RNA-Impfstoffe für Pflanzen entwickelt
Biochemiker der Universität Halle-Wittenberg haben ein Verfahren entwickelt, um passgenaue RNA-Moleküle zur Abwehr von Pflanzenviren herzustellen.
Viren befallen nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch Pflanzen. Um die damit verbundenen Ernteausfälle zu vermeiden, wäre es wünschenswert, Impfstoffe gegen diese Viren einsetzen zu können. Pflanzenbiochemiker der Universität Halle-Wittenberg (MLU) berichten nun im Fachjournal „Nucleic Acids Research“ von einem neuen Ansatz, der in kurzer Zeit zu maßgeschneiderten Impfstoffen führen soll.
Natürliche Abwehrreaktion als Grundlage
Dabei machen sich die Wissenschaftler einen natürlichen Mechanismus der Pflanzen zu Nutze: Wenn ein Virus eine Zelle befällt, kapert es deren Prozesse, um sich zu vermehren. Dazu entstehen virale Ribonukleinsäuren (RNAs). Das pflanzliche Immunsystem erkennt diese Moleküle und nutzt Enzyme, um sie zu zerschneiden. Die so entstandenen Fragmenten – sogenannte small interfering RNAs (siRNAs) – aktivieren ihrerseits einen weiteren Mechanismus der pflanzlichen Abwehr: Sie binden an sogenannte Argonaute-Proteinkomplexe und leiten diese zur viralen RNA. Die Proteinkomplexe bauen die RNA dann ab und beseitigen so die Gefahr durch das Virus. „Mit diesem zweistufigen Prozess versucht sich die Pflanze einerseits am Ort der Infektion und anderseits in ihrem gesamten Organismus gegen das Virus zu schützen“, erläutert Sven-Erik Behrens vom Institut für Biochemie und Biotechnologie der MLU.
Wirksame Moleküle identifizieren
Allerdings ist der pflanzliche Abwehrmechanismus ineffizient. „Bei einer Virusinfektion entstehen sehr viele unterschiedliche siRNA-Moleküle, aber nur ganz wenige haben eine Schutzwirkung“, schildert Behrens. „Die meisten sättigen die Argonaute-Komplexe nur ab, sodass diese dann inaktiv bleiben.“ Damit die Viren effektiv bekämpft werden, müssen die siRNA-Moleküle also sowohl gut in die Argonaute-Komplexe passen, als auch diese verlässlich zu ihren Zielen leiten. Die Hallenser Forscher haben nun ein biochemisches Verfahren gefunden, um gezielt solche siRNAs in pflanzlichen Zellextrakten zu identifizieren. Diese können dann als spezifische Impfstoffe produziert werden.
Erfolg im Labor, aber offene Praxisfragen
Zumindest im Labor hat sich die Methode bereits bewährt. Am Beispiel der Tabakpflanze und eines Modellvirus demonstrierten die Biochemiker, dass geimpfte Pflanzen zu 90% vom Virus verschont blieben, während die ungeimpften Kontrollpflanzen ausnahmslos eingingen. In der Praxis sind jedoch noch viele Fragen offen: Wie lange wirkt die Impfung? Lassen sich Wirkstoffdepots an der Pflanze anlegen? Nicht zuletzt müssen die Impfstoffe in großem Maßstab produziert und auf die Pflanzen aufgetragen werden.
Eine wesentliches Problem von Impfstoffen dürfte der neue Ansatz auf jeden Fall nicht haben: „Wenn sich das Pathogen verändert oder die Pflanze gegen ein anderes Virus geschützt werden soll, lassen sich mit dem etablierten Screening sehr schnell geeignete RNA-Moleküle identifizieren, um den jeweiligen Krankheitserreger zu bekämpfen. So kann man sehr flexibel gegen neue Schädlinge vorgehen“, resümiert Behrens.
bl