Nicht nur Pflanzen, auch Pilze werden seit Jahrhunderten zum Färben genutzt. Trotz dieser langen Tradition gibt es für die Herstellung von Pilzfarbstoffen bis heute keine nachhaltigen Verfahren. Hier setzt das Projekt FungiColor an. Darin haben Forschende der Universität Hannover gemeinsam mit Partnern ein Verfahren zur biotechnologischen Gewinnung von Pilzfarbstoffen für verschiedene industrielle Anwendungen entwickelt.
Das Vorhaben wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Fördermaßnahme „Neue Produkte für die Bioökonomie“ von Februar 2021 bis Januar 2023 mit 163.000 Euro gefördert. Projektpartner waren die Technische Universität Dresden sowie die Unternehmen Naturfarbenwerkstatt Dresden, die SternEnzym GmbH & Co. KG in Ahrensburg sowie die Biopin Naturfarben GmbH in Jever.
Farbstoffe aus Pilzmyzel kultivieren
Bisher wurden die Farbstoffe aus den Fruchtkörpern, den Pilzköpfen, gewonnen.„Wenn man an nachhaltige Produktion denkt, ist das weder sinnvoll noch würde es große Mengen zutage bringen“, betont Franziska Ersoy von der Universität Hannover, die das Projekt FungiColor gemeinsam mit Ralf Berger koordinierte. „Was den Pilz eigentlich ausmacht, ist das unterirdische Pilzgeflecht – das Myzel. Und dieses Myzel kann man auch biotechnologisch kultivieren, und das haben wir uns vorgenommen.“
Im Rahmen des Projektes suchte das Team nach Wegen, die im Pilzmyzel enthaltenen Farbstoffe zu kultivieren und aus der Biomasse zu extrahieren. Ziel war es, die Biofarbstoffe in hoher Ausbeute und wirtschaftlich zu gewinnen. Am Anfang stand die Suche nach geeigneten Pilzkandidaten, von denen bekannt ist, dass sie Farbstoffe bilden. „Hier haben wir geschaut, welche Pilzstämme lebensmitteltechnisch unbedenklich – also essbar und nicht toxisch sind – und Farben im Fruchtkörper produzieren“, erklärt Ersoy. Danach wurden über 30 Pilzstämme aus der an der Universität Hannover etablierten Sammlung gescreent. Hier ging es um die Frage, ob der Pilz auch bei submerser Kultivierung – also unter Wasser – im Labor Farbstoffe bildet.
Farbspektrum der Ständerpilze zwischen gelb und rot
Zwei Pilzarten kamen Ersoy zufolge schließlich in die nähere Auswahl, „weil sie in der Nährkultur, die auch gut aufscalierbar ist, sehr gut Farbstoffe bildeten“. Das betraf den Laetiporus sulphureus, auch Gemeiner Schwefelporling genannt, sowie den Zottigen Schillerporling, Inonotus hispidus. Laetiporus sulphureus bildet einen gelb-orangen Farbstoff, Inonotus hispidus eine gelbe Farbe. Abhängig von der Konzentration liegt das Spektrum der Farbstoffe zwischen gelb und rot.
Farbproduktion bei Vollspektrum-Licht verdoppelt
Die Kultivierung des Myzels beider Pilzarten erfolgte im Schüttelkolben sowie im Bioreaktor. „Erstmal ging's darum, das richtige Nährmedium zu finden“, so Ersoy. „Bei dem Inonotus hispidus haben wir ein flüssiges Standardmedium genutzt. Bei dem Laetiporus sulphureus sind wir mit der TU Dresden noch weitergegangen und haben den Pilz auch auf Kartoffelglucoseboullion – ein Kartoffelreststoff – kultiviert – da hat der Pilz auch gut Farbstoff produziert.“ Um die anfangs noch geringe Farbausbeute zu erhöhen, experimentierte das Team Ersoy zufolge mit verschiedenen „Triggern“ – wie mit Licht. Hier zeigte sich, dass beispielsweise der Inonotus doppelt so viel Farbstoff produzierte, wenn er mit einem Vollspektrum-Licht – einem Licht, das dem Sonnenlicht sehr ähnlich ist, – belichtet wurde.
Im Ergebnis konnte das Projektteam aus dem Pilz Laetiporus sulphureus insgesamt 1 Gramm pro Liter Laetiporinsäuren gewinnen. Beim Inonotus hispidus war die Ausbeute an Hispidin mit 5,5 Gramm pro Liter sogar höher. „Wir haben es für die beide Farbstoffe geschafft, einen Bioprozess zu etablieren, der die Farbstoffe auch in industriell nutzbaren Konzentrationen zur Verfügung stellt und demonstriert, wie man die Farbstoffe aus dem Myzel – der Biomasse – mittels Ethanol extrahieren kann“, resümiert Ersoy. Der Projektpartner SternEnzym war für das Upscaling der Kulturen verantwortlich.
Pilzfarbstoffe überzeugen bei Anwendungstests
Zudem konnte das Team nachweisen, dass die von den Forschenden gewonnenen Farbstoffe auch für verschiedene Anwendungen geeignet sind. Während der Einsatz in Lacken und Farben bei der Jever Biopin geprüft wurde, mischte die Dresdner Naturfarbenwerkstatt die pilzbasierten Farbstoffe in Wandfarben und färbte Textilien damit.
„Hier konnten wir beobachten, dass beide im Projekt bearbeiteten Farbstoffe, wenn sie in eine feste Matrix eingeschlossen sind – etwa bei der Färbung von Bonbons, aber auch von Kosmetika und Reinigungsmitteln – farbstabil bleiben“, sagte Ersoy. Anders war das, wenn der Farbstoff, wie beim Färben von Textilien, an der Oberfläche verbleibt. „Aufgrund der UV-Instabilität muss man bei beiden Farbstoffen von Textilanwendungen leider noch absehen.“ Ersoy zufolge waren die Farben auf Seide signifikant schneller ausgeblichen als andere pflanzliche Naturfarbstoffe oder synthetische Farbstoffe.
Alternative für synthetische Farbstoffe
Ersoy ist überzeugt, dass mithilfe der neu gewonnenen Farbstoffe aus Pilzen die Nutzung von synthetischen Farbstoffen künftig deutlich reduziert werden könnte. Auch pflanzlichen Farbstoffen wie Färberkamille oder Indigo wären Pilzfarbstoffe deutlich überlegen: Anders als Pflanzen gedeiht Pilzmyzel das ganze Jahr. Es kann jederzeit im Labor in großen Mengen kultiviert werden – unabhängig von der Jahreszeit. Für die Kultivierung der Pilze wird zudem kein Land benötigt.
Für das Forschungsteam in Hannover geht die Arbeit an Pilzfarbstoffen jedoch weiter. „Wir hatten beim Screening der Pilze schöne Farben wie Blau dabei. Nun wollen wir uns den einen oder anderen Farbstoff noch genauer anschauen, um unser Farbspektrum zu vergrößern. Ersoy zufolge wird an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung Denkendorf gegenwärtig geprüft, wie verschiedene Fasern mit den im Projekt gewonnenen Pilzfarbstoffen interagieren.
Autorin: Beatrix Boldt