„Carbon-Farming-Maßnahmen müssen langfristig wirken“
Carsten PaulBeruf:
promovierter Ökologe
Position:
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschafts-Forschung/Arbeitsgruppe Folgenabschätzung von Landnutzungsänderungen
Beruf:
promovierter Ökologe
Position:
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschafts-Forschung/Arbeitsgruppe Folgenabschätzung von Landnutzungsänderungen
Carsten Paul hat untersucht, wie wirksam Carbon-Farming-Maßnahmen in der Praxis sind und welche Rolle dabei sogenannte Humuszertifikate spielen.
Die Landwirtschaft ist für etwa 7,7 % der bundesweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Ausstoß der klimaschädlichen Gase drastisch reduziert werden. Mithilfe des sogenannten Carbon Farmings soll das gelingen. Maßnahmen, die der Atmosphäre Kohlenstoffdioxid entziehen und CO2 im Boden speichern, gibt es viele. Doch wie funktioniert das Prinzip in der landwirtschaftlichen Praxis und wie wirkungsvoll sind Humuszertifikate? Mit diesem Thema hat sich Carsten Paul vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) befasst. Der promovierte Ökologe ist überzeugt, dass die Vorteile des Carbon Farmings für die Landwirtschaft so vielfältig sind wie deren Maßnahmen. Die größte Herausforderung beim Carbon Farming sieht Paul darin, dass die Maßnahmen dauerhaft durchgeführt werden müssen, um eine Klimawirkung zu erzielen.
Wie funktioniert Carbon Farming genau? Welche Vorteile bietet Carbon Farming der Landwirtschaft?
Unter Carbon Farming versteht man eine Form der Bewirtschaftung, die die Menge des in Böden und in pflanzlicher Biomasse gespeicherten Kohlenstoffs erhöht und der Atmosphäre dadurch CO2 entzieht. Meist wird bei dem Begriff Carbon Farming auch eine Einkommenskomponente mitgedacht: Landwirtinnen und Landwirte produzieren nicht nur Nahrungsmittel und pflanzliche Rohstoffe, sondern auch geldwerte Klimaschutzleistungen. Diese reichen von der Wiedervernässung organischer Böden (ehemalige Moorböden) zum Schutz der darin gespeicherten, immensen Kohlenstoffvorräte, über die Kohlenstoff-Anreicherung in mineralischen Böden (alle anderen Böden) durch Anbau von Zwischenfrüchten, Leguminosen oder mehrjährigen Pflanzen, den Einsatz von Pflanzenkohle und Gründünger bis hin zur Erhöhung des in Gehölzen langfristig festgelegten Kohlenstoffs durch die Anlage von Hecken, die Einrichtung von Agroforstsystemen oder Aufforstungen. Entsprechend vielfältig sind auch die Vorteile, die Maßnahmen des Carbon Farming mit sich bringen. Generell ist eine Erhöhung der Bodenkohlenstoffgehalte in mineralischen Böden verbunden mit einer Erhöhung der biologischen Aktivität, einer besseren Wasser-Infiltration und Wasser-Haltekapazität und einer höher Bodenfruchtbarkeit. All dies hilft auch, Folgen des Klimawandels wie Dürre oder Starkregenereignisse besser zu überstehen. Viele Maßnahmen fördern zudem die Diversität von Agrarlandschaften und schaffen Lebensräume für Nützlinge, die bei der natürlichen Schädlingsbekämpfung eine wichtige Rolle spielen.
Wie wird die Maßnahme aktuell in der landwirtschaftlichen Praxis umgesetzt? Ist sie etabliert oder eher die Ausnahme?
Der Aufbau von organischer Substanz in Ackerböden war schon immer ein zentrales Anliegen der Landwirtschaft, da sich hierdurch die Bodenfruchtbarkeit verbessern lässt. Zwar verlor der Humusaufbau in der konventionellen Landwirtschaft mit der Verfügbarkeit von synthetischem Stickstoffdünger zeitweise an Bedeutung, aber auch hier hat inzwischen ein Umdenken stattgefunden. Im Ökolandbau, wo synthetische Dünger nicht eingesetzt werden, spielt der Humusaufbau nach wie vor eine zentrale Rolle. Gezielte Maßnahmen dafür sind allerdings mit Kosten verbunden und werden daher noch nicht auf der Mehrheit der Flächen umgesetzt. Am besten etabliert sind Maßnahmen, die sich vergleichsweise leicht in die landwirtschaftlichen Betriebsabläufe integrieren lassen, wie der Anbau von Zwischenfrüchten oder der Anbau von Leguminosen. Eher selten sind dagegen Maßnahmen, die massive Veränderungen erfordern, wie Wiedervernässung oder Agroforstsysteme. Allerdings besitzen vor allem diese Maßnahmen große Klimaschutzpotentiale.
Wo sehen Sie die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Maßnahmen?
Die größte Herausforderung besteht darin, mit den Maßnahmen eine langfristige Wirkung zu erzielen, da Kohlenstoff im Boden nicht einfach eingelagert wird, sondern Teil eines dynamischen Gleichgewichts ist. Einerseits erfolgt eine regelmäßige Kohlenstoffzufuhr durch Pflanzen und eventuell organische Düngung. Andererseits wird der Kohlenstoff durch Mikroorganismen beständig aufgezehrt und veratmet, wodurch wieder CO2 entsteht. Carbon-Farming-Maßnahmen verschieben dieses Gleichgewicht meist, indem sie die Menge an Kohlenstoffeinträgen erhöhen. Werden die Maßnahmen aber beendet, kehrt das System wieder in seinen Ausgangszustand zurück und der zusätzlich gespeicherte Kohlenstoff wird erneut freigesetzt. Das ist vergleichbar mit einer Diät: fällt man in seine alten Ernährungsgewohnheiten zurück, sind erzielte Erfolge bald verloren. Eine weitere Herausforderung stellen die mit den Carbon-Farming-Maßnahmen verbundenen Kosten dar. Diese können erheblich sein, zum Beispiel für die Wiedervernässung organischer Böden. Zudem müssen Carbon-Farming-Maßnahmen dauerhaft durchgeführt werden, um eine Klimawirkung zu erzielen. Noch fehlt es hier an Anreizsystemen, die diese Permanenz im Blick haben.
Wie wird der Kohlenstoffzuwachs im Boden überhaupt ermittelt? Und wie verlässlich sind die Angaben?
Am häufigsten wird der Kohlenstoffzuwachs über Laboranalysen aus der Differenz der Kohlenstoffgehalte zweier Bodenproben bestimmt, wobei eine vor- und die andere einige Jahre nach Einführung der Carbon-Farming-Maßnahmen entnommen wird. Hierdurch lässt sich bei guter Probenahmepraxis eine annehmbare Genauigkeit erzeugen. Schließlich gibt es noch Anbieter, die Bodenmessungen zur Bestimmung der Ausgangssituation mit Modellrechnungen zukünftiger Entwicklungen kombinieren, um den Kohlenstoffzuwachs zu ermitteln. Hier hängt die Verlässlichkeit von der Qualität des verwendeten Modells ab, wie etwa, ob auch durch den Klimawandel erzeugte Freisetzungen von Kohlenstoff korrekt abgebildet werden. Rein fernerkundliche Verfahren wie über Luft- oder Satellitenbilder zur Erfassung des Boden-Kohlenstoffs sind noch nicht im Einsatz. Theoretisch ließen sich dadurch Kosten für die Messungen stark reduzieren, die Genauigkeit solcher Ansätze ist aber noch unzureichend.
Warum sind Humuszertifikate Ihrer Ansicht nach kein wirkungsvolles Instrument für den Klimaschutz?
In Deutschland gibt es gegenwärtig keine Regulierung bei den sogenannten Humuszertifikaten. Jeder kann Zertifikate herausgeben und jeder Zertifikatsanbieter legt seine eigenen Methoden fest. Humuszertifikate suggerieren, dass sich damit Emissionen aus anderen Sektoren ausgleichen lassen. Ihre klimatische Wirkung ist aber vermutlich deutlich geringer als die zertifizierten CO2-Mengen, so dass Gelder für den Klimaschutz nicht effizient eingesetzt werden. Zum einen können die privaten Zertifikatsanbieter die Permanenz der Kohlenstoffspeicherung nicht garantieren. Selbst wenn die Maßnahmen fortgesetzt werden, können Klimaveränderungen dazu führen, dass Kohlenstoff abgebaut wird. Eine Klimaerwärmung fördert zum Beispiel den Humusabbau und Modellrechnungen gehen davon aus, dass Carbon Farming Maßnahmen allein nicht reichen, die heutigen Kohlenstoffgehalte zu bewahren. Da bei den Zertifikaten die Kohlenstoff-Messungen nach spätestens 10 Jahren enden, werden spätere Kohlenstoffverluste nicht einmal bemerkt.
Ein weiteres Problem ist: bei auf Messungen basierenden Zertifikaten wird nicht geprüft, wie der Kohlenstoffzuwachs zustandekommt – etwa durch das Ausbringen von Gülle oder Kompost, was zu einer schnellen Zunahme an Boden-Kohlenstoff führt. Für das Klima ist das ein Nullsummenspiel. Fraglich ist zudem, ob einige Carbon-Farming-Maßnahmen nicht auch ohne die Zertifikate umgesetzt worden wären. Ein letztes Problem betrifft alle Arten von auf Kohlenstoffspeicherung basierenden Emissionsausgleichsmaßnahmen: Aktuell geht man davon aus, dass eine Tonne gespeicherten Kohlenstoffs die Klimawirkung einer Tonne freigesetzten Kohlenstoffs aufhebt. Einige Forschungsergebnisse deuten allerdings darauf hin, dass in Folge klimatischer Puffersysteme die Klimawirkung von freigesetztem Kohlenstoff möglicherweise stärker ist als die von gespeichertem. Hier besteht dringend weiterer Forschungsbedarf.
Interview: Beatrix Boldt