Mikroben-Proteine als Tierfutter
Von Mikroorganismen hergestellte Proteine könnten künftig als umweltschonender Ersatz für Kraftfutter im Tiertrog dienen. Das haben Potsdamer Klimaforscher in einer Studie untersucht.
Fleisch, ob von Rind, Schwein oder Huhn, steht beim Verbraucher weiter ganz oben auf dem Speiseplan. Mit knapp 60 Kilogramm ist der Fleischkonsum pro Kopf in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit 1991 nur geringfügig um fünf Kilogramm gesunken. Enorme Mengen an Futtermitteln, vor allem proteinreiche Kost, sind erforderlich, um die Tröge der Tiere für deren Mast zu füllen. Bereits heute wird die Hälfte aller angebauten Proteinpflanzen wie Soja an Tiere verfüttert. Experten erwarten, dass der prognostizierte Anstieg der Weltbevölkerung auf neun Milliarden im Jahr 2050 sowohl die Nachfrage nach Fleisch als auch die Anbauflächen für Tierfutter weiter in die Höhe treiben wird.
Eiweißhaltige Ackerpflanzen durch Mikroben-Proteine ersatzen
Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung präsentiert nun eine umweltfreundlichere Alternative der Futtermittelproduktion. Wie die Wissenschaftler im Fachjournal „Environmental Science & Technology“ berichten, könnten künftig Mikroben wie Bakterien, Hefen, Pilze oder Algen die eiweißreiche Tiernahrung im Labor produzieren und heutige Ackerpflanzen wie Sojabohnen oder Getreide ersetzen. "Die Fütterung von mikrobiellem Eiweiß würde die Produktivität der Tiere nicht beeinträchtigen. Im Gegenteil, es könnte sogar positive Auswirkungen auf das Wachstum der Tiere oder die Milchproduktion haben, sagt Autorin Isabelle Weindl vom PIK.
Mikrobenlabore aus der Raumfahrt als Vorbild
Die Methode der industriellen Eiweißproduktion mithilfe von Mikroben ist nicht neu, wie Ilje Pikaar von der University of Queensland in Australien erklärt. „Entwickelt wurde diese Methode ursprünglich während des Kalten Krieges für die Raumfahrt. Energie, Kohlenstoff und Stickstoffdünger werden dabei im Labor zur industriellen Produktion proteinreicher Mikroben eingesetzt". Im Ergebnis entsteht ein Proteinpulver, das anstelle von Sojabohnen an Tiere verfüttert werden kann.
Wirtschaftliches Potenzial und Umweltfolgen simuliert
Im Rahmen der Studie wurden erstmals nun auf globaler Ebene Modellsimulationen zu wirtschaftlichem Potenzial und Umweltauswirkungen der mikrobiellen Proteinproduktion in der Landwirtschaft untersucht. Nach dieser Modellrechnung werden bis 2050 weltweit zwischen 175-307 Millionen Tonnen Mikroben an Tiere verfüttert, um Kraftfutter zu ersetzen. Das entspricht etwa 2% des gesamten Viehfutters. Diese 2% würden im Gegenzug mehr als 5 % der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen, der globalen Ackerfläche und der globalen Stickstoffverluste in der Landwirtschaft vermeiden. Konkret sind das das 6% der Ackerfläche, 7% der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft und 8% der globalen Stickstoffverluste.
Bei der Züchtung von Mikroben haben die Wissenschaftler zudem fünf verschiedene Wege ausgelotet. So könnte durch den Einsatz von Erdgas oder Wasserstoff die Futtermittelproduktion vollständig von der Anbaufläche entkoppelt werden. Verschmutzungen durch die landwirtschaftliche Futterproduktion werden damit zwar vermieden, erfordern aber einen enormen Energieaufwand. Alternativ könnten aber auch Zucker, Biogas oder Synthesegas aus der Landwirtschaft durch die Mikroben zu hochwertigem Eiweiß veredelt werden, wie die Forscher berichten. Hier entfällt die externe Energiequelle durch die Nutzung der Photosynthese, aber Stickstoffbelastung und Treibhausgasemissionen könnten ansteigen.
Umstellung auf mikrobielles Protein reicht nicht aus
Das Fazit der Forscher: Die Züchtung von Futterprotein in industriellen Anlagen mithilfe von Mikroben statt auf Ackerland ist nur eine Möglichkeit, Umwelt- und Klimaauswirkungen der Futtermittelproduktion zu mildern und Produktion kosten günstiger machen. "Trotz der positiven Ergebnisse ist klar, dass eine Umstellung auf mikrobielles Protein aus dem Labor allein nicht ausreicht, um unsere Landwirtschaft nachhaltig zu verändern", so Alexander Popp vom IPK. Andererseits rechnet Popp damit, dass „nach weiteren Fortschritten in der Technologie mikrobielles Protein aus dem Labor auch ein direkter Bestandteil unserer Ernährung werden kann- also Astronautennahrung für jedermann".
bb