Naturstoffe aus unerwarteter Quelle
Epsilonproteobakterien gelten als Krankheitserreger. Jenaer Forscher fanden nun heraus, dass verwandte Bakterien sowohl Wasserstoff als auch Naturstoffe produzieren können.
Bakterien werden in der Biotechnologie für die verschiedensten Aufgaben eingesetzt. So können so etwa zur Herstellung von Plattformchemikalien genutzt werden oder um Abgase in nützliche Rohstoffe umzuwandeln. Damit die gewünschten Prozesse von den Mikroben geleistet werden können, müssen diese zuvor oft aufwendig gentechnisch verändert werden. Nun haben Jenaer Forscher eine Bakterienunterart entdeckt, die von sich aus Wasserstoff produziert und in Kombination mit einer weiteren Bakterienart sogar Naturstoffe wie Methan herstellen kann. Das Überraschende: Die Bakterienunterart zählte bisher zu einer Gruppe von Krankheitserregern.
Verwandter von Krankheitserregern produziert Wasserstoff
Diese Krankheitserreger, die sogenannten Epsilonproteobakterien, werden unter anderem mit der Entstehung von Magengeschwüren und Lebensmittelvergiftungen in Verbindung gebracht. Die Jenaer Biotechnologen forschten an der Untergruppe Sulfurospirillen, die nicht krankheitserregend ist, sondern anaerob, also unter Ausschluss von Sauerstoff in Abwässern und Flusssedimenten lebt und dort Schadstoffe umwandelt. Das Forscherteam unter der Leitung von Gabriele Diekert von der Friedrich-Schiller-Universität Jena konnte nun erstmals zeigen, dass die Sulfurospirillen auch Wasserstoff und Naturstoffe produzieren können. Sie könnten damit zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden.
Wie sie in den Fachjournalen „Nature Communications“ und „ACS Chemical Biology“ berichten, haben die Forscherteams von Diekert und Lorenz Adrian vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig die Funktion der Proteine des Bakteriums unter verschiedenen Bedingungen untersucht. „Zu Beginn hatten wir nur sehr unsichere Hinweise auf Wasserstoff- und Naturstoffproduktion dieser Bakterien. Wir haben die Sequenz einer sogenannten Hydrogenase – das sind Enzyme, die Wasserstoff spalten oder herstellen können – im Genom von Sulfurospirillum gefunden“, erklärt Tobias Goris, Wissenschaftler und Koordinator in einer DFG-Forschergruppe, die ebenfalls an dem Projekt beteiligt war. Mithilfe einer Proteomanalyse, also der Untersuchung der Gesamtheit der Proteine, konnten die Wissenschaftler schließlich einen großen, Wasserstoff produzierenden Komplex identifizieren.
Mikroben-Kooperation verwandelt Milchsäure in Methan
Sulfurospirillen sind demnach in der Lage, Wasserstoff zu produzieren. Viele andere Mikroben „ernähren“ sich hingegen von Wasserstoff. Deshalb kombinierten die Biotechnologen im nächsten Schritt die Fähigkeiten der Sulfurospirillen mit anderen, Naturstoff produzierenden Bakterien: Sulfurospirillum multivorans wurde zusammen mit Methanococcus voltae kultiviert. Wie der Name vermuten lässt, ist M. voltae dafür bekannt, mithilfe von Wasserstoff als Energiequelle, Methan zu produzieren. Und tatsächlich: S. multivorans wandelte Milchsäure in Wasserstoff um, und M. voltae verstoffwechselte diesen anschließend zu Methan.
Wirkstoff für die Krebsbehandlung
Bei einem weiteren Sulfurospirillen-Vertreter, Sulfurospirillum barnesii, untersuchten die Jenaer zusammen mit der Arbeitsgruppe von Christine Beemelmanns am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie ebenfalls das Genom. Das Erbgut ließ darauf schließen, dass S. barnesii einen wichtigen Naturstoff produziert, der therapeutische Wirkungen haben könnte: Das nach dem Bakterium benannte Barnesin hat eine ähnliche Wirkungsweise wie bereits in der Krebsbehandlung eingesetzte Proteasehemmer.
Die Jenaer Biotechnologen wollen auch in Zukunft die Produkte von Sulfurospirillen sowie die Interaktion dieser Bakterien mit anderen untersuchen, wobei der Fokus auf dem Abbau von Schadstoffen durch solche mikrobiellen Kooperationen liegen wird.
jmr