Indonesien wird nachhaltig
Martina PadmanabhanBeruf
Nachhaltigkeitsforscherin, Agrarsoziologin
Position
Professorin für Vergleichende Entwicklungs- und Kulturforschung an der Universität Passau
Beruf
Nachhaltigkeitsforscherin, Agrarsoziologin
Position
Professorin für Vergleichende Entwicklungs- und Kulturforschung an der Universität Passau
Martina Padmanabhan von der Universität Passau untersucht wie die stark industrialisierte Landwirtschaft in Indonesien profitabel und zugleich ökologisch nachhaltig gestaltet werden kann.
Indonesien ist der weltweit größte Inselstaat und muss sich daher vorrangig autark versorgen. In den 1960er Jahren führte die Regierung dort eine sogenannte grüne Revolution durch, die alledings mit „grün" im Sinne von Nachhaltigkeit wenig zu tun hatte: Die Landwirtschaft wurde stark industrialisiert, um Erträge zu steigern und einer Hungerkatastrophe vorzubeugen. Vor allem die Abkehr von der traditionellen Landwirtschaft und der vermehrte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hinterließen ihre Spuren. Viele Böden haben an Fruchtbarkeit verloren und Rückstände von Pestiziden belasten die Nahrung. Inzwischen besinnen sich deshalb manche Landwirte bereits wieder auf einen ökologisch nachhaltigen Anbau. In dem Projekt IndORGANIC will Martina Padmanabhan diese einzelnen Ansätze fördern, vernetzen und weiterentwickeln, um dem Land langfristig zu einer profitablen und nachhaltigen Landwirtschaft zu verhelfen. Das Bundesforschungsminsterium (BMBF) fördert das Projekt mit 882.190 Euro.
Sie wollen in Indonesien eine nachhaltige Landwirtschaft im Sinne der Bioökonomie etablieren. Warum gerade in Indonesien?
Indonesien hat mit seinen 17.000 Inseln und 246 Millionen Einwohnern in den vergangenen Jahrzehnten eine dynamische Entwicklung durchgemacht und ist zu einem Schwellenland geworden. In der 30-jährigen Diktatur unter Suharto wurde das Land modernisiert und industrialisiert, was auch vor der Landwirtschaft nicht Halt gemacht hat. Die beeindruckenden Zuwächse an Erträgen sind hier auf die autoritäre Durchsetzung der „Grüne Revolution“ genannten Technologiebündel aus synthetischen Düngern und Agrarchemikalien zurückzuführen. Das hatte ökologische und soziale Konsequenzen. Die Bodenfruchtbarkeit sowie die Artenvielfalt in der Landwirtschaft – die Agrarbiodiversität – nimmt ab. Jetzt wollen wir im Projekt IndORGANIC die bereits zuvor vereinzelt praktizierten alternativen Landwirtschaftsmodelle untersuchen und weiterentwickeln.
Wie und mit wem arbeiten Sie vor Ort?
Um uns ein genaueres Bild der Situation von Bauern und Bäuerinnen machen zu können, arbeiten wir von Anfang an mit der Aliansi Organis Indonesia (AOI) zusammen, einer Interessensvertretung der Biobauern. Sie ermöglicht uns den Zugang zu Bauern und unterstützt uns bei der Durchführung von Trainingsprogrammen, die über ökologisches Wirtschaften informieren. So wollen wir verstehen, welche Maßnahmen und unter welchen Bedingungen eine Umstellung erfolgversprechend ist. Gleichzeitig interviewen wir Aktivisten, Praktiker und Organisationen der Zivilgesellschaft, um die Vernetzung und Organisationsstrukturen in der Bewegung zu analysieren. Interessanterweise sind lokale Regierungen mit eigenen Maßnahmen in die Förderung des organischen Landbaus involviert - bei gleichzeitiger staatlicher Betonung der Massenproduktion.
Wie weit sind Sie in den vergangenen zwei Jahren gekommen? Gibt es schon erkennbare Fortschritte?
Erst im kommenden Jahr werden wir die Abschlussbefragung durchführen, die Aufschlüsse über den Erfolg der mehrtägigen, interaktiven und enthusiastisch aufgenommenen Schulungsaktivitäten gibt. Dort beschäftigten sich die Bauern mit einfachsten Experimenten zur Fruchtbarkeit ihres Bodens und erfahren, wie sie diese durch Kompost steigern können. Ob dies und weitere Informationen eine nachhaltige Wirkung entfalten, bleibt abzuwarten. Mit den transdisziplinären Workshops, zu denen wir Praktiker, Aktivisten und Wissenschaftler einladen, stellen wir eine Plattform bereit, bei der wir einerseits über den Zustand des Biolandbaus lernen, gleichzeitig Netzwerke bilden und Ideen für Politikempfehlungen entstehen.
Welche Überraschungen gab es in dem Projekt?
Erstaunt hat uns die Vielfalt der Interpretationen, Motivationen und Praktiken, was biologischer Landbau sein kann. So reicht das Spektrum von älteren Individualisten, über zivilgesellschaftliche Netzwerke bis hin zu professionell organisiertem Vertragsanbau inklusive Vermarktung über Supermarktketten. Gerade an den staatlichen Bestrebungen zur Standardisierung durch Zertifizierung scheiden sich die Geister. Auch durch den Generationenwechsel in der Bewegung werden neue Formen der Organisation über das Netz, beziehungsweise ein bewusstes Ablehnen dieser Regulierungsbemühungen sichtbar. Überrascht haben uns die geringen Aktivitäten zu Saatguterhalt und proaktivem Artenschutz in der Landwirtschaft.
Was steht als nächstes an?
IndORGANIC wird kommendes Jahr Ergebnisse auf der EuroSEAS-Konferenz Mitte september in Berlin die Südostasien-Studien vorstellen und seine daraus abgeleiteten Politikempfehlungen in Zusammenarbeit mit indonesischen Forschungseinrichtungen an politische Akteure herantragen. Wir hoffen, dass wir die guten Beziehungen mit dem Institut Pertainia in Bogor und der Universitas Atma Jaya in Yogyakarta weiter ausbauen können, um die weiteren Entwicklungen rund um den organischen Landbau als nachhaltige und gesellschaftliche Transformation zu verfolgen. Die Vermarktung ist beispielsweise eine ganz wichtige Infrastruktur für die junge Branche, aber auch die mediale Aufbereitung der Debatten über gesundes Essen, die Frage nach partizipativen Zertifizierungsverfahren und die Bedeutung der Saatgutdiversität.
Interview: Judith Reichel