Das Saarland auf Bioökonomie-Kurs
Auf dem Weg zu einem klimaneutralen Saarland gewinnt das biobasierte Wirtschaften im kleinen Bundesland im Südwesten an Bedeutung. Der erste Bioökonomietag im Saarbrücker Schloss markierte nun den Startschuss für die Entwicklung einer saarländischen Bioökonomiestrategie.
Das Saarland ist ein Industrieland. Schlüsselbranchen sind die Automobil- und Zulieferindustrie sowie die Stahlindustrie. Es sind Industriezweige, die bereits mitten in der tiefgreifenden Transformation in eine nachhaltige Zukunft stehen. Bis 2045 will das Saarland CO2-neutral sein. So steht es in dem in diesem Jahr verabschiedeten saarländischen Klimaschutzgesetz. Auch die Nachhaltigkeits- und die Innovationsstrategie der Landesregierung stellen die Weichen in Richtung grüne Transformation. Beide sind an den UN-Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet.
Vor diesem Hintergrund gewinnt ein Wirtschaften auf Basis von biologischen Ressourcen und Prozessen an der Saar immer mehr an Bedeutung: die Bioökonomie hat es auf die politische Agenda geschafft. Seit Anfang dieses Jahres gibt es im Ministerium für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz ein eigenes Referat Bioökonomie.
Auftakt im Saarbrücker Schloss
Zum Auftakt eines Strategieprozesses hatte das Ministerium am 16. November zum ersten Bioökonomietag des Saarlandes in Saarbrücken eingeladen. Knapp 100 Interessierte, Studierende und Akteure aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft waren in den Festsaal des Saarbrücker Schlosses gekommen, um sich über die Aktivitäten zu informieren und gemeinsam die Potenziale und Stärken der Bioökonomie an der Saar auszuloten. Moderiert wurde die Veranstaltung von Frank Baur, wissenschaftlicher Leiter des Saarbrücker Instituts für Zukunftsenergie und Stoffstromsysteme (IZES).
„Wirtschaftliches Wachstum und Umweltschutz in Einklang bringen“
In ihrer Eröffnungsrede betonte Umwelt- und Klimaministerin Petra Berg das Potenzial des biobasierten Wirtschaftens: „Die Bioökonomie ist ein Weg in die Zukunft und bietet wirtschaftlich riesige Chancen. Es ist somit höchste Zeit, dass auch im Saarland diese innovativen Ansätze der Bioökonomie erforscht, gefördert und in die Anwendung gebracht werden, um eine nachhaltige Zukunft für unsere kommenden Generationen zu gewährleisten.“
Auch wenn man mit dieser Entwicklung erst am Anfang stehe, so sei die Bioökonomie ein Schlüsselelement der grünen Transformation und nehme nicht zuletzt für den Klimaschutz eine wichtige Rolle ein. „Die Bioökonomie bietet im Saarland die Möglichkeit, wirtschaftliches Wachstum und Umweltschutz in Einklang zu bringen“, so Berg.
Es gehe zum einen um die Schaffung von guten Arbeitsplätzen in den urbanen Räumen des Industrielands Saarland. „In der Biotechnologie, der Pharmabranche und der Materialforschung werden viele neue Jobs entstehen“, so Berg. Gleichzeitig könne die Bioökonomie aber auch zur Stärkung des ländlichen Raums beitragen, der Heimat für viele Saarländer sei.
Zur Verwirklichung dieser Punkte unterstrich Berg die Notwendigkeit gemeinsamer Netzwerke von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft sowie weiteren Institutionen und Akteuren für die Bioökonomie, „um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die Gesellschaft resilienter zu machen.“ Auch die Bürgerinnen und Bürger könnten durch ihren Konsum bioökonomisch handeln.
Vielfältige Aktivitäten in Forschung und Lehre
Die Universität des Saarlandes und die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar) prägen die hiesige Hochschullandschaft. Annemarie Matusche-Beckmann, Vizepräsidentin der Universität des Saarlandes, ging genauer auf die Bioökonomie in Forschung und Lehre ein. Das Thema Nachhaltigkeit sei hier strategisch auf höchster Ebene verankert und werde aktiv gelebt. Zahlreiche Studiengänge hätten Relevanz für die Bioökonomie, darunter Biologie und Biotechnologie, Systems Engineering oder Materialwissenschaft und Werkstofftechnik.
Forschungsschwerpunkte der Saar-Uni sind die Informatikwissenschaften und die Nano-Bio-Technologie (NanoBioMed). Die Rechtswissenschaftliche Fakultät könne zu Rechtsfragen des Klima- und Umweltschutzes wichtige Beiträge leisten, so Matusche-Beckmann. An der htw saar sind Forschung und Lehre auf Themen wie Kreislaufwirtschaft, Bioverfahrenstechnik und nachhaltiges Bauen spezialisiert. Zudem sind alle großen Forschungsorganisationen mit Instituten im Saarland vertreten.
Bernhard Wern, der die Abteilung Stoffströme am IZES leitet, skizzierte Handlungsfelder und erste ökonomische Kennziffern der Bioökonomie im Saarland, die im Rahmen des EU-Projekts BioRural zusammengetragen wurden. Er wies insbesondere auf vorhandene Potenziale in Landwirtschaft (unter anderem Biogas-Erzeugung) und Forst (unter anderem Holzbau) hin.
Strategieprozess in Gang gesetzt
Janis Winzer, Referatsleiter Bioökonomie im Umwelt- und Klimaministerium, stellte den Fahrplan für den Bioökonomie-Strategieprozess im Saarland vor. Nach dem heutigen Auftakt im Saarbrücker Schloss stehe das Jahr 2024 im Zeichen der Erarbeitung einer saarländischen Bioökonomiestrategie. Man setze auf das biobasierte Wirtschaften für die grüne Transformation in Schlüsselbranchen wie dem Automotive-Sektor, aber es gehe auch darum, Potenziale in der Land- und Forstwirtschaft zu erschließen. Große Chancen sehe man in grünen Innovationen wie der Mikroalgen-Kultivierung und -nutzung, in grünen Pharmazeutika oder Werkstoffen wie Pilzleder.
Mit Jürgen Eck war ein Mitglied des Bioökonomierates der Bundesregierung in Saarbrücken präsent. Er sprach über die Rolle von Bioökonomie-Innovationen für die industrielle Transformation und die Herausforderung, einen Leitmarkt für diese Produkte zu schaffen. Anna-Katharina Stumpf von der Fraunhofer-Gesellschaft ging auf Schwerpunkte der angewandten Bioökonomie-Forschung ihrer Forschungsorganisation ein. Sie hatte zudem einige Exponate als konkrete Praxisbeispiele mitgebracht.
In themenspezifische Workshops loteten am Nachmittag dann Akteure aus Unternehmen, Politik, Wissenschaft und NGOs Potenziale der Bioökonomie Saarland aus. Abgerundet wurde der erste Bioökonomietag des Saarlandes mit einer von Louisa Schlang moderierten Podiumsdiskussion.
Philipp Graf