Was ist eine Lebenszyklusanalyse?
Die Lebenszyklusanalyse (Life Cycle Assessment – LCA) ist eine Methode, mit der man die gesamten Umweltwirkungen eines Produkts über dessen gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet. Das bedeutet, dass alle Phasen berücksichtigt werden, die ein Produkt durchläuft: Rohstoffgewinnung, Herstellung und Verarbeitung, Transport und Verkauf, Nutzung durch den Konsumenten bis hin zur Entsorgung oder dem Recycling. Diese Betrachtung umfasst also nicht nur die unmittelbare Produktion eines Produkts, sondern auch alle vor- und nachgelagerten Prozesse, die mit der Herstellung und dem Verbrauch verbunden sind. So wird der gesamte Kontext eines Produktlebens sichtbar, in dem man untersucht, wie viel Energie und Rohstoffe in jeder Phase benötigt werden und welche Schadstoffe dabei freigesetzt werden.
Der Aufbau einer Lebenszyklusanalyse beginnt damit, einen klaren Zielrahmen festzulegen: Was genau soll untersucht werden und welche Systemgrenzen setzt man? Danach erfolgt die Sachbilanz, in der alle relevanten Daten zu Materialien, Energieflüssen und Emissionen im Lebenszyklus des Produkts gesammelt werden. Anschließend kommt die Wirkungsabschätzung, bei der die gesammelten Daten in Umweltwirkungen übersetzt werden – zum Beispiel, wie viel CO₂ freigesetzt wird und wie sich das auf den Klimawandel auswirkt. Die Auswertung bildet den Abschluss der Analyse, indem sie die ermittelten Ergebnisse interpretiert und Handlungsempfehlungen ableitet. Diese können Aufschluss darüber geben, wie der Ressourcenverbrauch gesenkt und die Umweltauswirkungen verringert werden können.
Die Lebenszyklusanalyse unterscheidet sich von einer Stoffstromanalyse. Während die Lebenszyklusanalyse den gesamten Lebenszyklus eines Produkts vom Anfang bis zum Ende aus einer Bottom-Up-Perspektive betrachtet und sich auf die Umweltauswirkungen fokussiert, nimmt die Stoffstromanalyse eine Top-Down-Perspektive ein. Diese konzentriert sich eher darauf, wie sich Materialien und Energie in einem gesamten System bewegen und weniger darauf, welche konkreten Umweltwirkungen entstehen. Sie analysiert Material- und Energieflüsse auf einer höheren Ebene, wie beispielsweise in einer Fabrik oder einer ganzen Industrie, und ist weniger detailliert, wenn es um die spezifischen Auswirkungen einzelner Produkte geht.
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Wozu benötigt man Life Cycle Assessments?
Lebenszyklusanalysen dienen mehreren Zielen:
- Hauptziel von LCAs ist die Erfassung und Minimierung der Umweltbelastungen, insbesondere durch den Klimawandel und andere ökologische Herausforderungen wie Versauerung, Eutrophierung oder Ozonabbau. LCAs machen sichtbar, wo entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung – klimarelevante Treibhausgase und andere Schadstoffe freigesetzt werden. Diese Informationen sind entscheidend, um gezielte Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
- LCAs tragen maßgeblich zur Optimierung der Ressourceneffizienz bei, da sie den Einsatz von Primärrohstoffen und Energie analysieren. Sie ermöglichen es, energie- und materialintensive Produktionsschritte zu identifizieren und Alternativen zu finden, die weniger Ressourcen verbrauchen. Durch diese Einsparungen lassen sich natürliche Ressourcen schonen und langfristig nachhaltige Produktionsweisen fördern.
- Neben den ökologischen Faktoren ermöglicht eine LCA Einblicke in soziale und wirtschaftliche Auswirkungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Im ländlichen Raum etwa beeinflusst die Nutzung natürlicher Ressourcen die wirtschaftliche Stabilität und kann Arbeitsplätze schaffen oder sichern. Eine LCA liefert daher nicht nur Informationen zur ökologischen, sondern auch zur sozialen Nachhaltigkeit eines Produkts und hilft, dessen Wertschöpfungspotenzial differenziert zu verstehen.
- LCAs schaffen Klarheit über komplexe Prozessketten und helfen, die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Produktionsschritten zu erkennen. Dadurch lassen sich Problemverschiebungen vermeiden – zum Beispiel Maßnahmen, die zwar in einem Schritt die Umweltbelastung verringern, diese jedoch an anderer Stelle erhöhen. Eine LCA hilft so, durch Optimierungen in den richtigen Bereichen ganzheitlich nachhaltige Prozesse zu entwickeln.
- Ein weiterer Vorteil ist der Vergleich der Umweltperformance zwischen verschiedenen Produkten oder Prozessen. Hersteller können so sehen, welche Alternativen weniger belastend sind, und gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltbilanz treffen.
- LCAs dienen auch als Controlling-Instrument, da sie eine quantitative Grundlage bieten, um Umweltziele in Unternehmen zu verfolgen und umzusetzen. Die Analyse gibt einen detaillierten Überblick, der für strategische Entscheidungen im Umweltmanagement unerlässlich ist.
- Schließlich sind die Ergebnisse von LCAs eine wertvolle Grundlage für die Entwicklung gesetzlicher Normen und Richtlinien. Sie unterstützen politische Entscheidungsträger dabei, wissenschaftlich fundierte Maßnahmen zum Umweltschutz und zur Ressourcenschonung zu entwickeln und umzusetzen, die die ökologische Nachhaltigkeit fördern und zur Einhaltung internationaler Klimaschutzziele beitragen.
Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Rohstoffrückgewinnung
In einer Lebenszyklusanalyse (LCA) kann ein Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Rohstoffrückgewinnung entstehen. Bei der Rohstoffrückgewinnung – etwa durch Recyclingprozesse oder die Wiederaufbereitung von Altmaterialien – ist häufig ein zusätzlicher Energieeinsatz erforderlich, um Materialien zu reinigen, zu trennen und zu verarbeiten. Diese Prozesse erzeugen Emissionen, die den CO₂-Ausstoß und damit die Klimabilanz belasten. Zwar werden durch die Rohstoffrückgewinnung Primärressourcen geschont und langfristig Umweltbelastungen reduziert, jedoch steht der zusätzliche Energieaufwand im Widerspruch zum Ziel des Klimaschutzes. Diesen Zielkonflikt zwischen ressourcenschonender Rückgewinnung und klimafreundlicher Energieeinsparung zu lösen, ist eine zentrale Herausforderung bei der Optimierung der Nachhaltigkeit in einer Lebenszyklusanalyse.
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Normen, Rahmen und Indikatoren: Wie LCAs aufgebaut sind
Obwohl es zahlreiche unterschiedliche Methoden für Lebenszyklusanalysen gibt, sind diese in ihrem grundsätzlichen Aufbau durch Normen definiert. Die ISO-Normen 14040 und 14044 legen international anerkannte Standards für die Durchführung fest und sorgen für eine einheitliche und transparente Vorgehensweise. Sie sind zentrale Leitlinien, die definieren, wie eine LCA aufgebaut, durchgeführt und dokumentiert werden sollte, damit Ergebnisse zuverlässig und vergleichbar sind.
- Die ISO 14040 bietet einen allgemeinen Überblick über die Struktur und Prinzipien der Lebenszyklusanalyse. Sie beschreibt die wesentlichen Schritte: Definition des Zielrahmens, Sachbilanz (Datensammlung), Wirkungsabschätzung (Umsetzung der Daten in Umweltwirkungen) und Auswertung. Ziel dieser Norm ist es, grundlegende Anforderungen festzulegen, die sicherstellen, dass jede LCA klar definiert ist und in allen Phasen nachvollziehbar durchgeführt wird.
- Die ISO 14044 ergänzt die ISO 14040 und enthält detailliertere Anforderungen für die methodische Umsetzung der einzelnen LCA-Schritte. Sie spezifiziert die Anforderungen zur Datenerhebung, die Berechnungsregeln sowie die Kriterien für die Auswahl und Bewertung der Umweltauswirkungen. Zudem behandelt die ISO 14044 Anforderungen zur Berichterstattung und Interpretation der Ergebnisse.
Obwohl Lebenszyklusanalysen meist das komplette Produktleben mit allen vor- und nachgelagerten Prozessen betrachten, kann der Rahmen der Analyse – die Systemgrenzen – auch variieren:
- Cradle-to-Gate: Hier wird der Lebenszyklus von der Rohstoffgewinnung („von der Wiege“) bis zum Werkstor („Gate“) des Herstellers betrachtet. Diese Analyse endet also, bevor das Produkt den Hersteller verlässt, und schließt alle Umweltwirkungen der Rohstoffgewinnung und Produktion ein, nicht aber die Nutzung oder Entsorgung des Produkts.
- Cradle-to-Cradle: Diese Perspektive umfasst den gesamten Lebenszyklus eines Produkts – von der Rohstoffgewinnung bis zur Wiederverwertung in einem geschlossenen Kreislauf. Ziel ist es, dass alle Materialien am Lebensende wiederverwendet werden können, sodass kein Abfall entsteht.
- Gate-to-Gate: Hierbei wird nur ein einzelner Produktionsschritt oder ein spezifischer Prozess innerhalb eines Unternehmens betrachtet – vom „Eingangstor“ bis zum „Ausgangstor“ einer bestimmten Fertigungsstufe. Diese Analyse konzentriert sich also auf eine eng abgegrenzte Prozessphase und hilft, einzelne Schritte in der Produktionskette zu optimieren.
Das Ergebnis einer Lebenszyklusanalyse hängt stark davon ab, wie viele und welche Indikatoren für Umweltfolgen analysiert werden. Deren Auswahl ist entscheidend für die Aussagekraft und Genauigkeit der Analyse, bringt jedoch mehrere Herausforderungen mit sich.
Abhängig vom Ziel kann der Fokus auf unterschiedliche Umweltaspekte gerichtet sein. Zum Beispiel wird bei einer Analyse zur Reduktion des CO₂-Ausstoßes primär das Klimawandelpotenzial (GWP) als Indikator herangezogen. Möchte man jedoch eine ganzheitliche ökologische Bewertung, müssen viele weitere Indikatoren wie Versauerungspotenzial, Eutrophierung oder Humantoxizität berücksichtigt werden. Diese breite Auswahl kann zu einer komplexen und aufwendigen Analyse führen, was Ressourcen und Kosten erhöht.
Zudem stellt die Wahl der Indikatoren oft ein methodisches Problem dar, da Indikatoren manchmal nur bestimmte Umweltaspekte erfassen können und nicht alle Auswirkungen gleichermaßen gut abdecken. Einige Umweltfaktoren, wie beispielsweise die Auswirkungen auf Biodiversität oder bestimmte soziale Aspekte, sind schwer messbar und werden oft vernachlässigt, obwohl sie für eine umfassende Nachhaltigkeitsbewertung wichtig wären.
Eine weitere Herausforderung ist die Datenverfügbarkeit und -genauigkeit. Für viele Indikatoren benötigt man spezifische Daten, die in bestimmten Branchen oder Regionen schwer zugänglich sind. Dies kann dazu führen, dass nur Indikatoren verwendet werden, für die ausreichend Daten vorliegen, was die Aussagekraft der Analyse begrenzen kann. Bei komplexen Produkten mit internationalen Lieferketten können einige Umweltwirkungen wie Emissionen oder Wasserverbrauch über verschiedene Phasen hinweg zudem unterschiedlich stark variieren, was es schwierig macht, die richtigen Indikatoren auszuwählen und umfassend zu bewerten.
Schließlich spielt auch die Zielgruppe der LCA eine Rolle. Für bestimmte Stakeholder wie politische Entscheidungsträger oder Unternehmen sind bestimmte Indikatoren wichtiger als andere, was jedoch zu einer weniger umfassenden Sichtweise führen kann.
Digitaler Produktpass
Ein digitaler Produktpass speichert und teilt relevante Daten zu einem Produkt, darunter Umweltindikatoren und LCA-Ergebnisse, in einem digitalen Format. Diese Pässe machen Umweltinformationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette für Verbraucher, Unternehmen und Behörden zugänglich. Dadurch wird es einfacher, fundierte Entscheidungen zu treffen, nachhaltige Produkte zu bevorzugen und Prozesse wie Recycling und Reparatur zu unterstützen.
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Ökobilanzen für die Bioökonomie
Eine Lebenszyklusanalyse im Kontext biobasierter Produkte bringt spezifische Herausforderungen und Besonderheiten mit sich, die über die klassische LCA hinausgehen und besondere Umweltaspekte berücksichtigen müssen.
- Ein zentraler Aspekt ist die Landnutzung. Biobasierte Produkte benötigen land- oder forstwirtschaftliche Flächen. Diese Flächennutzung kann zu einer Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion führen und wichtige ökologische Auswirkungen haben, etwa die Veränderung der Bodengesundheit und -struktur. Die Landnutzung erfordert daher eine genaue Betrachtung in der LCA, um die Auswirkungen auf die Umwelt und die lokale Bevölkerung realistisch zu bewerten.
- Biodiversität ist ein weiterer wichtiger Faktor in der LCA biobasierter Produkte. Der Anbau von Rohstoffen für biobasierte Produkte wie Mais, Zuckerrohr oder Baumwolle kann natürliche Lebensräume beeinflussen und die Artenvielfalt bedrohen, insbesondere bei großflächigem Monokulturanbau. Eine LCA im biobasierten Kontext sollte daher die Effekte auf die Biodiversität miteinbeziehen und beispielsweise den Verlust von Artenvielfalt und den Einfluss auf lokale Ökosysteme bewerten. Diese Auswirkungen lassen sich durch Maßnahmen wie den Anbau in Mischkulturen oder Agroforstsystemen reduzieren, die wiederum über die LCA transparent gemacht werden können.
- Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist die Einbindung von Stoffkreisläufen. Da biobasierte Produkte aus erneuerbaren Quellen stammen, können sie theoretisch in natürlichen Kreisläufen zirkulieren. Die meisten biobasierten Materialien sind biologisch abbaubar und lassen sich potenziell wieder in die Umwelt zurückführen, wodurch sie sich von nicht-abbaubaren, fossilen Materialien unterscheiden. In einer LCA wird deshalb untersucht, ob und wie gut biobasierte Produkte in die natürlichen Stoffkreisläufe integriert werden können – beispielsweise durch Kompostierung oder Recycling. So lässt sich bewerten, ob ein Produkt am Ende seines Lebenszyklus wieder in die Umwelt zurückkehren kann, ohne Schadstoffe zu hinterlassen.
LCA als Werkzeug für das Bioökonomie-Monitoring
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt SYMOBIO 2.0 entwickelt wissenschaftliche Grundlagen für ein systemisches Monitoring und für die Modellierung der Bioökonomie in Deutschland. Hierbei berücksichtigen die Forschenden auch Nachhaltigkeitsaspekte auf internationaler Ebene. Die Entwicklung des Monitoring-Systems wird durch die UN-Nachhaltigkeitsziele sowie durch einen systemischen Ansatz gerahmt.
In SYMOBIO 2.0 werden Daten aus verschiedenen Bereichen der Bioökonomie gesammelt und analysiert, um die Auswirkungen biobasierter Produkte und Prozesse auf die Umwelt und den Ressourcenverbrauch zu bewerten. LCAs werden dabei genutzt, um umfassende Umweltbewertungen für spezifische Produkte und Prozesse im biobasierten Sektor durchzuführen.
Mehr zum Bioökonomie-Monitoring auf bioökonomie.de
News: Neues Infoportal zum Bioökonomie-Monitoring
News: Die Fußabdrücke der deutschen Bioökonomie
Themendossier: Monitoring: Die Vermessung der Bioökonomie
Förderbeispiel: Das Bioökonomie-Monitoring langfristig ausrichten
Interview mit Stefan Bringezu: Die Bioökonomie neu vermessen
SYMOBIO 2.0 integriert in seine LCAs spezifische Aspekte der Bioökonomie wie Landnutzung, Biodiversität und die Ressourcenschonung durch erneuerbare Materialien. Dadurch schafft das Projekt eine Grundlage für die systemische Bewertung der Bioökonomie und zeigt, wo der Einsatz biobasierter Rohstoffe positive Effekte hat und wo potenzielle Herausforderungen liegen.
Zusätzlich unterstützt SYMOBIO 2.0 die Entwicklung von Indikatoren und Monitoring-Tools für die nachhaltige Bioökonomie. Die Ergebnisse der LCAs fließen in diese Indikatoren ein, die wiederum in die Berichterstattung und Bewertung der Nationalen Bioökonomiestrategie einfließen. Hervorgegangen ist aus dem Projekt auch der SYMOBIO Data Explorer, ein Onlinetool, das ökologische Fußabdrücke für die deutsche Bioökonomie darstellt. Das Infoportal Monitoring Bioökonomie bündelt alle Informationen zum Bioökonomie-Monitoring.
Datenquellen und Tools
- ecoinvent: Eine umfassende und weltweit anerkannte Datenbank mit Lebenszyklusdaten für verschiedenste Materialien und Prozesse, einschließlich vieler biobasierter Materialien und Produktionsschritte.
- Agri-footprint: Speziell für die Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion entwickelt, bietet Agri-footprint detaillierte LCA-Daten für landwirtschaftliche Rohstoffe, die in biobasierten Produkten verwendet werden.
- Sphera: Ein weit verbreitetes LCA-Softwaretool mit umfangreicher Datenbank, das eine breite Palette von Industriesektoren abdeckt, inklusive spezifischer Daten zu biobasierten Rohstoffen und Produkten.
- EPLCA: Entwickelt vom Joint Research Centre der EU, bietet dieses Tool eine maßgeschneiderte Datenbasis für LCA-Analysen von biobasierten Produkten und Materialien im europäischen Kontext.
- USDA LCA Commons: Eine vom US-Landwirtschaftsministerium betriebene Datenbank, die sich auf Lebenszyklusdaten für Agrarprodukte und biobasierte Materialien konzentriert und eine wertvolle Ressource für US-spezifische Daten bietet.
- EXIOBASE: Eine Input-Output-Datenbank, die umfassende Informationen zu globalen Materialflüssen und Umweltwirkungen für zahlreiche Regionen liefert.
- openLCA: Ein kostenloses, open-source LCA-Tool, das den Zugang zu verschiedenen LCA-Datenbanken ermöglicht und sich für LCAs im biobasierten Bereich eignet, insbesondere für Einsteiger.
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Konzepte der nachhaltigen Produktentwicklung
Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Produktentwicklung haben sich verschiedene Ansätze etabliert.
Ökodesign (Eco-Design) nutzt die Ergebnisse einer Lebenszyklusanalyse, um den gesamten Lebenszyklus eines Produkts bereits in der Planungsphase nachhaltig zu gestalten. LCAs identifizieren die Phasen, die besonders umweltintensiv sind – etwa bei der Rohstoffgewinnung, der Herstellung oder der Nutzung. Auf Basis dieser Erkenntnisse wählt Eco-Design Materialien und Verfahren aus, die weniger Ressourcen und Energie verbrauchen und Abfälle reduzieren. Beispielsweise könnte eine LCA zeigen, dass ein bestimmter Kunststoff bei der Produktion hohe CO₂-Emissionen verursacht. Im Eco-Design-Prozess würde dieser Kunststoff dann durch eine umweltfreundlichere Alternative ersetzt, um die Umweltbelastung zu verringern.
Circular Design basiert auf dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft und zielt darauf ab, Produkte so zu gestalten, dass sie nach ihrer Nutzung recycelt, wiederverwendet oder repariert werden können. Eine LCA hilft hier, die Umweltvorteile geschlossener Kreisläufe aufzuzeigen, indem sie den Vergleich zwischen einem linearen Modell (Rohstoff - Produkt - Abfall) und einem kreislauforientierten Modell zieht. Durch LCAs wird deutlich, wie viel Material und Energie eingespart werden kann, wenn Produkte und Materialien im Kreislauf bleiben. Circular Design nutzt diese Erkenntnisse, um Produkte zu entwickeln, die lange halten, modular aufgebaut sind und nach Ende ihrer Nutzung möglichst vollständig recycelt werden können.
Life-Cycle-Thinking ist das übergeordnete Konzept, das die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Produkts – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung – als Grundlage für alle Entscheidungen versteht. Hierbei geht es nicht nur um einzelne Maßnahmen, sondern um eine ganzheitliche Perspektive, die für die Entwicklung nachhaltiger Produkte notwendig ist. Lebenszyklusanalysen sind das zentrale Werkzeug dieses Ansatzes, da sie die ökologischen Auswirkungen jeder Phase offenlegen. Mit Life-Cycle-Thinking wird sichergestellt, dass Entscheidungen in jeder Phase darauf basieren, die Umweltbelastung des Produkts über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg zu minimieren.
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Praxisbeispiele: LCAs für Bioökonomie-Produkte
Es gibt zahlreiche Bewertungsverfahren, die in LCAs zum Einsatz kommen. Dazu zählen unter anderem die ABC-Methode (sie priorisiert Prozesse und Materialien in die Klassen A, B und C je nach Größe der Umweltbelastung), die CML-Methode (entwickelt vom „Centrum voor Milieukunde“ in Leiden), die CO2-Bilanz, der Eco-Indicator 99, das Environmental Priority System (EPS), der kumulierte Energieaufwand (KEA), das MIPS-Konzept (Material Input per Service Unit) und der Sustainable Process Index (SPI). Diese Methoden können in diesem Themendossier aus Platzgründen nicht ausführlicher dargestellt werden. Vielmehr beleuchtet dieses Kapitel LCA-Praxisbeispiele zu Produkten und Prozessen, die für das biobasierte Wirtschaften relevant sind.
Lebenszyklus eines T-Shirts
Die TU Berlin hat eine Ökobilanz für ein weißes Baumwoll-T-Shirt erstellt. Ziel der Studie war es, die Umweltauswirkungen über die Herstellung, Nutzung (insbesondere die Wäschepflege) und Entsorgung hinweg zu erfassen und zu bewerten. Die Forscher konzentrierten sich auf die wichtigsten Umweltbelastungen während der Nutzung, insbesondere die Auswirkungen des Waschens auf den Energie- und Wasserverbrauch.
Im Verlauf der Studie erstellten die Forscher eine detaillierte Sachbilanz, die alle relevanten Inputs und Outputs während des Lebenszyklus des T-Shirts dokumentiert. Sie führten auch eine Wirkungsabschätzung durch, bei der sie die verschiedenen Umweltwirkungen in Kategorien wie Treibhauspotenzial, Versauerungspotenzial, Eutrophierung und Wasserverbrauch quantifizierten.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Herstellung und insbesondere die Baumwollproduktion die größten Umweltbelastungen verursachten. Auch die Wäschepflege im häuslichen Bereich, insbesondere der Energieverbrauch durch Waschmaschinen, stellte eine erhebliche Belastung dar. Sensitivitätsanalysen der Waschparameter zeigten, dass eine Reduzierung der Waschtemperatur die Umweltbelastungen deutlich senken kann.
Wie Mulchfolien auf die Umwelt wirken
Die Lebenszyklusanalyse im Projekt iMulch des Fraunhofer UMSICHT untersuchte die Umweltwirkungen verschiedener Mulchfolien, die im Erdbeeranbau eingesetzt werden. Ziel war es, die gesamte Umweltbelastung dieser Folien zu bewerten, von der Produktion und Nutzung bis hin zur Entsorgung, wobei besonders die Belastung durch Mikroplastik und Plastikverschmutzung im Fokus stand.
Die Forschenden wählten das sogenannte Product Environmental Footprint-Modell als Grundlage für die Wirkungsabschätzung. Ergänzend integrierten sie eine Methode, die die Umweltauswirkungen durch Plastikemissionen berücksichtigt. Die Forschenden analysierten verschiedene Szenarien von Mulchfolien: konventionelle Folien, biologisch abbaubare Folien sowie Folien aus unterschiedlichen Polymeren und in Kombination mit weiteren Schutzmaßnahmen wie Tunnelabdeckungen. Dann führten die Fachleute eine umfassende Lebenszyklus-Inventur durch, wobei sie Daten aus der ecoinvent-Datenbank (siehe Datenquellen und Tools in Kapitel 4) verwendeten. Die funktionale Einheit der Analyse war ein Kilogramm marktfähiger Erdbeeren. Im Modell wurden spezifische Parameter wie Düngemittel- und Bewässerungsbedarf für verschiedene Anbauszenarien angepasst. Die Bewertung der Szenarien erfolgte durch Normierung, Gewichtung und Aggregation der Umweltauswirkungen, sodass eine einheitliche Umweltbewertung jedes Szenarios möglich war.
Die Ergebnisse zeigten, dass biologisch abbaubare Mulchfolien die Umweltbelastungen im Vergleich zu konventionellen Folien verringern konnten, insbesondere durch eine geringere Persistenz im Boden. Allerdings verursachen einige Anbausysteme trotz hoher Produktivität auch hohe Umweltbelastungen, wie bei der Nutzung von Makrotunneln oder Gewächshäusern.
Lebenszyklen von Fischereinetzen und Bioschmierstoffen
Im Projekt SEARCULAR untersuchen Forschende u.a. des Fraunhofer UMSICHT die Umwelt- und Nachhaltigkeitsauswirkungen von Fischereiausrüstungen wie Netzen, die häufig als Plastikmüll in die Ozeane gelangen. Die LCA dient dazu, die Umweltbelastungen verschiedener Lösungen für langlebigere und umweltfreundlichere Fischereiausrüstung zu bewerten. Getestet werden unter anderem recycelte Netze, biologisch abbaubare Seile sowie Häfen mit verbesserten Recyclingmöglichkeiten. Die Ergebnisse sollen Ende 2026 vorliegen. Die Zwischenbilanz legt jedoch bereits nahe, dass biologisch abbaubare Materialien und nachhaltiges Hafenmanagement die Plastikverschmutzung reduzieren und die Nachhaltigkeit in der Fischerei fördern können.
Im Projekt PHAtiCuS führen die Forscher eine Lebenszyklusanalyse für die entwickelten biobasierten Schmierstoffe durch, die auf Polyhydroxyalkanoaten (PHAs) basieren und ohne ökologisch und gesundheitlich bedenkliche per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) auskommen. Die LCA bewertet die Umweltauswirkungen der PHA-basierten Schmierstoffprodukte über deren gesamten Lebenszyklus – von der Fermentation und Herstellung bis zur Anwendung und dem biologischen Abbau. Ziel ist es, die Umweltbilanz dieser biobasierten Produkte mit herkömmlichen, mineralölbasierten Schmierstoffen zu vergleichen und so deren Vorteile hinsichtlich biologischer Abbaubarkeit und Ressourcenschonung aufzuzeigen.
Die Analyse zeigte, dass PHA-basierte Schmierstoffe eine geringere Umweltbelastung in Bezug auf den CO₂-Fußabdruck und die biologische Abbaubarkeit aufweisen können, was sie zu einer umweltfreundlicheren Alternative zu herkömmlichen Schmierstoffen macht. Die Forschung betonte jedoch, dass die Ökobilanz stark von Faktoren wie dem Energieverbrauch während der Fermentation und der Effizienz der verwendeten Technologien abhängt. Insgesamt unterstreicht das Projekt das Potenzial dieser biobasierten Schmierstoffe, insbesondere in Bereichen, in denen biologischer Abbau und Ressourcenschonung entscheidend sind.
Kohlenhydrate aus Pressrückständen der Apfelsaftproduktion
Am Fraunhofer IWKS werden im Projekt GlyPac mittels innovativer Extraktionsmethoden Glykane aus Apfeltrester – einem Nebenprodukt der Lebensmittelindustrie – gewonnen. Gleichzeitig werden Ökodesign-Potenziale dieser innovativen Produkte, die beispielsweise als Bindemittel in Beschichtungen eingesetzt werden können, aufgezeigt. Mithilfe einer prospektiven Lebenszyklusanalyse werden bis Sommer 2025 die Umweltwirkungen von der Rohstoffbereitstellung bis hin zur Produktion der Glykane quantifiziert. Die Analyse umfasst dabei die Phasen von der Extraktion der Glykanpolymere über ein chemiefreies Heißwasserverfahren bis hin zur Verarbeitung und Anwendung in Verpackungsmaterialien. Sowohl die Umweltleistung im Labormaßstab wie in einer potenziellen großtechnischen Umsetzung werden bewertet. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Analyse, ob die biobasierten Polymere fossile Rohstoffe in Druckfarben und Beschichtungen auf Verpackungen (teilweise) ersetzen können, ohne die Umwelt übermäßig zu belasten.
Die bisherigen Ergebnisse zeigen Möglichkeiten für ein frühes Ökodesign auf, durch das signifikante Reduktionen der Umweltauswirkungen erzielt werden können.
Biomethan auf dem Prüfstand
Der International Council on Clean Transportation (ICCT) befasst sich mit Lebenszyklusanalysen zur Bewertung von erneuerbaren Kraftstoffen mit Bezug zu den Mindest-Treibhausgasminderungen gemäß der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II). In den Studien, die sich auf Biomethan und Wasserstoff als Kraftstoffe konzentrieren, wird der gesamte Lebenszyklus der Kraftstoffe analysiert – von der Rohstoffgewinnung bis zur Endnutzung –, um sicherzustellen, dass sie die RED-II-Vorgaben erfüllen, die eine Minderung der Treibhausgasemissionen um mindestens 70 % im Vergleich zu fossilen Referenzwerten vorschreiben. Die LCA-Ergebnisse zeigen, dass sowohl Biomethan aus Abfallquellen wie Klärschlamm und Deponiegas als auch Wasserstoff, der mit erneuerbarer Energie hergestellt wird, in der Regel die Mindestanforderungen für Treibhausgaseinsparungen erfüllt oder übertrifft. Biomethan kann sogar negative Nettoemissionen aufweisen, wenn es durch Prozesse wie anaerobe Vergärung mit Abfallverwertung erzeugt wird. Wasserstoff, der durch Elektrolyse unter Verwendung erneuerbaren Stroms produziert wird, erreicht ebenfalls hohe Einsparungen, allerdings nur, wenn der Strom aus zusätzlichen, nachhaltigen Quellen stammt.