Große Agrarstudie: Vielfalt in der Landwirtschaft zahlt sich aus
Eine globale Studie unter Leitung der Universitäten Hohenheim und Kopenhagen zeigt, dass eine diversifizierte Landwirtschaft nicht nur der Artenvielfalt zugutekommt, sondern auch zur Ernährungssicherung beiträgt.
Ob Dünger, Pestizide oder schwere Landmaschinen: Die intensive Landwirtschaft ist mitverantwortlich für das weltweite Artensterben. Fachleute raten daher seit langem, mit Fruchtfolgen oder Blühwiesen sowie Boden erhaltenden Maßnahmen wie Mulchen auf mehr Vielfalt beim Ackerbau zu setzen. In einer großangelegten Studie der Universitäten Hohenheim und Kopenhagen haben Forschende nun erstmals die Auswirkungen einer diversifizierten Landwirtschaft weltweit untersucht.
Die Ergebnisse der im Fachjournal „Science“ erschienenen Studie belegen eindeutig, dass Vielfalt in der Landwirtschaft nicht nur der Artenvielfalt zugutekommt, sondern sich auch für Landwirtinnen und Landwirte auszahlt.
Positive Effekte für biologische Vielfalt und Ernährungsicherung
„Es ist eine einfache Botschaft, die wir an die verschiedenen Arten von Betrieben weitergeben können – ob es sich nun um kleine Betriebe in Südamerika oder Afrika oder um die fortschrittliche europäische Landwirtschaft handelt. Es gibt viele positive Effekte, die durch die Einführung von verschiedenen Strategien erzielt werden können – und sehr wenig zu befürchten“, so Ingo Grass von der Universität Hohenheim und einer der beiden Hauptautoren der Studie. „Es ist sehr gut, dass so viele verschiedene Maßnahmen ergriffen werden können und dass im Allgemeinen ein positiver Einfluss auf die biologische Vielfalt mit Wohlbefinden und Ernährungssicherheit Hand in Hand zu gehen scheint.“
Im Rahmen der globalen Agrarstudie hatten 58 Forschende aus fünf Kontinenten Daten von weltweit 24 Forschungsprojekten mit insgesamt 2.655 landwirtschaftlichen Betrieben ausgewertet – von der Maisproduktion in Malawi über Gummibäume in Indonesien bis hin zum Anbau von Winterweizen in Deutschland und zur silvopastoralen Rinderhaltung in Kolumbien, bei der Nutztierhaltung und die Kultivierung von Bäumen oder Sträuchern kombiniert werden.
Diese enthielten Daten zu Auswirkungen von mehr als 20 verschiedenen Arten von Diversifizierungspraktiken, die das Forschungsteam in fünf große Kategorien unterteilte – in die zeitliche Diversifizierung des Anbaus mit mehr als zwei Kulturen als Fruchtfolge, die Nicht-Kultur-Diversifizierung etwa durch Hecken oder Blühstreifen, die Erhaltung des Bodens durch Maßnahmen wie Mulchen oder Ausbringung von Kompost sowie die Diversifizierung der Tierhaltung und der Wasserschutz.
Die Biopioniere-Porträt: Sonoko Dorothea Bellingrath-Kimura – Die Agrarvisionärin
Den größten positiven Effekt gab es der Studie zufolge bei der Ernährungssicherung und der biologischen Artenvielfalt. So wurde beispielsweise in Kalifornien durch die Integration von Blühstreifen und Hecken neben Erdbeerfeldern eine nachhaltigere Bestäubung durch Wildbienen erreicht. Ähnliche Erfolge gab es auch in Deutschland, Kolumbien und Malawi.
Aber auch soziale Aspekte wie das Wohlbefinden verbesserten sich deutlich. So zeigte sich, dass die Menschen besser mit Vitaminen versorgt waren und sich die Kinder besser entwickelten, wenn neben dem Mais auch noch Kürbisse oder Hülsenfrüchte angebaut werden, die Eiweiß liefern. Ebenfalls starke positive Folgen gab es bei Strategien zur Diversifizierung der Tierhaltung sowie zur Erhaltung des Bodens.
Je mehr Maßnahmen, desto größer die Vorteile
„Dass die enorme Datenmenge, die wir verarbeitet haben, so klare Ergebnisse liefert, ist ziemlich bahnbrechend“, sagt Laura Rasmussen von der Universität Kopenhagen und eine der beiden Hauptautoren der Studie. „Während wir nur sehr wenige negative Folgen einer landwirtschaftlichen Diversifizierung feststellen konnten, gibt es viele bedeutende Vorteile. Dies gilt insbesondere, wenn zwei, drei oder mehr Maßnahmen kombiniert werden. Je mehr, desto besser, vor allem wenn es um die biologische Vielfalt und die Ernährungssicherheit geht.“
Keine Ertragsminderung
Die Studie zeigt vor allem eines: Maßnahmen zum Erhalt von Biodiversität und zum Schutz des Bodens gehen nicht zulasten der Erträge. „Tatsächlich sehen wir aber, dass eine diversifizierte Landwirtschaft keine Ertragsminderung mit sich bringt – auch nicht, wenn wir Daten aus der europäischen Landwirtschaft mit ihren großen Flächen einbeziehen“, sagt Ingo Grass. Die Einführung von sogenannten Agroforst-Ölpalm-Systemen in Indonesien belegt beispielsweise, dass eine Kombination aus landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Praktiken die Artenvielfalt erhöhen kann, ohne die Erträge zu verringern.
Mehr Anreize für Diversifizierungsstrategien schaffen
Darüber hinaus zeigte sich, dass Diversifizierungspraktiken nicht nur in einfachen Landschaften positive Effekte für die biologische Vielfalt erzielen, sondern auch in stärker naturbelassenen Landschaften, schreiben die Forschenden. „Die eindeutig positiven Ergebnisse dieser Diversifizierungsstrategien legen nahe, dass Regierungen und Unternehmen mehr Anreize für Landwirtinnen und Landwirte schaffen sollten, solche Strategien anzuwenden. Denn sie helfen tatsächlich und fördern gleichzeitig die landwirtschaftliche Nachhaltigkeit und die Gesundheit des Planeten“, sagt Claire Kremen von der University of British Columbia, die gemeinsam mit Zia Mehrabi von der University of Colorado Boulder die Studie leitete.
bb