Zellbasiertes Fleisch als Astronautennahrung

Zellbasiertes Fleisch als Astronautennahrung

Zwei unabhängige Forschungsteams der ESA kommen zu der Erkenntnis, dass sich die Produktion von kultiviertem Fleisch im All als proteinhaltige Nahrungsquelle vor allem auf Langstreckenmissionen lohnen würde.

Um Astronauten bei Langzeitmissionen im Weltraum mit nahrhafter Nahrung zu versorgen, wird es immer wichtiger, Lebensmittel im Weltraum züchten zu können.
Um Astronauten bei Langzeitmissionen im Weltraum mit nahrhafter Nahrung zu versorgen, wird es immer wichtiger, Lebensmittel im Weltraum erzeugen zu können.

Die Produktion von Fleisch aus tierischen Muskelzellen im Bioreaktor ist eine vielversprechende Möglichkeit, die Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung mit proteinreichen Nahrungsmitteln zu sichern, ohne Umwelt und Klima zu belasten. Erste zellbasierte Fleischprodukte sind bereits in Singapur und den USA zugelassen. Was auf der Erde möglich ist, könnte auch Weltraummissionen bereichern. Das zeigen erste Untersuchungen zweier unabhängiger Forschungsteams der Europäischen Weltraumorganisation ESA aus Deutschland und Großbritannien, die den Anbau von Zuchtfleisch im Weltraum getestet haben. Bei den beiden Teams handelt es sich zum einen um das baden-württembergische Unternehmen yuri und die Hochschule Reutlingen, zum anderen um die britischen Unternehmen Kayser Space, Cellular Agriculture und Campden BRI. Finanziert wurden die Projekte aus dem Discovery-Budget der ESA.

Mit Laborfleisch Weltallmissionen widerstandsfähig machen

„Es geht darum, Astronauten auf Langzeitmissionen fernab der Erde mit nahrhaften Lebensmitteln zu versorgen und die typische Haltbarkeit von zwei Jahren herkömmlich verpackter Lebensmittel zu überwinden. Angesichts der begrenzten Ressourcen im Weltraum wäre der Anbau frischer Lebensmittel vor Ort notwendig, um die Widerstandsfähigkeit und Autarkie einer Mission zu erhöhen, und könnte der Besatzung auch psychologische Unterstützung bieten", erklärt ESA-Ingenieur Paolo Corradi.

Vielversprechender Nährstoffvergleich

In den vergangenen Jahren haben beide Teams unabhängig voneinander proteinreiche Nahrungsalternativen wie Pflanzen und Algen mit dem Nährwert von Laborfleisch verglichen und verschiedene Produktionsmethoden für kultiviertes Fleisch sowie Bioreaktortechnologien vorgeschlagen.„Nach ihrer Analyse sind beide Teams zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen und legen nahe, dass die Idee, kultiviertes Fleisch im Weltraum zu produzieren, nicht weit hergeholt ist und weitere Forschung erfordert", sagt Corradi.

Die Entwicklung von Technologien, die Bioprozesse und die Nutzung metabolischer Ressourcen an Bord von Raumfahrzeugen zu verbessern, ist ein zentrales Ziel der ESA-Forschung.„Wir entwickeln Bodenprototypen, um beispielsweise geschlossene Kreislaufsysteme zu erforschen, die Nährstoffe zurückgewinnen und Stoffwechselabfälle recyceln. Dies könnte auch in der kultivierten Fleischproduktion angewandt werden, um das Nährmedium, das wir den Zellen zuführen, zurückzugewinnen“, erklärt Christel Paille, ESA-Ingenieurin für Lebenserhaltung und Teil der Aktivitäten im Bereich kultiviertes Fleisch. Bei früheren Missionen wurden bereits Tomatenpflanzen, Algen und DNA einem Härtetest im Weltraum unterzogen.

Weitere Forschung zu Zuchtfleisch im Weltall erforderlich

Bis sich Astronauten im Weltall ihr eigenes Stück Fleisch züchten können, ist noch viel Forschung nötig. „Dazu gehört auch zu verstehen, wie sich Zellen an veränderte Schwerkraft und Strahlung anpassen", so João Garcia, ESA-Forscher für Zuchtfleisch für Weltraumanwendungen. „Durch die Nutzung der bei der ESA verfügbaren Einrichtungen werden wir bald mit Experimenten beginnen, um diese Effekte zu verstehen." Zudem hoffen die Forschenden, dass auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit bald grünes Licht für die Herstellung von kultiviertem Fleisch in Europa gibt und damit die Forschung weiter beflügelt wird.

bb