Bakterien als Bioplastik-Fabriken
Forschende der Universität Tübingen haben den Stoffwechselweg spezieller Cyanobakterien so verändert, dass diese große Mengen des natürlichen Bioplastiks Polyhydroxybutyrat (PHB) herstellen.
Plastik ist ein langlebiges und vielseitig einsetzbares Material. Doch die Langlebigkeit der erdölbasierten Kunststoffe ist Segen und Fluch zugleich, da Plastikmüll die Umwelt schwer belastet. Eine Alternative sind biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe, die statt aus Erdöl aus nachwachsenden Rohstoffen oder biogenen Reststoffen hergestellt werden. Tübinger Forschende bringen nun einen neuen Akteur als Bioplastik-Fabrikanten ins Spiel: Cyanobakterien. Die auch als Mikroalgen oder Blaualgen bezeichneten Mikroorganismen haben die Fähigkeit, Bioplastik in Form von Polyhydroxybutyrat – kurz PHB – auf natürliche Weise herzustellen. PHB kann in der Natur wiederum durch Bakterien, Pilze oder Algen abgebaut werden.
PHB-Produktion im Bakterium auf 80% gesteigert
Einem Team um Karl Forchhammer vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen ist es nun gelungen, den Stoffwechselweg von Cyanobakterien der Gattung Synechocystis so zu verändern, dass sie den Naturstoff PHB in so großen Mengen produzieren, dass eine industrielle Nutzung möglich ist. Die Ergebnisse wurde in den Fachjournalen "Microbial Cell Factories" und "PNAS" veröffentlicht. Den Studien zufolge wurde in den Bakterien ein Protein identifiziert, das den Kohlenstofffluss in Richtung PHB innerhalb der Bakterienzelle drosselt. Nach dem Entfernen des entsprechenden Regulators sowie weiterer genetischer Veränderungen sei die von den Bakterien produzierte PHB-Menge so enorm gestiegen, dass sie schließlich über 80% der Gesamtmasse der Zelle ausgemacht habe. „Wir haben regelrechte Plastikbakterien erschaffen“, sagt Moritz Koch, Erstautor der Studie, die im Fachjournal "Microbial Cell Factories" veröffentlicht wurde.
Optimale Akteure für nachhaltige Bioplastik-Produktion
Den Forschenden zufolge kann das aus den Bakterien gewonnene PHB ebenso wie der herkömmliche Kunststoff Polypropylen eingesetzt werden, ist aber in der Umwelt schnell sowie schadstofffrei abbaubar. Da Cyanobakterien lediglich Wasser, Kohlendioxid und Sonnenlicht zum Wachsen brauchen, sind sie den Forschenden zufolge „optimale Akteure für eine klimaschonende und nachhaltige Produktion“. „Einmal in der Industrie etabliert könnte die gesamte Kunststoffproduktion revolutioniert werden“, sagte Koch. Die Tübinger wollen den Einsatz der Bakterien nun weiter optimieren und so weit skalieren, dass ein großtechnischer Einsatz der bakteriellen Bioplastik-Fabriken möglich wird.
bb