zellkultur mit sehr kleinen Mengen verschiedenster Kandidatensubstanzen fürs Priming zu behandeln und anschließend einen simulierten Stressreiz zu setzen. Dadurch ließ sich unter UV-Licht sichtbar machen, ob die Zellen ein Abwehrsignal erzeugen und ob dieses Signal nach einer vorherigen „Priming“-Behandlung stärker ausfällt. Dieses Screening-System erlaubte es, schnell und mit minimalen Materialmengen zu prüfen, welche Substanzen eine verstärkte Immunantwort auslösen, keine Wirkung zeigen oder die Zellen stressen. „Letztendlich haben wir bei acht der achtzig Substanzen feststellen können, dass unsere Zellkultur darauf reagiert“, berichtet Schwinges. Im weiteren Verlauf des Projekts fokussierte man sich aus verschiedenen Gründen auf zwei dieser Substanzen, die eine sehr gute Immunstimulation zeigten. 

Zwei erfolgreiche Substanzen

Im nächsten Schritt wurde überprüft, ob die in der Zellkultur wirksamen Substanzen auch in intakten Pflanzen funktionieren. Dazu behandelten Schwinges und sein Projektteam Pflanzen mit etwas größeren Mengen der Substanzen und testeten, ob sie anschließend resistenter gegen einen Schadpilz sind. Dies war bei zwei Molekülen erfolgreich. Zeitgleich wurde überprüft, ob es bei den Substanzen Hinweise auf mögliche Risiken gibt. „Beispielsweise hatten wir ein Molekül identifiziert, das eine hervorragende Antwort in der Pflanze hervorgerufen hat, bei dem sich dann jedoch herausstellte, dass es definitiv krebserregend ist – und das auch in geringen Dosen.“ Das zweite Kriterium war die Verfügbarkeit der jeweiligen Substanz.

Der behandelte linken Teil des Zuckerrübenbestands ist gesund, während die unbehandelte rechte Hälfte deutlich von Pilzkrankheiten mit starken Blattnekrosen geschädigt ist.
Der mit Pflanzenschutzmittel behandelte linke Teil des Zuckerrübenbestands ist gesund, während die unbehandelte rechte Hälfte deutlich von Pilzkrankheiten mit starken Blattnekrosen geschädigt ist.

Welche die beiden wirksamen Substanzen sind, wird aus Gründen des Patentschutzes und der späteren wirtschaftlichen Nutzung nicht veröffentlicht. Dasselbe gilt für die Pilze, aus denen die Substanzen stammen. Schwinges verrät allerdings so viel: „Ein Pilz davon ist tatsächlich kein entomopathogener Pilz, sondern ein Speisepilz, der in Deutschland und Europa gar nicht so bekannt ist oder jetzt erst als neuer Edelpilz ins Rennen geht.“ 

Folgeprojekt mit Start-up aus Köln

Das langfristige Ziel des Projekts war es ursprünglich, gemeinsam mit Partnern aus der freien Wirtschaft neue, biobasierte Produkte für den Pflanzenschutz zu entwickeln und zu vermarkten. Laut Schwinges würde die Entwicklung eines marktreifen Produkts mindestens fünf bis sieben Jahre dauern. Doch die Zusammenarbeit mit den bisherigen thailändischen Partnern konnte nicht weitergeführt werden. Im Rahmen von PrimACrop wurden also die Grundsteine dafür gelegt – ein fertiges Produkt entstand jedoch noch nicht. 

Eine Arbeitsgruppe aus dem Aachener Institut hat daher eigenständig nach neuen Möglichkeiten gesucht, weitere interessante Substanzen zu gewinnen. Kürzlich wurde ein Partnerunternehmen in Köln gefunden, das Speisepilze aus landwirtschaftlichen Restsubstraten züchtet. Im Fokus steht der Löwenmähnepilz, der etwa 80 bis 85 verschiedene Sekundärstoffe produziert, die potenziell für Anwendungen interessant sind. Das Folgeprojekt zielt darauf ab, diese Substanzen schneller in die Praxis zu bringen. Dazu werden Extrakte aus dem Pilz und aus den verbleibenden Substraten gewonnen, in der Hoffnung, dass die relevanten Wirkstoffe darin enthalten sind. Das Projekt wurde erst vor kurzem gestartet.

Autorin: Lea Holzamer