Pflanzliches Immunsystem vernetzter als gedacht

Pflanzliches Immunsystem vernetzter als gedacht

Die pflanzliche Abwehr besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen. Jetzt gibt es erstmals Belege dafür, dass beide Teile direkt verbunden sind.

Pflanztöpfe mit Exemplaren der Ackerschmalwand
Am Beispiel der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) konnten Fachleute zeigen, dass die beiden Ebenen des pflanzlichen Immunsystems miteinander verbunden sind.

Genau wie Mensch und Tier besitzen Pflanzen ein Immunsystem, um sich gegen Infektionen zu verteidigen. Die Pflanzenforschung hat über die Jahre viele Elemente der pflanzlichen Abwehr aufgeklärt, doch noch immer ist dieses Immunsystem schlechter erforscht als das des Menschen. Eine dieser offenen Fragen betrifft den Aufbau: Bekannt ist, dass das pflanzliche Immunsystem aus zwei unterschiedlichen Teilen besteht, die nacheinander greifen. Aber gibt es zwischen diesen Mechanismen auch eine direkte Verbindung? Was zunehmend vermutet wurde, hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Tübingen und des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung nun an der Modellpflanze Ackerschmalwand mit Belegen untermauert, wie das Team im Fachjournal „Nature“ berichtet.

Erste Abwehr an der Zelloberfläche

Die erste Abwehrebene der Pflanze befindet sich an der Oberfläche ihrer Zellen. Rezeptoren erkennen dort typische Strukturen von Krankheitserregern, wenn diese daran binden. „Dieses Überwachungssystem löst meist nur eine schwache und unspezifische Immunreaktion aus“, sagt Rory Pruitt, Erstautor der Studie. Genügt diese Reaktion nicht, um die Erreger loszuwerden, können diese in die Pflanzenzelle Proteine einschleusen. Diese sogenannten Effektoren dienen dazu, die pflanzliche Abwehr im Inneren der Zellen lahmzulegen.

Zweite Abwehr im Zellinneren

Die zweite Abwehrebene der Pflanze liegt im Zellinneren und ist genau auf diese Effektoren ausgerichtet. Werden sie vom Immunsystem erkannt, aktiviert die Zelle das volle Abwehrprogramm: „Die Pflanze schickt die infizierten Zellen in den programmierten Zelltod, es bilden sich Läsionen im Blatt. Die Erreger können sich nicht weiter ausbreiten, und die Infektion kommt unter Kontrolle“, erläutert Pruitt. Weil beide Abwehrebenen zeitlich versetzt aktiv sind, wurden sie lange Zeit als voneinander unabhängige Mechanismen betrachtet.

Knotenpunkt beider Abwehrebenen

Das Forschungsteam hat nun die einzelnen Schritte und die beteiligten Proteine der beiden Abwehrreaktionen genau analysiert. Dabei stellte sich heraus, dass ein Eingriff in den ersten Signalweg in bestimmten Fällen auch den zweiten Signalweg beeinträchtigte. „Die beiden Zweige des Immunsystems laufen in einem Knoten zusammen“, interpretiert Teamleiter Thorsten Nürnberger. Bestimmte Enzymkomponenten sind demnach sowohl daran beteiligt, Erreger an der Zelloberfläche zu erkennen als auch deren Effektoren im Zellinneren zu identifizieren. Wie die beiden Ebenen des Immunsystems genau ineinander greifen, blieb zunächst jedoch noch offen.

Langfristig könnte diese Beobachtung sich auf den Nutzpflanzenanbau auswirken: Versteht die Pflanzenzüchtung das pflanzliche Immunsystem besser, ist es möglich, auf züchterischem Wege die Abwehr gegen Pflanzenkrankheiten zu stärken und Erträge zu sichern.

bl