„Mit Urban-Farming und Urban-Mining lassen sich Win-Win-Effekte erzielen“

„Mit Urban-Farming und Urban-Mining lassen sich Win-Win-Effekte erzielen“

Grit Bürgow

Beruf: 
Stadt- und Landschaftsarchitektin mit Hintergrund in Lebensmittel- und Biotechnologie

Position: 
Co-Gründerin von Roof Water-Farm und dem Reallabor Mobile Blau-Grüne Infrastruktur sowie von aquatectura – Studios für regenerative Landschaften

 

Grit Bürgow
Vorname
Grit
Nachname
Bürgow

Beruf: 
Stadt- und Landschaftsarchitektin mit Hintergrund in Lebensmittel- und Biotechnologie

Position: 
Co-Gründerin von Roof Water-Farm und dem Reallabor Mobile Blau-Grüne Infrastruktur sowie von aquatectura – Studios für regenerative Landschaften

 

Grit Bürgow

Ob im Reallabor oder mit modularen Baukastensystemen: Grit Bürgow sucht nach Wegen, städtische Wasserressourcen ökologischer zu nutzen. Als Stadt- und Landschaftsgestalterin richtet sie den Blick dabei besonders auf das Zusammenspiel mit Pflanzen.

In vielen Städten werden Wasserressourcen zunehmend knapper, weil eine steigende Versiegelung, höhere Temperaturen und die wachsende Bevölkerung den natürlichen Wasserkreislauf stören und den Verbrauch gleichzeitig erhöhen. Mit dem Reallabor „Mobile Blau-Grüne Infrastruktur“ möchten Grit Bürgow und ihr Team diesem Trend etwas entgegensetzen. Sie machen städtisches Wasser wieder nutzbar – etwa für die Pflanzenzucht in sogenannten vertikalen Hydroponik-Farmen oder Schwammstadt-Gärten. Das Ziel: Klima, Lebensqualität und die städtische Atmosphäre verbessern. Ein Leitgedanke ihrer Arbeit ist dabei stets, Lösungen einfach und schnell umsetzbar zu gestalten, sodass sie von vielen Menschen mühelos nachgeahmt und weiterentwickelt werden können.

Frage

Worum geht es im Reallabor „Mobile Blau-Grüne Infrastruktur“? 

Antwort

Das Reallabor „Mobile Blau-Grüne Infrastruktur“ ist die Weiterentwicklung des Roof-Water-Farm-Baukastenprinzips in mobiler Form. Wir wollen in möglichst niederschwelliger Weise Wasserressourcen in der Stadt „ernten“ und nutzen, die beispielsweise aktuell kostenaufwendig in die Kanalisation gespült werden. Zum anderen geht es darum, mit diesen Wasserressourcen positive Effekte für das Klima, die Lebensqualität und Atmosphäre in der Stadt und im Alltag zu bewirken, kurzum „mobile Ökosystemleistungen“ für viele und mit vielen zu regenerieren. Als Stadt- und Landschaftsgestalterin geht es mir besonders um das Zusammenspiel mit Pflanzen.

Frage

Welche Aspekte der Roof-Water-Farm werden wie und in welchen Projekten umgesetzt? 

Antwort

Ein Beispiel sind mobile Freiraumgestaltungen wie etwa vertikale Hydroponik-Farmen zur platzsparenden, frischen Nahrungsmittelproduktion sowohl für den Indoor- als auch den Outdoorbereich. Ein anderes Beispiel sind mobile Schwammstadt-Gärten in Form von Mini-Mooren oder auch Regenwassergärten für den natürlichen Klimaschutz. Das Ganze sollte möglichst einfach und schnell umsetzbar sein, sodass es viele Menschen zum Nachahmen und Weiterentwickeln anregt. Daher haben wir auch eine einfache Bauanleitung entwickelt, die vor allem für Schulen interessant ist. Die blau-grünen Infrastrukturen können aufgrund ihrer Modularität schnell und einfach implementiert werden und gegebenenfalls auch als temporäre Lösung durch die Stadt wandern. 

Frage

Welches Potenzial bieten solche Reallabore mit Blick auf die Umsetzung einer zirkulären Bioökonomie in der Stadt?

Antwort

Diese praktischen Ansätze zeigen, dass es mit Blick auf die städtischen und kommunalen Wasserressourcen möglich ist, Urban-Mining und Urban-Farming zu verbinden und vielfältige Win-Win-Effekte zu erzielen. So werden beispielsweise auf unserer BeachFarm mit unserem prototypischen „ShowerTower“ diverse Kräuter für die BeachBar und das BeachBistro produziert – in der ersten Outdoor-Hydroponikfarm Berlins, bewässert mit aufbereitetem Duschwasser in Nahrungsmittelanbauqualität. Der Bedarf an Kräutern kann zu 100 % direkt vor Ort und auf nur 4 m2 im Farm-to-Table-Prinzip produziert werden. Inzwischen werden sogar die Toiletten mit dem aufbereiteten Duschwasser in Bewässerungswasserqualität gespült und dadurch wertvolles Trinkwasser eingespart. 

Perspektivisch entstehen aus den Möglichkeiten und Ansätzen neue Berufs- und Innovationsfelder für eine lokale urbane Kreislaufwirtschaft – ergänzt durch neue gemeinschaftliche wie kommerzielle Betriebs- und Kooperationsmodelle. Besonders der mobile Ansatz bietet das Potenzial, platzsparende Hydroponik-Farmsysteme oder Schwammstadt-Klimabeete schnell, kostengünstig und an vielen Orten umzusetzen. Für einen breiteren Rollout braucht es jedoch politische Unterstützung, die dezentrale und bürgerfreundliche Lösungen stärkt.

Frage

Worum geht es im Projekt ClimateHOOD und was ist das Ziel?

Antwort

Dieses Projekt ist als strategische Projektkooperation des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf und der StadtManufaktur Berlin, Reallaborzentrum und Kooperationsinitiative der TU Berlin in ko-kreativer Weise entstanden (mehr dazu hier). Mit dem Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ unterstützt das Bundesbauministerium die Umsetzung erster blau-grüner Infrastrukturmaßnahmen für eine Schwammstadt auf dem TU-Berlin-Campus. Im Reallabor stehen dabei strategisches Regenwassermanagement, neue Betreibermodelle für die Freiflächenpflege sowie eine sicht- und erlebbare Campusentwicklung im Mittelpunkt, ergänzt durch innovative Erkenntnisse aus Langzeit- und Begleitforschung. Zudem wurde gemeinsam mit dem Unternehmen FormFollowsYou das digitale Planungs- und Beteiligungswerkzeug ClimateTOOL entwickelt. Durch die Verknüpfung mit dem bundesweit verfügbaren 3D-Stadtmodell können blau-grüne Klimaanpassungsszenarien nicht nur anschaulich visualisiert und somit kommuniziert, sondern auch anhand bestimmter Parameter ausgewertet und verglichen werden.

Frage

Welche Erkenntnisse liefert das Vorhaben und wie werden sie beispielsweise im Wohnungsbau umgesetzt?

Antwort

All diese Erkenntnisse, Maßnahmen und erlebbaren Referenzen möchten vor allem die urbane Transformation in Richtung einer regenerativen Stadtentwicklung fördern, die zirkuläres Wirtschaften, Kreislaufstadtentwicklung und klimawirksame Schwammstadtgestaltung zusammenbringt. Für den Wohnungsbau sollen Impulse für regulatorische Vorgaben und Förderungen, etwa zur dezentralen Wiederverwendung von Grauwasser erwachsen. Dieser Teil des häuslichen „Abwassers“ ist eine wertvolle Ressource und macht ca. 70 % im Gebäudeabwasserstrom aus. Es kann jeden Tag neu und direkt vor Ort im Quartier als hochwertiges „Betriebswasser“ wertvolles Trinkwasser in vielen Bereichen ersetzen und in Zukunft vielleicht sogar einige Dachgewächshäuser in Berlin bewässern – von der Schuldachfarm mit grünem Klassenzimmer bis zum Nachbarschaftsgewächshaus. Vieles ist möglich, schon heute wirtschaftlich und somit machbar, wir müssen es nur wollen!

Interview: Lea Holzamer