Historische Bücher vor dem „roten Zerfall“ retten

Historische Bücher vor dem „roten Zerfall“ retten

Forschende der Technischen Hochschule Köln wollen ein biobasiertes Lösungsmittel entwickeln, um beschädigte Ledereinbände effizienter zu konservieren und schneller wieder verfügbar zu machen.

Die Abbildung zeigt einen vom „roten Zerfall“ betroffenen Ledereinband.
Die Abbildung zeigt einen vom „roten Zerfall“ betroffenen Ledereinband.

Bucheinbände bestehen heutzutage meist aus Papier oder Pappe. Bücher mit Ledereinband sind hingegen eine Rarität und eher bei älteren Ausgaben zu finden. Doch an vielen Ledereinbänden aus dem 19. Jahrhundert nagt der Zahn der Zeit. Die Oberflächen sind rissig und lösen sich als roter Staub ab. Ein Forschungsteam der Technischen Hochschule Köln (TH Köln) will historische Bücher, die vom sogenannten roten Zerfall befallen sind, nun retten. Konkret soll ein nachhaltiges Lösungsmittel entwickelt werden, mit dem befallene Ledereinbände effizient und ressourcenschonend stabilisiert und konserviert werden können.

Ledereinbände mit pflanzenbasierten Lösungsmitteln konservieren

„Wir werden verschiedene Mittel untersuchen, um das Bestmögliche für die Festigung zu finden“, sagt Projektleiterin Andrea Pataki-Hundt vom Cologne Institute of Conservation Sciences (CICS) der TH Köln. „Ein Kandidat ist zum Beispiel Ethyllactat, das aus Mais gewonnen wird. Es ermöglicht zum einen eine schonende und effektive Behandlung der historischen Bücher und ist zum anderen in hohem Maße biologisch abbaubar. Darüber hinaus ist es deutlich weniger toxisch als klassische Lösungsmittel wie Ethanol oder Butanol“, so Pataki-Hundt.

Leder entsteht durch das Gerben von Tierhaut und wird seit dem frühen Mittelalter als Einband für Bücher genutzt. Oft kamen dabei minderwertige Lederarten wie Schafs-Spaltleder zum Einsatz, die nicht so lange haltbar sind. Bei der Restaurierung dieser beschädigten Ledereinbände wird bisher ein Festigungsmittel eingesetzt, das die Lösungsmittel Ethanol oder Butanol enthält, und einzeln auf das Leder aufgetragen wird. Klassische Entsäuerungsanlagen, wie sie etwa bei der Restaurierung von Papier verwendet werden, sind ungeeignet, weil sie das bereits beschädigte Leder irreversibel verändern würden. Aber nicht nur das: „Zum einen sind die Lösungsmittel leicht entflammbar und toxisch. Zum anderen kann vom ‚roten Zerfall‘ betroffenes Bibliotheksgut aktuell nicht in großen Mengen entsäuert werden“, erklärt Pataki-Hundt. Viele historische Bücher bleiben so auf der Strecke, können nicht katalogisiert und zur wissenschaftlichen Arbeit genutzt werden.

Oberflächenbehandlung erfolgt in einer Aerosolkammer

Mit dem Einsatz grüner Lösungsmittel, sogenannter Green Solvents wollen die Kölner eine standardisierte Methode entwickeln, um diese historischen Bücher umweltfreundlicher und schneller restaurieren und nutzbar machen zu können. Darüber hinaus ist die Entwicklung einer sogenannten Aerosolkammer geplant, wo das biobasierte Lösungsmittel mithilfe von Aerosolen, also kleinen Partikeln in der Luft, berührungslos auf die zu behandelnde Lederoberfläche aufgebracht werden kann. Den Forschungen zufolge kann damit der Einsatz des Lösungsmittels exakt gesteuert und unnötiger Abfall vermieden werden.

Beitrag zur Umweltentlastung

„Mit dem Projekt wollen wir das Potenzial der Green Solvents aufzeigen, deren Akzeptanz erhöhen und so einen wertvollen Beitrag zur Umweltentlastung in der Buch- und Papierrestaurierung leisten“, sagt die Projektleiterin.

Das Forschungsprojekt „Green solvents zur Festigung von vegetabil gegerbtem Leder mit Aerosolen“ wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) bis September 2025 mit rund 134.000 Euro gefördert. Daran beteiligt ist neben der TH Köln auch die BELO Restaurierungsgeräte GmbH. 

bb